Geschichten zum Nachdenken

 

Vorwort

Dieses Buch erzählt von doch recht seltsamen Geschichten, welche einem die Entscheidung zwischen richtig und falsch sehr schwer machen. Würde man seinem realistischen Menschenverstand allein einsetzen, so würde jeder von uns jene Geschichten wohl als unmöglich bezeichnen.

Dennoch hat jede Geschichte in diesem Buch einen wahren Hintergrund. Worum es bei diesen Geschichten einzig geht ist die Frage, ist jener reale Hintergrund die Basis für eine phantasievolle Geschichte, welche aufgrund der Basisinformationen frei erfunden wurde, oder entspricht sie der absoluten Wahrheit, vom Anfang bis zum Ende.

Wir werden bei diesen Erzählungen erfahren, wie end doch das Unnatürliche mit dem phantasievollen Natürlichem verbunden ist. Oftmals trennen Die Wahrheit und die Phantasie nur ein dünner seidener Faden, der obendrein noch nicht einmal so einfach zu erkennen ist. Oft lehnen wir die Wahrheit ab und glauben der erdachten Phantasie, und umgedreht ist es nicht anders.

Es mag ein schwacher Trost sein, dass selbst Wissende in den meisten Fällen die sehr grenzwertig sind, die Wahrheit nicht so einfach oder sogar überhaupt nicht erkennen. Ihnen fällt es ebenso schwer wie einem blutigen Anfänger oder Laien. Diese Tatsache hat auch eine relativ einfache Erklärung. Eine Geschichte, der einzig die Phantasie als Basis zugrunde liegt, entspringt dem eigenen Denken. Nun besagt ein alter Leerspruch, jede Auswirkung hat ihre eigene Ursache. Was ich damit genau zu sagen versuche ist die Tatsache, dass auch die Phantasie ihren realen Uhrsprung haben muss und wird. Ob dieser in unserem tiefsten Unterbewusstsein begraben liegt oder eine Information aus einem früheren Dasein, einer feinstofflichen Welt, stammt mag dahingestellt sein, aber eine reale Basis wird es immer geben.

Sicherlich wird Ihnen diese These sehr befremdend und überzogen vorkommen, aber lesen Sie zuerst diese Geschichten und versuchen Sie ein Urteil zu fällen. Sie werden sehr schnell erkennen, dass die Wahrheit so gut wie nie zu erkennen ist. Es gibt aber auch noch einen zweiten Aspekt, der meines achtens ebenso wertvoll ist, Sie entdecken Ihre selbstkritische Seite und lernen diese zur rechten Zeit richtig einzusetzen. Es mag eine gute Schule sein, in der man jenen Punkt erreichen kann, indem es keinem Betrüger mehr so leicht fallen wird Sie aufs Glatteis zu führen. Zudem hoffe ich, dass Sie diese Geschichten zudem unterhaltsam, spannend und bereichernd finden werden. Zudem ist das Lesen kein Muss, jeder kann für sich selbst entscheiden ob ihm diese Form der Geschichtenschreibung gefällt oder nicht. Ich wäre Ihnen jedoch sehr dankbar, wenn mir der Eine oder Andere per E-Mail seine ehrliche Meinung schreiben würde. Ganz gleich ob diese positiv oder negativ ausfällt, es wird auch für mich eine sehr leerreiche Erfahrung sein.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Unterhaltung und Spaß beim Lesen und Raten. Bei welcher jener Geschichte handelt es sich wohl um eine wahre? Oder kann es vielleicht auch möglich sein, dass alle Geschichten wahr oder frei erfunden sind? Was meinen Sie?

In diesem Sinne verbleibe ich wie immer im Namen der Heiligen Wissenschaft,

Ihr ergebener Georg Goetiaris.

 

 

 

Eine unheimliche Begegnung

 

Es wurde bereits langsam dunkel an diesem schönen Sommerabend. Der Wanderer, der bereits schon den ganzen Tag auf den Beinen war, erreichte endlich die kleine Ortschaft und damit auch jenes romantische Gasthaus in der Grafschaft von Südengland. Als er dort einkehrte und um ein Zimmer für ein bis zwei Nächte bat, sagte man ihm, dass leider alle Zimmer ausgebucht seien. Doch wenn er für jene zwei Tage keine großen Ansprüche stellte, so gäbe es da noch eine Dachkammer. Diese könnte der Wirt ihm zu einem sehr günstigen Preis überlassen. Die Sache habe aber einen kleinen Haken. Er sage es ihm lieber gleich, damit er sich nicht, wie schon andere Gäste vor ihm, im Nachhinein darüber beschwerten. Der Wanderer, sein Name war Georg, sah den Gastwirt fragend an. Etwas verlegen berichtete er dem Wanderer, dass es angeblich in jener Dachkammer spuken solle. Er selbst habe zwar noch nie etwas davon gemerkt, aber einige Gäste haben davon berichtet und, was so eigenartig erschien, alle habe stets das Gleiche geschildert.

Georg lachte ein wenig verlege und bekundete, dass er sich vor solche Dinge nicht fürchtet, da es ihm schwer fällt daran zu glauben. Auf den Gastwirt machte diese Aussage einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. So vermietete er dem Fremden Wanderer jenes Zimmer, oder besser gesagt jene bescheidene Dachkammer. Georg bedankte sich und begab sich mit einem leichten Lächeln auf seine besagte Kammer, welche sich als sehr spärlich herausstellte.

Als er die Kammer betrat, schlug ihm ein leicht modriger Geruch entgegen. Auch erschien es ihm in diesem Zimmer, entgegen den anderen Räumlichkeiten sehr kühl. Diese Tatsache führte er jedoch darauf zurück, dass die Kammer direkt unter dem Dach des alten Hauses lang. Auch für den Geruch hatte er eine Erklärung, schließlich hatte schon lange keiner mehr, nach Aussage es Wirtes, jene Kamme bewohnt. Es handelte sich also nicht gerade um ein Luxuszimmer, aber für seine Anforderungen und den zwei Tagen reichte es vollkommen, zudem es noch unglaublich günstig war.

Georg richtete sich notdürftig für seinen Kurzurlaub ein und verließ dann die Dachkammer um in der Gaststube des Hauses noch ein kleines Nachtmahl sowie zu Trinken zu sich zu nehmen. Als er die Gaststube betrat, bemerkte er, dass die Leute des Dorfes, welche sich darin befanden, alle ihr Augenmerk auf ihn richteten. Er kam sich vor, als würde er von einem anderen Stern kommen. Warum schauten diese Menschen ihn so eigenartig an? Sollte dies vielleicht etwas mit seiner Dachkammer und jenen Geschichten welche sich darum rankten, zutun haben? Egal, er suchte sich einen kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke aus, setzte sich dort nieder und bestellte sich bei der Bedienung, die sofort herbeieilte, ein kleines Abendessen und ein Glas Wein dazu.

Es war eine gemütliche Gaststube und über das Essen konnte man nichts schlechtes sagen. Es mag so gegen 21:30 Uhr gewesen sein, als er die Gaststube verließ, noch einen Augenblick vor die Tür trat um den klaren Nachthimmel zu bewundern und sich dann auf seine Kammer zurückzuziehen.

Die Treppe, die vom oberen Geschoss hinauf zur Dachkammer führte war alt und das Holz war bereits los in den Fugen, so dass diese bei jedem Schritt und Tritt knarrte und quietschte. Endlich oben angelangt, schloss er die Kammertür auf und betrat den Raum. Im spärlichen Licht der einen Lampe machte der Raum nicht gerade einen einladenden Eindruck. Doch unser Wanderer war müde und begab sich sogleich zu Bett. Auch dieses war bereits sehr alt und besaß noch die gute alte und schwere Bettwäsche. Es sollte nicht lange dauern und Georg war ruhig und traumlos eingeschlafen. Dennoch sollte es für ihn keine ruhige geschweige angenehme Nacht werden.

 

Zuerst glaubte Georg zu träumen, als er von einem Geräusch erwachte. Er schaute auf seine Uhr und diese zeigte ihm 00:23 Uhr. Als er das Licht anmachte konnte er nicht das Geringste erkennen, was dieses Geräusch hätte verursachen können. Er löschte das Licht, ohne sich weiter Gehdanken darüber zu machen und war auch kurz darauf wieder eingeschlafen. Doch kaum hatte er seine Ruhe gefunden, war das Geräusch wieder da. Es war ein sehr merkwürdiges Geräusch, so als würde etwas mit einem harten Gegenstand auf einen weicheren kratzen, oder auch umgekehrt. Diesmal war Georg jedoch davon überzeugt nicht davon geträumt zu haben. Er schaltete das spärliche Licht der kleinen Lampe an und schaute sich im Zimmer um. Zuerst konnte er nichts ungewöhnliches erkennen, aber als sein Blick auf das Fenster fiel, glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Ohne eine Person oder ein Wesen zu sehen, konnte er sehen wie sich eine Schrift an der Glasscheibe wie von Geisterhand schrieb. Unser Wanderer stand von seinem Schlafplatz auf und begab sich zum Fenster hin. Als er sich näherte hörte das Geräusch auf und auch die Schrift schrieb nicht weiter auf jener Glasscheibe. Nahe genug konnte er erkennen, was dort zu sehen und geschrieben stand. Es war, als hätte jemand oder etwas mit einem Gegenstand oder den Fingernägeln auf die Scheibe folgenden Satz gekratzt:

"Du gehörst mir. Es ist nur eine Frage der Zeit wann ich Dich holen werde".

Georg stand wie versteinert da und starrte auf das was er sah. Im gleichen Augenblick hörte er, wie sich hinter ihm die Tür zur Kammer öffnete und mit einem, nicht überhörbaren lauten Klappen, wieder ins Schloss fiel. Als er sich daraufhin zur Tür umdrehte war im Zimmer alles wie sonst. Die Ruhe war wieder eingekehrt. Zuerst glaubte er sich in einem Albtraum zu befinden, konnte aber ein sehr realistisches Unbehagen in sich vernehmen. Er beschloss erst einmal nicht weiter darüber nachzudenken und legte sich zurück in sein Bett mit dem Vorhaben, einfach weiterzuschlafen. Die weitere Nacht sollte ohne weitere Zwischenfälle verlaufen. Als er am nächsten Morgen erwachte, schien bereits die Sonne direkt in sein Gesicht. Nun, unter den Voraussetzungen glaubte er doch einem bösen Traum zum Opfer gefallen zu sein. Ausgeschlafen und guter Dinge sprang er förmlich aus seinem Bett und wollte sich zuerst etwas frisch machen, bevor er sich in die Gaststube begab. Dann blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen. Sein Blut schien aus seinem gesamten Körper zu entweichen und er konnte fühlen wie seine Beine schwach wurden. Sein Blick fiel auf das Kammerfenster. Deutlich konnte er dort jene Schrift erkennen, welche er für einen Traum gehalten hatte. Sofort fielen ihm die Ereignisse der letzten Nacht ein. Nein, es war also kein Albtraum, es handelte sich hierbei um ein ganz realistisches Vorkommen. Wenn es hierfür auch keinerlei Erklärungen gab, so war es doch tatsächlich geschehen. Für einen Augenblick musste er sich erst einmal setzen. Er musste zuerst wieder einen klaren Kopf bekommen und seine Gedanken ordnen.

 

Georg war bestimmt kein ängstlicher Mensch und Aberglaube war für ihm etwas wie ein Fremdwort. So wollte er keine voreiligen Entscheidungen treffen. Er war sich sicher, dass es für alles eine Erklärung gab. So beschloss er zuerst in die Gaststube zu gehen. Er verspürte zwar keinen Hunger, aber ein Getränk gegen diesen Schock könnte er jetzt doch gut gebrauchen. Danach wollte er mit dem Wirt über jenes Erlebnis sprechen.

Als er die Gaststube betrat, waren dort schon einige Gäste anwesend und damit beschäftigt ihr Frühstück zu sich zu nehmen. Georg setzte sich an den gleichen Tisch wie am Tag zuvor. Als der Wirt daraufhin zu ihm an den Tisch trat, bestellte sich unser Wanderer einen doppelten Brandwein und ein großes Bier dazu. Essen wollte er vorerst einmal noch nicht. Der Wirt schien nicht sonderlich verwundert. Er fragte auch nicht was geschehen war. Alles in allem schien er jene Situation bereits gut zu kennen. Er war sich sicher, dass wenn sein Gast über etwas reden wollte, dann würde dieser dies früher oder später tun, also wartete er ab und brachte seinem Gast zuerst einmal seine bestellten Getränke.

Ungeachtet wie die anderen Gäste ihn betrachteten, so früh am Morgen schon Brandwein und Bier, trank Georg den doppelten Brandwein und spülte diesen mit einem kräftigen Schluck Bier herunter. Darauf bestellte er sich gleich noch einmal einen Brandwein in gleicher Größe.

Der Wirt brachte ihm das gewünschte Getränk, setzte sich diesmal aber zu Georg an den Tisch. Einen Augenblick betrachtete er ihn, wie er auch den zweiten Brandwein mit einem Zug heruntertrank und wieder mit einem großen Schlug Bier nachspülte. Dann ergriff der Wirt das Wort. Er fragte ganz vorsichtig, ob es etwas gäbe, worüber sein Gast vielleicht mit ihm reden wollte.

Georg überlegte einen Augenblick lang und begann dann aber über die Vorfälle der letzten Nacht und die Bestätigung am Morgen zu berichten. Als er mit seiner Erzählung abgeschlossen hatte, sah er den Wirt fragend an, so als würde er von diesem eine Antwort auf all diese Geschehnissee erwarten.

Der Wirt zog für einen kurzen Moment seine Stirn in Falten. Dann holte er einmal tief Luft und begann mit seinem Gast zu sprechen. "Nun", begann er, "wie ich Ihnen bereits am Anfang gestern Abend gesagt hatte, vermiete ich diese Dachkammer schon lange nicht mehr wirklich. Wenn dies einmal vorkommt, wie bei Ihnen gestern, dann tue ich dies immer gegen meinen eigenen Willen. Ich kann jedoch keinen Menschen, der hier am Ende seiner Kräfte gegen Abend auftaucht eine Übernachtung verweigern, nur weil alle anderen Zimmer zur Zeit ausgebucht sind. Immer wieder hoffe ich aufs Neue, dass solche Geschichten nicht geschehen. Wie ich Ihnen sagte, ich habe noch nie etwas bemerkt, was darauf hindeutet, dass es wirklich in dieser Kammer nicht mit recheten Dingen zugeht. Aber immer wieder höre ich von den Gästen, die jene Kammer aus der Not heraus gebucht hatten, dass es in jenem Zimmer spuckt. Oft habe ich schon geglaubt, es handele hierbei um einen Trick um vielleicht nicht für die Übernachtung zahlen zu müssen, aber nach all den Berichten konnte ich mir eine solche Dreistigkeit nicht vorstellen. Offen gestanden hatte ich schon beschlossen diese Kammer abreißen zu lassen, was auch in der nächsten Zeit geschehen wird, aber dann kamen Sie gestern und ich konnte wieder einmal nicht nein sagen".

"Was aber geschah mit all den Gästen", wollte Georg wissen, "haben diese sich nicht später noch einmal, ganz gleich aus welchem Grund auch immer, gemeldet"?

"Nein, gerade dies kommt mir bei all den vielen Zwischenfällen, unheimlich vor. Ich kann Ihnen nicht sagen, was aus diesen Menschen geworden ist. Mit der Zeit habe ich mich an jene Tatsache festgehalten, dass sich diese Menschen sosehr geärgert hatten, dass diese einfach nichts mehr mit dieser Erfahrung und somit auch mit uns sowie unserem Haus nichts mehr zu tun haben wollten, was auch für mich verständlich erscheint".

Damit beendete der Wirt seinen Bericht mit der Aussage, dass er nichts weiter dazu zu berichten hätte. Er würde unserem Wanderer auch diese Übernachtung nicht in Rechnung stellen wenn er gehen wollte.

Dieses Angebot war zwar fair, aber da hatte er nicht mit Georg und seinem unstillbaren Drang nach Erklärungen gerechnet. Georg bat den Wirt um eine kurze Bedenkzeit. Er wollte zuerst noch einmal in seine Kammer gehen um dort nach Anhaltspunkten zu suchen. Im Grunde jedoch war er sich jedoch schon darüber im Klaren, dass er bleiben würde um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Genauso selbstverständlich war es für Georg, dass er seine Übernachtungen in dieser Kammer an den Wirt bezahlen würde.

Als er sich nach oben begab und die Tür zu seiner Kammer öffnete, fiel sein Blick zuerst auf die Glasscheibe des Fensters. Es war dort nichts Ungewöhnliches zu sehen, weder eine Schrift noch etwas anderes. Sollte er sich am Ende alles nur eingebildet haben? Nein, er war kein Mensch der zu solchen Neurosen neigte. Auch waren da die Aussagen des Wirtes. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, was jedoch nicht von dem Brandwein kam.

Gerade als er sich wieder nach unten in die Gaststube zum Essen begeben wollte und zur Tür ging, verspürte er hinter sich eine Eiseskälte. Es hatte das Gefühl einen schweren Atem in seinem Nacken wahrzunehmen. Dann glaubte er eine doch recht unheimliche Stimme zu vernehmen, welche zu ihm sprach, er aber nicht verstehen konnte. Er wollte die Tür seiner Kammer öffnen, aber es sollte ihm nicht gelingen.

 

In der Gaststube ging es zu wie an jedem anderen Morgen auch. Der Wirt hatte viel an Arbeit zu bewältigen und die Menschen in dem ausgefüllten Raum aßen und tranken, wobei sie sich lautstark unterhielten. Das Geschäft lief gut und der Gastwirt hatte genug zu schaffen. Er hatte soviel zu tun, dass er nicht bemerkte, dass Einer fehlte. Es war unser Wanderer Georg der nicht in die Gasträume gekommen war. Der Wirt dachte sich nichts besonderes dabei, wahrscheinlich hatte er genug mit sich selbst und seinen Gedanken zu tun. So wurde es Mittag. Als Georg noch immer nicht erschien begann der Wirt sich so seine Gedanken zu machen. Noch bevor das Mittagsgeschäft beginnen sollte und er dann keine Zeit haben würde, wollte er nun doch einmal nach dem Rechten sehen.

Langsam stieg der Wirt die letzten Stufen der Treppe zur besagten Dachkammer hinauf. Er konnte es nicht erklären, aber sein Gefühl war nicht gerade angenehm. Oben angekommen, klopfte er an die Tür, aber kein Mensch antwortete und auch sonst war nichts zu hören. So drückte er die Türklinke herunter. Die Tür war nicht verschlossen und öffnete sich ohne jede Schwierigkeit. Das Zimmer war leer. Es befand sich in einem ordentlichen Zustand, nicht so, als wenn jemand panisch die Flucht ergriffen hätte. Vielleicht hatte Georg sich dazu entschieden, zuerst einmal einen Spaziergang zu machen. Letztlich war das Wetter hervorragend. Doch dann fiel dem Wirt auf, dass alle Sachen von Georg fehlten. Sicher, er hatte nicht viel dabei außer seinem Rucksack, aber nimmt ein Mann alle Utensilien mit, wenn er nur einen Spaziergang vorhat? Alles in Allem erschien die Situation dem Wirt doch mehr als nur merkwürdig. Er drehte sich um, verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Dann schritt er die Treppe hinunter und begab sich zurück in seine Gaststube. Zu diesem Zeitpunkt sollte er noch nicht ahnen oder wissen, dass er nie mehr etwas von Georg sehen oder auch nur hören würde.

 

Die Zeit verging. Tage, Wochen, ja sogar Monate und es wurde Herbst. Das Wirtshaus lief gut und man konnte durchaus sehr zufrieden sein. Dennoch musste der Wirt hin und wieder daran denken, was wohl aus jenem Wanderer Georg geworden ist. Er war fest der Ansicht, dass jener Georg einmal etwas hätte von sich hören lassen, was aber nie der Fall war.

Ob diese Gedanken des Wirtes nun den Ausschlag zu jener kommenden Entscheidung waren oder auch nicht kann man heute nicht mehr sagen. Zumindest entschloss sich der Wirt, noch in diesem Herbst, jene Kammer abreißen und den Dachstuhl ausbauen zu lassen.

Gesagt getan, wenig später rückten die Handwerker aus der Ortschaft an und begannen mit der Arbeit. Zuerst bereiteten sie alles vor. Schließlich sollten die Gäste nicht unnötig gestört werden. Dann aber sollte es zur Sache gehen. Doch was dann geschah ist mehr als nur unglaubwürdig und kann mit Zufällen nichts mehr zu tun haben.

Als die Bauarbeiter damit beginnen wollten jene Kammer abzureißen, ereignete sich ein merkwürdiger Unfall nach dem Anderen. Es war, als würde eine fremde Macht diesen Abriss verhindern wollen. Jener Widerstand ging so weit, dass letztlich sogar ein Bauarbeiter ums Leben kam. Er wurde von seiner eigenen Axt, welche ihm entglitt, erschlagen. Nach diesem letzten Vorfall zogen sich auch die Arbeiter zurück. Sie beendeten ihre Arbeit und kamen nicht wieder. Die Kammer hingegen stand noch immer.

Der Wirt beschloss andere Arbeiter aus einer anderen Ortschaft mit der Arbeit zu beauftragen. Er musste jedoch feststellen, dass dies kein leichtes Unternehmen war. Keiner wollte diesen Auftrag annehmen. Die Geschichte der Vorfälle hatte sich in Windeseile herumgesprochen. Schließlich gelang es ihm dann aber doch noch einen Auftragnehmer zu finden. Dies war an einem Mittwoch und man beschloss gleich am Montag zum Beginn der neuen Woche mit der Arbeit zu beginnen.

Es war an jenem Samstag zuvor, als das Gasthaus, aus unersichtlichen Gründen, welche nie geklärt werden konnten, Feuer fing und bis auf die Grundmauern herunterbrannte. Zum Glück kam kein Mensch zu Schaden, aber der Wirt und seine Frau verloren alles was sie hatten. Sie waren auch wirtschaftlich am Ende, was zwei Wochen später dazu führte, dass die beiden den einzigen Ausweg im Freitod sahen. Beide vergifteten sich mit Tabletten und starben auf dem Grundstück direkt an den noch stehenden Grundmauern ihres einstigen Lebenswerkes.

Das Makabere daran war die Tatsache, dass hoch über Ihren Leichen, auf den Grundmauern, welche noch standen, jene Kammer thronte, so als würde sie demonstrativ zeigen, dass sie als Gewinner hervorgegangen ist.

Das Grundstück selbst stand lange zum Verkauf, und obwohl es eine durchaus schöne Lage hatte, wurde es nie, bis zum heutigen Tag, veräußert. Im Verlauf der Zeit jedoch, begann wie aus dem Nichts, eine Dornenhecke um das Grundstück herum zu wachsen. Diese ist heute so dicht und hoch, dass es fast unmöglich erscheint, jene Liegenschaft zu betreten.

Noch eigenartiger jedoch ist die Tatsache, dass im Laufe der Zeit sämtliche Grundmauern verfallen sind. Alle gleichen nur noch einer schäbigen Ruine, alle bis auf die welche die Dachkammer tragen. An ihnen scheint die Zeit spurlos vorbeigegangen zu sein.

 

Wenn diese Geschichte wahr sein sollte, was ich nicht behaupten will, so sind zumindest die Ortschaften und Namen frei erfunden. Ich möchte jedoch nicht ausschließen, dass sich, irgendwo auf dieser Welt eine Geschichte genauso oder ähnlich ereignet hat.

Es liegt nun an Ihnen und Ihrem gesunden Menschenverstand, ob sie ein solches Ereignis für möglich halten oder nicht. Vielleicht beruht dies auch auf eine Verkettung unglücklicher aber realistischer Zufälle, wer kann das schon mit Sicherheit sagen.

 

     Georg Goetiaris