Hexen

Begriff und Wesen der Hexerei

 

 

 

 

Die vorstehenden Einzelheiten mögen genügen, um die Natur derjenigen Dinge zu bezeichnen, die das christliche Europa während der letzten Jahrhunderte unter dem Begriffe der Hexerei zusammenfasste. Der Malleus maleficarum suchte dieses alles theoretisch zu begründen; seine Dialektik ist jedoch sehr verworren. In mehr wissenschaftlicher Form taten dies viele seiner zahlreichen Nachfolger in allen Nationen, am gelehrtesten der Jesuit Martin Delrio, dessen Disquisitiones magicae 1599 zum ersten Male in Mainz gedruckt wurden. Delrio definiert die natürliche Magie als eine tiefere Kenntnis der geheimen Naturkräfte, der Sympathien und Antipathien, des Sternenlaufs und seiner Bedeutung; sie ward schon Adam gegeben, und Salomo war ihrer in hohem Grade kundig. Sie zerfällt in die Ars operatrix und divinatrix. Beispielsweise erinnert Delrio hierbei an des Tobias Fischleber und an das Entzünden des Kalkes im Wasser. Die Magia artificiosa ist entweder mathematica (Brennspiegel des Archimedes, Automaten, Equilibristen), oder praestigiatoria (Blendwerke der Taschenspieler etc.). In das Gewand der Ars naturalis und artificiosa hüllt sich oft die magia diabolica; diese ist eine facultas seu ars, qua, vi pacti cum daemonibusiniti, mira quandam et communem hominum captum superantia efficiuntur; sie teilt sich wieder in Magia specialis, divinatio, maleficium und vana observantia.

    Das Pactum mit dem Teufel war entweder ein wirklich vollzogenes, ein Pactum expressum, wenn beide Teile den Vertrag unterzeichnet hatten, oder, was gleichfalls ein todeswürdiges Verbrechen war, ein Pactum tacidum, implicitum - ein sehr einseitiges Kontraktverhältnis, bei dem wohl der Teufel, aber nicht der Mensch sich gebunden hatte. Jedes Anrufen des Teufels, jedes im Namen des Teufels ausgeführte Malefizium, jeder Akt, in dem man Zauberei durch Zauberei zu vertreiben suchte, galt nämlich als eine Handlung, die den Teufel (und folglich auch den Hexenrichter) berechtige, hierin den Eintritt in ein diabolisches Bundesverhältnis zu erkennen und geltend zu machen. Dieser Pakt ist die Basis und Bedingung, auf der die ganze Hexerei beruht. Ohne ihn kann keine dämonische Magie gedacht werden; der Teufel läßt sich vom Menschen nicht zwingen, er dient ihm freiwillig, aber nicht unentgeltlich. Die Zaubermittel haben nicht ihre Kraft in sich selbst - sofern diese nicht etwa eine pharmakodynamische ist - sondern sie sind bloße Formen, unter denen der Teufel vertragsmäßig den Zauberern seine Kraft zur Vollbringung der Malefizien verleiht.

    Welcher Gattung der Magie die alchimistischen Operationen angehören, kann nach Delrio nur aus der Beschaffenheit bestimmter Fälle beurteilt werden. Die Alchimie kann sich nämlich bald als Magia diabolica, bald als praestigiatrix, bald als naturalis darstellen; denn unmöglich ist es ja nicht, meint der Verfasser, daß jemand durch eigenes Studium die Kunst des Goldmachens ergründen könne. In diesen vagen Bestimmungen wusste Delrio dem Zeitgeist des sechzehnten Jahrhunderts, das die Alchimie zu Ehren brachte wie kein anderes, zu huldigen, ohne dem finsteren Wahne, der früher einen Roger Baco und andere Naturforscher verfolgt hatte, etwas zu vergeben.

    Diese Ansichten erklären auch die Erscheinung, warum, während die ungelehrten Zauberer zu Tausenden den Scheiterhaufen bestiegen, alle, die sich mit den sogenannten geheimen Wissenschaften beschäftigten, ein Trittenheim, Faust, Agrippa von Nettesheim, Picus von Mirandola, Paracelsus u.a., bald als Koryphäen der Weisheit gepriesen, bald als Notabeln im Reiche Satans verschrien wurden, öfters hart genug an den Schranken der Inquisition vorbeistreiften, im wesentlichen aber ungekränkt blieben.

    Der Geist der Wissenschaft war schon zu weit gediehen, als daß nicht das Wahre, das bei allen wunderlichen Verirrungen in ihren Studien geahnt wurde, Achtung geboten hätte. Der Priestergeist aber und sein Pflegling, der Pöbelglaube, rächten sich dafür durch das Märchen vom Faust, in dem ganz eigens der Beweis geführt wird, wie der Teufel auch in den vornehmeren Magiern seine Vasallen erkennt. Der Doktor Faust, als historische Person - man mag sich nun an den Georg Faustus des Trithemius, Begardi und Mutianus Rufus, oder an den Johannes Faustus Melanchthons und Weiers halten wollen - jedenfalls mehr abenteuernder Charlatan als Gelehrter, gehört in die Geschichte der Hexenprozesse in keiner andern, als in der angedeuteten Beziehung. Einem Zauberer auf freiem Fuße den Hals zu brechen, liegt sonst nicht in den Gewohnheiten des Teufels. Er greift zu diesem Auskunftsmittel in der Regel nur dann, wenn eine verhaftete Hexe ihm durch reumütiges Bekenntnis und Rückkehr zum Glauben abtrünnig zu werden droht, d.h. in die Sprache des neunzehnten Jahrhunderts übersetzt, der Teufel wurde als Täter vorgeschoben, wenn der Richter den durch die Folgen der Tortur herbeigeführten Tod oder den in der Verzweiflung begangenen Selbstmord einer Verhafteten zu rechtfertigen hatte.

    In Übereinstimmung mit seinen Vorgängern, besonders Thomas von Aquino, behandelt Delrio auch die Lehre von den Inkuben und Sukkuben. Es steht ihm fest, daß ein Inkubus mit einem Weibe ein Kind erzeugen könne; dieses geschieht jedoch nicht durch seinen eigenen Samen, sondern durch den Samen eines Mannes, mit dem sich zuvor der Dämon als Sukkubus vermischt hat, so daß also das erzeugte Kind nicht eigentlich den Dämon selbst, sondern denjenigen Mann zum Vater hat, dem der Samen entwendet worden ist. Ein Sukkubus hingegen kann weder empfangen, noch gebären, sondern den aufgenommenen Samen einzig zu dem oben bezeichneten Zwecke verwenden. Der Jesuit Molina gilt als Zeuge, daß solche diabolische Geburten noch ganz neuerdings vorgekommen seien, und in Brabant fand Delrio selbst das noch ganz frische Beispiel der Hinrichtung einer Unglücklichen, die vom Satan empfangen und geboren hatte. Um recht viel männlichen Samen zu erlangen, waren natürlich auch zahlreiche Sukkubi nötig. So wurde 1468 in Bologna ein ganzes Bordell voll Sukkubi aufgehoben und sein Inhaber verbrannt.

    Wollen wir die Hexerei als ein Ganzes fassen, so erscheint sie, vom Standpunkt der Doktrin betrachtet, als eine in sich vollendete diabolische Parodie des Christentums. Das Christentum ist Gottesverehrung, die Hexerei Teufelskult; der Christ sagt dem Teufel ab, die Hexe entsagt Gott und den Heiligen. Der Christ sieht in dem Heiland den Bräutigam seiner Seele; die Hexe hat in dem Teufel ihren Buhlen. Im Christentum waltet Liebe, Wohl tun, Reinheit und Demut, in der Hexerei Hass, Bosheit, Unzucht und Lästerung; der Christ ist strafbar vor Gott, wenn er das Böse tut, die Hexe wird vom Satan gezüchtigt, wenn ein Rest von Menschlichkeit sie zum Guten verführt hat. Christi Joch ist sanft und seine Bürde leicht, aber des Teufels Joch ist schwer, und es geschieht ihm nimmer genug. Gott ist wahrhaftig und barmherzig, seine Gnade läßt selbst den Schwachen in die Seligkeit eingehen; der Teufel aber ist ein Lügner von Anfang und betrügt seine treuesten Diener selbst um das vertragsmäßig bedungene Wohlleben.

    Ebenso deutlich zeigt sich der Teufel in den Einzelheiten des Rituals als der Affe Gottes. Wie der Christ den Sabbat Gottes begeht, so feiert die Hexe den Teufels-Sabbat. Was aber der Kirche heilig ist, Feste, Kreuz, Weihwasser, Messe, Abendmahl, Taufe und Anrufung der Heiligen - das entweiht der Teufel durch Verzerrung, Misshandlung und Beziehung auf sich. Die Zauberei in der Hexenperiode ist die Ketzerei und Apostasie in ihrer höchsten Steigerung; sie ist, zwar nicht etymologisch, doch ihrer Idee nach die vollendete Teufelei auf Erden. Und zwar ist sie dieses, was wohl zu beachten ist, durch ihre Stellung zum Christentum. Ohne Abfall vom Christentum ist Hexerei undenkbar. Die Lossagung von Gott und Christus muss der Ausgangspunkt der gegen das Christentum und gegen die Christen gerichteten Feindschaft sein. Dieses ist ein ganz wesentliches Moment im Begriffe der Hexerei, weshalb unter den zahllosen Opfern des Hexenwahns auch nicht eine Nicht-Christin vorkommt. Eine Hexe ist ihrem Begriffe nach eine Zauberin, die Christin war, vom Teufel dazu verführt, sich von Gott, Christus und der Kirche losgesagt, dem Teufel zu eigen gegeben und sich mit ihm fleischlich vermischt hat und nun mit Hilfe des Teufels das Reich Gottes und die Christen in jeder ihr möglichen Weise zu schädigen sucht. Darum gab es wohl jüdische und zigeunerische Zauberer und Zauberinnen, aber Hexen gab es weder unter den Juden noch unter den Zigeunern, - weil diese den christlichen Glauben nicht abschwören konnten.

    Was die dem Verbrechen beigelegten Namen anbelangt, so werden im Hexenprozesse die Ausdrücke magus, lamia, saga, strix, veneficus, maleficus, parmakos und parmakis, sortilegus, sortiaria, mathematicus, incantator und incantatrix, veratrix und praestigiatrix zuweilen zur Bezeichnung einzelner Arten gebraucht, am häufigsten jedoch ohne Unterschied auf das Ganze bezogen. Auch die hebräischen Ausdrücke des Alten Testaments wurden in dieser Weise generalisiert. Diese Vermengung erleichterte wesentlich die Anwendung der alten speziell gegriffenen Strafandrohungen auf das neu geschaffene Kollektivverbrechen. Im Deutschen ist bekanntlich Zauberei derjenige Name, dessen sich das Gesetz bedient; in Akten, wie in der Volkssprache ist jedoch sehr gewöhnlich auch von Hexen, Unholden und (namentlich in Süddeutschland) Truden die Rede, und der Name der Hexerei ist ohne Zweifel der bequemste, um ohne weitere Umschreibung die moderne ungelehrte Zauberei von der antiken Magie, wie von den sogenannten geheimen Wissenschaften der neueren Zeit zu unterscheiden.

    In der deutschen Vorzeit stößt man nur sehr selten auf das Wort »Hexe«, doch findet es sich bereits nach 1293 in der »Martina« Hugo von Langensteins, eines schwäbischen Deutschordensritters. Anfangs des vierzehnten Jahrhunderts wird in den alemannischen »Bîhtebuoch« gefragt: »ob du ie geloube tost an hecse71?« »Hecs« heißt die Striga in einer im Jahre 1393 niedergeschriebenen altdeutschen Predigt; nach einer späteren Redaktion »hezze«. In Heinrich von Wittenweilers komischem Epos »Der Ring« aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, fliegt eine »häxen« auf einer Gais daher.

    Auch in der Folgezeit sind die Hexen noch recht spärlich vertreten. Meist treiben Unholde ihr zauberisches Werk. Doch spricht Ulrich Tengler in seinem »Layenspiegel« schon von »hächsen«, auch Ulrich Molitor kennt »unholden vel hexen«. Die Schweizer Protokolle aus dem ersten Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts berichten gleichfalls von »hexereye«, »hegsery«, die »Kunst der hexi«. Eine eigenartige Etymologie des Wortes Hexe gibt Turmair, genannt Aventinus, in seiner »Bayerischen Chronik«. Dort heißt es im Kapitel »von den Kriegsweibern«: »Ir hauptmannin ist gewesen Frau Häcs obgenannts künigs Theuers gemachel; sol ain große Ärztin gewesen sein, davon man noch die alten zaubererin hecsen nennt.« Goldast (Rechtl. Bedenken von Konfiskation der Zauberer- und Hexengüter) gibt eine ansehnliche Menge von laufenden Namen für die Teufelsverbündeten: »diese sind, die man böse Zauberer, böse Leuthe, zu Laien Maleficos, Veneficos und Sortilegos, auff Teutsch Nigromanten, das ist, Schwartz- Künstler, Hexenmeister, Loßleger, Sortzier, Böse Männer, Gift-Köche, Mantelfährer, Bockreuter, Wettermacher, Nachthosen, Gabelträger, Nachtwanderer etc. nennet. Aber die Weiber dieser Arth heißt man: Lamias, Stryges, Sortiarias, Hexen, Alraunen, Feen, Drutten, Sägen, Böse Weiber, Zäuberschen, Nachtfrawen, Nebelhexen, Galsterweiber, Feld-Frawen, Menschen-Diebin, Milch-Diebin, Gabel-Reitterin, Schmiervögel, Besemreitterin, Schmaltzflügel, Bock- Reuterin, Teufels-Buhlen, Teuffels-Braut, und insgemein Unholden, darumb daß sie Niemanden hold, sondern Gottes, der Menschen und aller Geschöpffen Gottes, abhold, und geschworene Feinde sind.« Erst im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert dürfte Hexe allgemein geworden sein.

 

 

 

 

Die Walpurgisnacht

 

Es ist aus dem Obigen bekannt, daß diese Zeit keineswegs die einzige für die Sabbate ist; ja sie wird nicht einmal in den Akten am häufigsten genannt. Aber in einem großen Teile Deutschlands hat sich der traditionelle Hexenglaube der Gegenwart fast ausschließlich an diesen Tag geheftet, vielleicht nur deswegen, weil gerade für ihn sich Volksgewohnheiten erhalten haben, die der Erinnerung zur Stütze dienen.

    Man hat die Walpurgisnacht von den Maiversammlungen der alten Deutschen herleiten wollen73. Mag man nun bei diesen Maiversammlungen an die politischen Maifelder denken oder an die hier und da in den Mai fallenden Frühlingsfeste, deren Existenz jedoch in sehr alter Zeit kaum nachweisbar sein dürfte - in beiden Fällen scheint es uns nicht klar zu sein, welche Beziehung diese teils geschäftlichen, teils festlichen, von Obrigkeit und Kirche autorisierten Versammlungen zu zauberischem Spuke haben können. - Andere dagegen haben an ein Gaukelwerk gedacht, das die alten Sachsen absichtlich machten, um ungestört ihrem Wotansdienste auf dem Harze obliegen zu können. Es fehlen hierbei aber nicht nur die historischen Nachweisungen für das Faktum selbst, sondern die Walpurgisnacht ist auch für Harze weit entfernt sind, übel berüchtigt.

    Wie die auf die hohen Kirchenfeste und Heiligentage verlegten Hexenversammlungen sich aus der angenommenen Opposition des Hexenwesens gegen das Christentum erklären, so scheint dagegen die Wahl der ersten Mainacht für den gleichen Zweck in einem aus dem römischen Altertum ererbten Aberglauben ihren Grund zu haben; wie denn dergleichen so manches, ohne auf den ersten Blick als römisch erkannt zu werden, noch heute unter den Völkern fortlebt.

    Der Mai war den Römern recht eigentlich ein Polter- und Spukmonat. Gleich auf den ersten Tag fiel das Fest der Lares Praestites. Sind diese gleich bei Ovid (Fast. V.) Schutzgötter des Hauses, so fand doch schon zu Plutarchs Zeit die Meinung Eingang, die Laren seien umherirrende böse, furienartige Geister, zum Strafen geschaffen und in das Familienleben des Menschen sich einmischend (Plut. Quaest. Rom).

Ferner fällt auf den ersten Mai das Fest der Bona Dea.

    Über das Wesen dieser Göttin waren schon die Alten uneinig; um so fähiger zeigte es sich für jede Umdeutung. Nach den bei Macrobius (Sat. I. 12) gesammelten Meinungen war die Bona Dea bald Maja, bald Fauna, bald Fatua, bald die chthonische Hekate, bald Medea. Bei dem einen ist sie Fauns Gemahlin, bei dem andern Fauns Tochter, der von dem eigenen Vater Gewalt angetan worden sei. Wo nun die Göttin als Hekate oder Medea gefasst wurde, da ist ihre Beziehung zum Zauberwesen von selbst klar. Gleiches läßt sich von der Fatua sagen. Diese ist ja das Wesen, aus dem die Fata der Italiener, die Fée der Franzosen, die Fairy der Engländer hervorgegangen ist.

    An die Feen knüpfen sich aber nicht allein die heiteren und poetischem Zauberfabeln des Mittelalters, wie die vom Venusberg und den unterirdischen Prachtgemächern, sondern auch die ernsten und diabolischen, die zum Gegenstand gerichtlicher Anklagen wurden.

    So war es zum Beispiel der Feenbaum von Bourlemont bei Domremy, unter dem der Hexensabbat in Gemeinschaft mit den Feen gefeiert wurde, und unter dem, laut der Verhörsartikel, Jeanne d'Arc ihre Zaubereien angestellt haben sollte. Auch in Schottland werden die Feen mit in den Hexentanz hereingezogen: sie heißen dort gute Nachbarn (boni vicini). Dieser Name entspricht dem der guten Damen (bonae Dominae) in Frankreich, deren Führerin die Königin Habundia ist.

    Die Domina Abundia oder Dame Habonde, die Guilielmus Alvernus, Bischof von Paris (†1248) erwähnt, soll in bestimmten Nächten mit anderen Frauen (nymphae albae, dominae bonae, dominae nocturnae), alle in weiße Gewänder gehüllt, erscheinen, in die Häuser kommen und die für sie hingesetzten Speisen genießen. In diesen weiß gekleideten Damen haben wir wohl keltische Feen zu erkennen; aber der Roman de la Rose nennt die Begleiterinnen der Habundia geradezu Hexen (estries = striges).

    Mit der Habundia stellt Guilielmus Alvernus die Satia zusammen, mit der die von Augerius episcopus Conseranus erwähnte welsche Bensozia wohl identisch ist. Der Habundia hat Grimm die nord- und mitteldeutsche Holda (Frau Holle) an die Seite gestellt, der in Süddeutschland die Berchta mit ihrem Gefolge von Heimchen und Zwergen entspricht.

    In den Niederlanden war die Wanne Thekla die Königin der Alven und Hexen.

    Alle diese Wesen sind nachfahrende, von großen Scharen begleitete Geister; ihr Charakter aber wird aus verschiedenen Gesichtspunkten verschieden gefasst. Bald sind sie, wie die römischen Laren, Freunde des Hauses. Sie schützen es und bringen ihm Segen und Überfluss. Man stellt ihnen deshalb ein leckeres Mahl bereit. Bald benehmen sie sich wie neckische Poltergeister; bald treten sie den Parzen nahe, wie bei Hektor Boëthius, der zu Shakespeares Macbeth und seinen Weirdsisters den Stoff geliefert hat. Boëthius hat seinerseits wieder aus Wyntownis Cronykil geschöpft, wo die Sache in ihrer einfachen Urgestalt vorzuliegen scheint. Dort erscheinen dem jungen Macbeth, als er in dem Hause seines Oheims Duncan wohnt, drei Weiber im Traume, die er für Schicksalsschwestern (Werd Systrys) hält. Dieser Traum hatte Macbeths Schandtat zur Folge. - Hektor Boëthius tat den Banko hinzu, der sich im Cronykil noch nicht findet, und ließ diesem mit Macbeth zusammen die drei Weiber im Walde erscheinen. Hekate und die ganze hexentümliche Einkleidung ist von Shakespeare selbst, der die Tragödie unter dem hexensüchtigen Jakob I. schrieb, hinzugefügt. Das Stück ist aus verschiedenen Elementen gemischt und gibt darum weder für die Zeit des Dichters, noch für die des Helden ein treues Bild des Zauberglaubens.

    Endlich verlieben sich die Geister in die Menschen und entführen sie zu einem Leben voll Wonne in den Venusberg.

    Die kirchliche Auffassung aber hatte hier unter zwei Dingen die Wahl: entweder musste sie die Existenz dieser Wesen überhaupt leugnen, oder sie konnte sie nur als Dämonen erkennen, durch die der Teufel wirkt und deren Walten also ein böses ist. Beides ist geschehen, das erstere in der helleren Hälfte des Mittelalters, das zweite zu der Zeit, da die Finsternis einriss. Wie die Laren schon dem späteren Römer Schreck- und Quälgeister waren, so wurden auch die ihnen entsprechenden gutmütigen, schützenden Hausgeister, die guten Nachbarn und guten Damen samt ihrer Königin Habundia unter der Feder der christlichen Kirchenschriftsteller zu bösartigen Dämonen und die Holda zur Unholdin; das Fest der Bona Dea, die nach den obigen Bemerkungen mit Fatua, Hekate oder Medea zusammenfällt, begegnet am ersten Mai dem der Hausgeister, und dieser Tag geht somit schon aus dem römischen Material und dessen mittelalterlicher Umgestaltung als ein Tag dämonischen Zauberspuks hervor.

    Er ist aber auch, und zwar durch die Floralien, ein Tag der ungebundensten Liederlichkeit. Was Rom an feilen Dirnen hatte, strömte unter Trompetenschall zum Theater; nackte Huren führten mit den Mimen vor allem Volke die wollüstigsten Tänze auf, ahmten die Bewegungen des Beischlafs nach oder schwammen im Kolymbethron herum, rannten durch die Straßen der Stadt und trieben ihr scheußliches Unwesen bei Fackelschein die ganze Nacht hindurch.

    In den Mai fielen ferner die Lemurien, ein Rest der anfangs in diesem Monat gefeierten und später in den Februar verlegten Feralien. Man vertrieb die spukenden Lemuren, Geister der Verstorbenen, die aber die spätere römische Zeit als Schreckbilder in Tiergestalt fasste, mit Zeremoniell und dem Geräusche zusammengeschlagener Erzplatten. An den Feralien selbst übten alte Weiber allerlei Zauberhandlungen, um die Zungen ihrer Feinde zu binden, legten Weihrauch unter die Schwellen, drehten sieben schwarze Bohnen im Munde, schwangen den Zauberhaspel, rösteten Fische, deren Köpfe sie mit kupfernen Nadeln durchstachen, träufelten etwas Wein ins Feuer und berauschten sich vom Rest. Dies geschah zum Gedächtnis der vom Merkur geschändeten Lara, am letzten Tage der Feralien, der gewöhnlichen Berechnung zufolge am 18. Februar. Bei dem engen Zusammenhange der Feralien mit den Lemurien mag aber ähnliches Zaubertreiben auch noch für den Mai geblieben sein. Wenigstens nahm man auch da, um die Sicherheit der Familie zu wahren, schwarze Bohnen in den Mund und warf sie hinter sich mit der Formel: Haec ego mitto; his - - redimo meque meosque fabis, worauf das Zusammenschlagen der Erzplatten folgte. Eine andere Ähnlichkeit der Lemurien und Feralien besteht darin, daß man an beiden keine Hochzeiten hielt. Die ersteren brachten sogar den ganzen Monat Mai deshalb in Verruf.

    Wenn wir nun die Ansicht aussprechen, daß auch die Lemurien in der Walpurgisnacht noch fortleben, so befürchten wir wenigstens nicht den chronologischen Einwurf, daß sie erst mit dem achten Mai begannen. Die als Zauberwesen gefasste Bona Dea, die den Anfang des Monats beherrscht, mochte wohl auch seine übrigen Zauberelemente an sich ziehen können.

    Dass aber außer der Abkunft der Feen von der Fatua und Bona Dea auch noch andere Punkte des späteren Aberglaubens, die sich an den Mai und besonders an seinen ersten Tag knüpfen, auf römischem Boden fußen, ist kaum zu bezweifeln, wie aus dem folgenden hervorgeht.

    Noch im achtzehnten Jahrhundert feierte man im schottischen Hochlande gewissenhaft das Beltane oder das Fest des ersten Mai. Unter herkömmlichem Zeremoniell wurde ein Kuchen gebacken, in Stücke zerschnitten und feierlich den Raubvögeln oder wilden Tieren zuerkannt, damit sie oder vielmehr das böse Wesen, dessen Werkzeuge sie sind, den Schaf- und Rinderherden kein Leid zufügen möge89. Fast derselbe Brauch fand sich in Gloucestershire. Er entspricht der römischen Redemtionszeremonie. Die Schotten, selbst die vornehmeren vermeiden noch jetzt, im Mai eine Ehe zu schließen.

    In Frankreich galt, wie Bayle versichert, der Mai für unglücklich zur Abschließung einer Ehe.

    In Deutschland besteht noch jetzt eine Sitte, die an die Temesaea aera der römischen Lemurien erinnert; Anton Prätorius, der gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts schrieb, lernte sie 1597 auf dem Vogelsberg kennen. Während seiner Anwesenheit in Büdingen zogen die Bürger in der Walpurgisnacht scharen weise mit Büchsen aus, schossen über die Äcker und schlugen gegen die Bäume, um die Hexen, die auf Beschädigung des Eigentums ausgingen, zu verjagen. Recht interessant ist, was der ungenannte Verfasser der »gestriegelten Rocken-Philosophie oder aufrichtige Untersuchung derer von vielen superklugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben«, ein sonst leidlich vernünftiger Mann, über die Walpurgisnacht sagt. Er, der gegen den Aberglauben recht scharf zu Felde zieht, schreibt über die Walpurgisnacht: »Es wird fast im ganzen Sachsenlande von dem gemeinen Manne geglaubt und dafür gehalten, daß in der Walpurgisnacht die Hexen auf ihren Tanz und Versammlung zögen. Daher an manchen Orten solcher Lande die Gewohnheit eingerissen ist, daß diejenigen, welche Landgüter oder Felder besitzen, am Walpurgisabend mit Röhren oder Büchsen über die Felder schießen, aus der einfältigen und albernen Meinung, hiemit die Hexen zu scheuchen, daß sie auf ihrer Reiterei und Reise, die sie durch die Luft über solche Felder täten, nicht die Saat beschädigen möchten. Allein, erstlich ist nicht zu glauben, daß, wenn ja wahrhaftig die Hexen gewisse Versammlungen dem Teufel zu Dienst anstellten, solches eben zu keiner anderen Zeit als in der Walpurgisnacht geschehe, sondern es kann vielmehr aus jetzt bemeldeten Historien bewiesen werden, daß solche Hexenversammlung gar oft angestellt werde. Dahero die Unvorsichtigkeit, so nur allein am Walpurgisabend gebraucht wird, zu wenig zu sein scheint, auf einmal so vielen Hexenzügen zu widerstehen. Zum andern, wenn ja noch wahrhaftig der Hexenzug durch die Luft geschieht (welches aber der bekannte Ahteist Dr. Becker in seiner bezauberten Welt und andere gänzlich verinnern), so geschieht es ja mit Hilfe des Teufels auf eine solche Art und Weise, daß ein solches an ihrer Reiterei nichts würde schaden können. Drittens wird aus vieler Hexen Bekenntnis und Aussage so viel zu erkennen sein, daß die Verderbung der Felder, so durch Hexen geschieht, nicht zu der Zeit verrichtet wird, wenn sie auf ihren Konvent ziehen. Denn solche, 'Reuterey' soll so schnell und ungesäumt verrichtet werden, daß dabei kein Anhalten zur Verderbung der Felder gestattet ist. Also halte ich das Schießen über die Felder am Walpurgisabend für nichts anderes, ab einen Teufelsfund und Dienstleistung des Satans. Denn die solch Schießen verrichten, achten den Teufel und seine Werkzeuge, die Hexen so mächtig, als ob sie über diejenigen Dinge, welche in dem Schutze des allmächtigen Gottes verwahret stehen, dennoch könnten Gewalt nehmen und daran Schaden tun, da doch der zwar sonst 'starke und gewaltige Rumor-Meister, jedoch auch ohnmächtige Höllenhund' ohne Gottes Verhängnis niemand ein Haar zu krümmen vermag. Zum andern untersteht sich ein solcher Feldschießer einer Sache, wozu er viel zu ohnmächtig ist und will sein Feld selbst vor der Beschädigung des Teufels beschützen. Dabei verachtet er den Schutz Gottes, ja vergisset solchen sogar, welches sicher dem großen allmächtigen Gott ein Missfallen sein muss. Daher es auch wohl geschieht, daß um solchen Aberglaubens willen Gott verhänget, daß denen, die daran glauben und doch um ein ander Hindernis willen das Schießen unterlassen müssen, einiger Schade an den Feldern geschieht, weil sie es eben nicht anders glauben und haben wollen. Also tut der Teufel den Seinigen, die ihn ehren und fürchten, selbst Schaden; wer aber Gott vertrauet und sich seines Schutzes getröstet, den muss der Teufel wohl in Frieden lassen.«

    Fassen wir das bisher Erörterte zusammen, so dürfte wohl als Resultat hervortreten, daß das spätere Hexenwesen ebenso gut die Walpurgisnacht, als Epoche genommen, aus dem römischen Altertum ererbt habe, wie es gewiss ist, daß ein großer Teil der Zauberübungen, die ihren Inhalt ausmachen, aus ihm hervorgegangen ist. Wir sehen hier in ganz analogen Vorstellungen und Gebräuchen Schotten, Engländer, Franzosen und Deutsche einander begegnen, vier Völker, die unter sich gegenseitig einen bei weitem geringeren Einfluss übten, als derjenige war, der aus gemeinsamen römischen Überlieferungen, zeitweise sogar durch Vermittlung und unter dem Schutze der kirchlichen Autoritäten, zur Verbreitung eines gleichmäßigen Aberglaubens nach allen Seiten ausströmte. Der sächsische Wotansdienst auf dem Brocken erklärt die Walpurgisnacht auf den schottischen Hochgebirgen und in der Provence nicht, ja nicht einmal die Walpurgisnacht auf dem Kreidenberge bei Würzburg, wo, laut der gerichtlichen Bekenntnisse, dreitausend Hexen bei Spiel und Tanz den Sabbat feierten, nachdem sie sieben Fuder Wein aus dem bischöflichen Keller gestohlen hatten.

    Übrigens stehe hier wiederholt die Bemerkung, daß in den zahlreich vorhandenen Akten weit häufiger die hohen Kirchenfeste und außerdem Johannis-, Jakobs- und andere Heiligentage als Zeiten der Hexenversammlungen erscheinen, als die durch Goethes Faust klassisch gewordene Walpurgisnacht. Als Grundzug der Zauberei galt es ja, daß sie den christlichen Kult parodiere und befeinde, und vielleicht mag auch der Walpurgisunfug in dem Festkalender der Zauberei seine aus dem römischen Wesen ererbte Stelle zum Teil eben darum festgehalten haben, weil dieses Fest, wo die Hexe das Kreuz tritt, demjenigen, wo es der Christ am meisten verehrt, dem der Kreuzerfindung, nur um zwei Tage vorhergeht. Der Tag aber, an dem der Münsterländer den Sullevogel, d.h. das magische Ungeziefer unter der Schwelle, austrieb, fiel mit der Schwellensühnung der Römerinnen nicht ganz zusammen; diese geschah am 18., jenes am 22. Februar. Vielleicht hatte das Fest der römischen Stuhlfeier, in dem die Schirmkraft der Kirche über die ganze Christenheit sich aussprach, diese Verschiebung bewirkt.

    Schließlich bemerken wir noch, daß im siebzehnten Jahrhundert der Festalmanach der Hexen ebenso zwiespältig war wie der christliche. Dies musste auch auf die Walpurgisnacht Anwendung finden. Zwar geht die große Ausfahrt bei Katholiken wie bei Lutheranern nominell am 1. Mai vor sich, aber bei jenen nach dem Gregorianischen, bei diesen nach dem alten Stile, so daß, die Angaben der beiderseitigen Prozessakten miteinander verglichen, in dieser Periode der Teufel dasselbe Fest zweimal im Jahre begangen haben muss.

 

ENDE