Zauberpflanzen

 

 

 

 

 

 

 

Einführung: Die Pflanzen im Zaubergarten

 

Der Glaube, Pflanzen beherbergten geheimnisvolle Kräfte, ist uralt. Sie zu wecken und sie sich, wie auch die Magie der Steine, Tiere und Bilder, als Zaubermittel dienstbar zu machen, bemühen sich die Menschen seit Beginn ihrer Geschichte. Heute wissen wir, dass viele Pflanzen Wirkstoffe enthalten, die auf Psyche und Sinne des Menschen nachhaltige Wirkungen zeitigen  in der selbstzerostörerischen Verwendung einiger suchterzeugender »Drogen« tritt das Elend unserer Großstädte zutage. Chemisch betrachtet, besteht das pharmakologische, aktive Prinzip dieser Pflanzen aus Alkaloiden, stickstoffhaltigen, alkalischen Substanzen, die Halluzinationen (lat. = Sinnestäuschungen) hervorrufen. Diese Halluzinogene ähneln menschlichen Hirnhormonen wie dem Sehrotin, das bei psychischen Vorgängen eine dämpfende Funktion hat. Halluzinogene Pflanzen verzögern die Produktion der Sehrothinbildung, wodurch Reaktionsvorgänge im Gehirn verändert werden. Der übermäßige Reizeinfall, den das Sehrotin abschwächt, kann nun ungehindert seine Wirkung auf das Gehirn ausüben, dessen eingespielte Funktionen »ausrasten«, so dass es auf altbekannte Reize wie auf etwas vollkommen Neues reagiert. Das normale Empfindungs- und Wahrnehmungsvermögen wird gewaltig gesteigert. Dies kann zu schweren Verwirrungen, Gedächtnisverlust und völliger Desorientierung über Personen, Raum und Zeit führen. Nach wissenschaftlichen Fachgebieten, Wirkungen oder Anwendungen jeweils unterschieden, werden halluzinogene Pflanze vielfältig ein und umgruppiert und unterschiedlich bezeichnet. Gebräuchlich sind z. B. die Kategorien:   Entheogene (griech. = »Gott hineinschaffen«), denn nach manchem Zauberglauben sollen solche Pflanzen göttlicher Herkunft sein; Psychedelika (griech.: Psyche = »Geist«, delosis = »Offenbarung«), weil die Wirkung der Pflanzen zur Erweiterung des Bewusstseins bzw. der Wahrnehmung führt; Narkotika (griech.: narcao = »erstarren«) sind Betäubungsmittel mit betäubender oder lähmender Wirkung; Toxika (griech.: toxon = »Pfeil«; ursprünglich Pfeilgift, dann Gift allgemein)  die Wirkstoffe fast aller Zauberpflanzen sind bei falscher Dosierung Gifte, die tödlich sein können. Alle Zauberpflanzen sind »psychoaktiv« oder »psychotrop« (Psyche und Bewusstsein verändernd), womit auch ihre »psychedelische« und »Sedative« Wirkung gemeint ist.

Andere Bezeichnungen beziehen sich auf spezielle Folgen ihrer Verwendung  wie etwa Phantastika, Eidetika, Psychotika, Psychodysleptika, Psychotogene und Psychotomimetika. Ihre Wirkstoffe rufen einen Zustand hervor, der einer Psychose oder seelischen Krankheit ähnelt. Auch in der Pharmakologie und ihrem Fachgebiet der Enthnopharmakologie, das sich mit dem kulturellen Gebrauch psychoaktiver Pflanzen beschäftigt, hat man noch keine einheitliche und verbindliche Einteilung der Zauberpflanzen bzw. ihrer Wirkstoffe gefunden. Der bekannte Pharmakologe Louis Lewin, der 1906 den ersten Lehrstuhl für Toxikologie (Lehre von den Giften) in Leipzig innehatte, gruppierte sie ein in:  Euphorika: Mittel zur Beruhigung;  Inebrantia: Berauschungsmittel;  Hypnotika: Schlafmittel;  Excitantia: Erregungsmittel;  Phantastika: Sinnestäuschungsmittel. Da Lewin bei seiner Klassifikation den kulturellen Gebrauch nicht berücksichtigte, ist sie nur für Mediziner und Pharmakologen interessant. Überholt sind auch die älteren Definitionen von Unger (»Botanische Streifzüge auf dem Gebiet der Kulturgeschichte«): Berufkräuter: Pflanzen, die für das »Berufen«, zum Schutz gegen böse Geister und Dämonen, benutzt werden; Wetterkräuter: Sie schützen gegen das Unheil der Elemente, wie Blitz oder Hagelschlag; Wunderschüssel: Mit ihrer Hilfe kann man z. B. einen Feind erkennen oder Schätze aufspüren; Glückspflanzen: Als Amulett getragen, versprechen sie Glück Reichtum oder Liebesfreuden.

Rätsch hat in seinem »Lexikon der Zauberpflanzen« eine verbesserte Gruppierung vorgeschlagen:   Zauberdrogen und Prophetenpflanzen: Prinzipiell alle Zauberpflanzen fallen darunter, aber gemeint sind vornehmlich die psychoaktiven, die durch ihre auch oft nur geringfügige halluzinogene Wirkung Einblicke in verborgene Wirklichkeiten ermöglichen;  Zaubermedizin: Dazu werden vom Zauberer Pflanzen verwandt, um Krankheiten zu heilen. Dahinter steht die Vorstellung, dass die Krankheiten von bösen Dämonen verursacht werden; Unsterblichkeitselixiere: Aufbereitungen von Pflanzen, die vornehmlich  in asiatischen Ländern wachsen und denen die Kraft zugesprochen wird, ewige Jugend beschaffen oder das Leben verlängern zu können (z. B. die Ginsengpflanze); Liebeszauber und Aphrodisiaka: Nach altem Glauben erwecken sie Liebesgefühle oder stärken die sexuelle Potenz; magische Räucherung: Die hierbei verwandten Pflanzen enthalten besonders wirksame Duftstoffe. Man benutzt vor allem ihre aromatischen Harze oder Öle, die geraucht oder in Räucherpfannen verbrannt werden. Solche Räucherstoffe gelten als besonders psychoaktiv; Amulette und Fetische: Bestimmten Zauberpflanzen sollen geheimnisvolle Kräfte innewohnen, die man in Amuletten und Fetischen für sich wirken lassen kann. Amulette sind Gegenstände, die meistens am Körper getragen werden und eine Schutzfunktion besitzen » Der Fetisch, zwischen Götze und Amulett von unterschiedlicher Gestalt und Verwendung, wird als Sakralobjekt besonders verehrt. Häufig werden dafür Wurzeln oder Hölzer von ausgefallener Gestalt oder Bearbeitung benutzt; Zwieselbäume: Bei vielen Völkern herrscht der Glaube vor, Krankheiten könnten von einem Menschen abgestreift werden, wenn man ihn durch künstliche oder natürliche Löcher in Felsen oder Bäumen (Zwieselbäurnen) zieht; Gifte und Todeszauber: Zahlreiche Zauberpflanzen sind tödlich giftig und werden daher für den Todeszauber verwandt. Die Kenntnisse der rettenden Gegenmittel gehört zum Geheimwissen der Zauberer. Bekannt sind heute etwa 150 halluzinogene Pflanzenarten, von denen wiederum 120 in der Neuen Welt, der Rest im eurasischen Raum wachsen. Sicher gibt es noch erheblich mehr in allen Gegenden der Erde, aber mit der Ausrottung, Verdrängung oder »Akkulturation« der naturreligiösen Völker ist auch wertvolles Wissen über Wirkstoffe und Verwendungsmöglichkeiten (z. B. in der Medizin) der als Zaubermittel verwendeten Pflanzen verloren gegangen. In allen frühen Kulturen spielten Zauberpflanzen, vor allem die halluzinogenen, eine bedeutende Rolle. Seinen Ursprung hat der um sie gewachsene Kult vermutlich in dem Bedürfnis früher Jägergesellschaften, übernatürliche Kräfte zu gewinnen und Mittel und Wege zu finden, um Tiere zu überlisten und durch Schnelligkeit und Stärke im Kampf zu besiegen, oder die tödliche Übermacht der Natur, Krankheiten und Katastrophen, zu überwinden. In der von den Zauberpflanzen hervorgerufenen Ekstase und in ihrem Reich der Halluzinationen hofft man, in Kontakt mit den Göttern treten zu können. Nicht selten wird den halluzinogenen Pflanzen selbst ein gottähnlicher Status zugeschrieben. In den Naturreligionen folgt der Umgang mit ihnen einem komplizierten schamanischen Ritual.

Alexandra Rosenbohm (»Halluzinogene Drogen im Schamanimus«, 1991) unterscheidet folgende Stufen: psychische Vorbereitung: Reinigung, Fasten und sexuelle Enthaltsamkeit; symbolische Reinigung: Mit Rauch, der von den bösen Geistern befreien soll, wird der Eintritt in die jenseitige Welt vorbereitet; Sicherheitsmaßnahmen werden beim Sammeln wie bei der Einnahme beachtet; Opferungshandlung: Vor und nach dem Ritual findet ein Bitt­ bzw. Dankopfer statt; Vollzug des Rituals: Die halluzinogenen Zauberpflanzen werden meist nachts und an einem von der Außenwelt hermetisch abgeschlossenen Ort eingenommen. In der Regel darf nur der Schamane die Zauberpflanze bzw. -droge zu sich nehmen.

Die Vereinigung mit dem Gott bzw. den Göttern erfolgt in einer Art »Seelenreise«, während der der Schamane sich in seiner Ekstase auf einem Pfad in die jenseitige Welt begibt. Das göttliche Wesen kann aber auch in ihn »hineinfahren«, Wohnung in ihm nehmen und den Schamanen zu seinem Medium machen, durch das er der Stammesgesellschaft seine Botschaft mitteilt.

Die Nachtschattengewächse als Berauschungsmittel im mittelalterlichen Europa waren die wichtigsten Zauberpflanzen die Nachtschattengewächse (Solanazeen): Bilsenkraut (Hyoscyamus), Stechapfel (Datura stramonium) und die Tollkirsche (Atropa Belladonna). Dazu kommt die in Ostpreußen und in den Karpatenländem wachsende Skopolie (Scopolia camiolica). Das bekannteste Nachtschattengewächs, das aber nur in den Mittelmeerländern vorkommt, ist der Alraun, die weibliche Pflanze heißt Alraune, oder Mandragora (Mandragora officinarum). Es gibt etwa 2500 Arten von Nachtschattengewächsen, von denen auch heute noch etliche als Rauschmittel benutzt werden.

Ihre psychoaktiven Wirkstoffe sind die Alkaloide Atropin (Hyoszymin) und Skopolamin (Hyoszin), die zu Funktionsstörungen im Gehirn führen. In geringen Mengen werden sie als krampflösende Mittel eingesetzt. Dosen ab 10 mg führen zu schweren Vergiftungserscheinungen bzw. sind tödlich. Berühmt wurden Nachtschattengewächse, weil sie Hauptbestandteile der später zu besprechenden Hexensalben, -tränken und magischen Räucherungen sind.

 

Der Alraun /Die Alraune

 

Sie ist die berühmteste aller Zauberpflanzen. Dieses in den Mittelmeerländern wild vorkommende Nachtschattengewächs hat eine rübenförmige Wurzel und eine über dem Boden angedrückte Blattrosette, über die mehrere große Blüten emporragen. Mit etwas Phantasie lässt sich in der Wurzel eine menschliche Gestalt

»Männchen«

mit braunen großen Früchten.

»Weibchen«

mit violetten Blüten.

erkennen. Deshalb nannte sie der griechische Philosoph Pytha­goras im 6. Jhdt. v. Chr. „anthropomorphos“ (menschenähnlich). Ein scheinbar in der Erde wachsender Mensch musste sehr früh das Denken anregen.

Der deutsche Name »Alraun« und auch der griechisch - lateinische geben Rätsel auf. Mandragora soll von griechischen „mandra = Stall« und „ageiro = ich sammle“ abgeleitet sein, weil der Pflanze im Volksglauben nachgesagt wird, sie vermöge das Vieh in den Stall zu locken. Die Herkunft des Namens Alraun ist auch heute noch ungelöst. Man glaubt in dem Namen das gotische Wort „rana = Geheimnis" zu erkennen, das auch in den Wörtern „Rune“ bzw. „raunen“ vorkommt und mit diesen verwandt ist. Das früheste Dokument für die Verwendung des Alrauns zu magischen Zwecken ist ein ungarischer Keilschrifttext aus dem 14. bzw. 15. Jhdt. v. Chr., der die Vorbereitungen auf ein Liebes­ oder Fruchtbarkeitsritual schildert. Es beginnt mit den Worten „Pflanze Mandragora in die Erde ... „ Auch die in der Bibel erwähnte Pflanze „Dudaim“ wird heute einhellig mit Mandragora übersetzt. Die Dudaims, welche Ruben auf den Feldern fand und seiner Mutter verehrte und die dann bei der Zeugung des fünften Sohnes von Lea und Jakob indirekt eine Rolle spielte, werden als Alraunfrüchte erklärt (l. Buch Moses, Kap. 30, 14­16) Auch die Liebesfrüchte auf dem Türgestirns (Hohelied, Kap. 7, 14) – „Die Liebesäpfel geben den Duft, und an unserer Tür sind lauter edle Früchte, heurige und auch vorjährige: mein Freund, für dich hab’ ich sie aufbewahrt.“  sind Alraune.

Die erste wissenschaftliche Beschreibung dieser geheimnisvollen Pflanze stammt von dem griechischen Arzt Dioskurides (l. Jhdt. n. Chr.): »Die Mandragora, von einigen Gegengift, von Geschnitzte Alraunwurzeln aus Kleinasien. Von anderen Forschern oder Wissenschaftler wird sie auch Hexenkraut genannt, weil die Wurzel zu Liebeskünsten zu führen scheine, ist zweigeschlechtig: Die schwarze, weiche für das Weibchen gehalten wird, heißt thridacias. Sie hat schmälere und kleinere Blätter als der Lattich; sie sind giftig, stinken und bilden eine Rosette auf dem Boden. Äpfel hat sie, die ein ähnliches Aussehen wie die Vogelkirschen haben. Sie sind wohlriechend, blass und haben einen birnenartigen Samen. Sie haftet gut mit starken Wurzeln, die zu zwei oder drei ineinander verschlungen sind ... Die Pflanze ist ohne Stängel. Der andere Alraun ist der weiße, das Männchen, das man auch Norion nennt. Seine Blätter sind groß, weit, breit und glatt wie die der Runkelrüben. Die Äpfel sind noch einmal so groß wie bei der ersten Art, safranfarbig, angenehm, aber etwas betäubend riechend; von ihnen werden manchmal die Hirten, wenn sie davon essen, betäubt. Die Wurzel ist der anderen gleich, doch etwas größer und weißlicher. Sie hat ebenfalls keinen Stängel. Man sagt, dass auch noch ein anderer Alraun namens Morion vorkäme, der an schattigen Orten neben Höhlen wächst; die Blätter sind ähnlich denen der weißen Mandragora, aber kleiner, weiß und bilden um die Wurzel eine Rosette: Sie ist zart, weiß, etwas größer als eine Hand und etwa daumendick.«

Von den mittelalterlichen Naturforschern hat sich die Hl. Hildegard von Bingen (1098‑1179), die als Äbtissin auf dem Rubertsberg bei Bingen wirkte, eingehend mit dem Alraun befasst (Physika, Buch 1). Da sie ihn jedoch nicht beschreibt, kann man davon ausgehen, dass sie diese Pflanze gar nicht selbst gesehen hat. Sie beschäftigt sich nur mit seinen Wunderwirkungen: »Mandragora ist warm, etwas wässrig und von der Erde, aus der Adam geschaffen wurde. Sie gleicht einigermaßen dem Menschen. Doch wohnt dieser Pflanze eben wegen ihrer Menschenähnlichkeit der teuflische Versucher mehr inne als anderen Kräutern und stellt uns nach. Daher wird der Mensch in seinen Gefühlen, ob sie nun gut oder schlecht sind, durch sie gereizt, wie er es auch mit den Götzenbildern gemacht hat. Wenn man sie aus der Erde gezogen hat, soll man sie baldigst in Quellwasser einen Tag und eine Nacht legen. So wird alles Böse und jede schädliche Feuchtigkeit in ihr ausgetrieben, so dass sie zu magischen und zauberischen Künsten nichts mehr taugt. Wenn man sie aber aus der Erde auszieht und mit den anhaftenden Erdteilchen aufhebt  sie also nicht in der beschriebenen Weise wäscht , dann ist sie schädlich und kann zu vielen magischen Zwecken gebraucht werden. Man kann dann mit ihr all die schlechten Dinge machen, die mit Götzenbildern ausgeführt werden. Wenn nun ein Mann infolge magischer Einflüsse oder aus Begehrlichkeit des Körpers nicht enthaltsam sein kann, dann soll er die weibliche Gestalt dieser Pflanze, nachdem sie in Quellwasser gereinigt worden ist, nehmen und ihren Inhalt zwischen Brust und Nabel drei Tage und drei Nächte lang anbinden sodann diese Frucht in zwei Teile spalten und über beiden Lenden ebenso lang binden. Ferner die linke Hand dieser Gestalt zerreiben, mit etwas Kampfer mischen und so essen, dann wird er geheilt werden.«

Für Frauen wird von der Hl. Hildegard dasselbe Mittel empfohlen. Nur muss in diesem Fall die männliche Gestalt und die rechte Hand benutzt werden. Sie empfiehlt den Alraun als Heilmittel für Kopf und Halsweh, wobei die entsprechenden Teile der menschenähnlichen Pflanze zu verwenden sind. Die männliche Pflanze soll wirksamer als die weibliche sein, wie ja auch, im Glauben dieser Zeit, der Mann von Natur aus als stärker und wichtiger galt als die Frau.

Das Gewinnen der Mandragorawurzel gilt als sehr schwierig. Wenn man sie sucht, versucht sie zu verschwinden. Dies kann man verhindern, indem man sie, sobald man sie erblickt, mit Ham begießt. Ohne Lebensgefahr kann sie nicht aus dem Boden gezogen werden, sagt der Volksglaube. Also darf man die Wurzel auf keinen Fall berühren. Man zieht einen Graben um sie und legt sie frei, bis nur noch der untere Teil in der Erde steckt. Sodann muss man einen schwarzen Hund mit seinem Schweif daran anbinden und ihn aus einiger Entfernung zu sich locken. Auf diese Weise wird die Wurzel ganz aus der Erde gezogen. Anstelle des Menschen wird der Hund Beute des Teufels und bricht auf der Stelle tot zusammen.

Dieser Glaube war lange auch in Kleinasien verbreitet. Wenn man nun eine solche Alraunwurzel bekommen hat, ohne dass man sie mit der Hand aus dem Boden gerissen hat, dann muss man sie, um ihre magische Kraft zu erhalten, jede Woche an einem bestimmten Tag in Wein baden. Danach wird sie mit einem frischen weißem Hemd aus Seide und einem roten Seidenrock bekleidet. Die schwarzen Mandragorawurzeln erhalten als Bekleidung einen schwarzen Samtmantel und ein Barett aus demselben Stoff.

Im Volksmund heißt das Alraunmännchen auch »Heckemännchen«, weil es die Eigenschaft besitze, ausgegebenes Geld wieder auf seinen ursprünglichen Stand aufzufüllen. Auch »Galgenmännchen« wird es genannt. Dahinter steht der Glaube, dass das Alraunmännchen aus dem Samen von Aufgehängten unter einem Galgen entstanden ist.

Die Alraunwurzel war sehr selten und ihr entsprechend hoher Preis reizte zur Herstellung von Fälschungen, hauptsächlich aus der Zaunrübe (Bryonia). Besonders Kaiser Rudolf 11. (1576 - 1612), der viele orientalische Pflanzen nach Deutschland brachte, war ein ausgesprochener Liebhaber dieser Pflanze. Im 16. Jhdt. tauchten aber auch die ersten kritischen Stimmen gegen den Alraunaberglauben auf. So weisen Botaniker wie Leonhardt Fuchs auf die zahlreichen gefälschten Alraunwurzeln hin.

 

Stechapfel

 

Lateinisch Datura stramonium heißt im Volksmund »Dornapfel«, »Rauapfel«, »Krötenmelde«, »Igelskolben«, »Stachelnuss« oder »Tollkraut«.

Die Blätter des Stechapfels haben einen unangenehmen, betäubenden Geruch, der beim Trocknen etwas abnimmt. Ihr Geschmack ist sehr bitter und salzig. Die länglichen nierenförmigen, fast halbkreisrunden Samen schmecken ölig und sehr bitter. In ihnen wie in den Blättern ist das giftige Alkaloid Hyoscyamin enthalten, das zu den psychoaktiven Bestandteilen der Hexensalben zählt.

In der schwarzen Magie wird der Samen benutzt, um Streit und Zank zu stiften. Man muss ihn nur unter den Tisch werfen,. an dem die Leute sitzen Stechapfel (Datura stramonium).

Der Volksglaube verdächtigt die Zigeuner, den Stechapfel für ihre Hexenkünste zu gebrauchen. Sie sollen ihn auch aus dem Orient nach Europa gebracht haben.

Von den Stechapfelarten, die über den ganzen Erdball verbreitet sind, ist der Rote Stechapfel (Datura sanguinea) einer der bekanntesten. Er wird vor allem von den Indianern Lateinamerikas für magische Zwecke benutzt.

Der Forschungsreisende L. von Tschudi gibt in seinen Reiseskizzen aus den Jahren 1838 - 42 darüber einen ausführlichen Bericht. Er berichtet, dass die Indianer aus den Früchten des Roten Stechapfels ein sehr narkotisierendes Getränk, die »Tonga«, brauen, deren Wirkung von Tschudi beschrieben wird: »Bald nach dem Genuss der Tonga verfiel der Mann in ein dumpfes Hinbrüten. Sein Blick stierte glanzlos auf die Erde, sein Mund war fest, fast krampfhaft geschlossen, die Nasenflügel weit aufgesperrt. Kalter Schweiß bedeckte die Stirn und das erdfahle Gesicht; am Hals schwollen die Venen fingerdick an. Langsam kauend hob sich die Brust; starr hingen die Arme am Körper herunter. Dann feuchteten sich die Augen und füllten sich mit Tränen. Die Lippen zuckten flüchtig und krampfhaft; die Kopfschlagadern pulsierten heftig. Der Atem beschleunigte sich, und die Extremitäten machten wiederholt automatische Bewegungen. Eine Viertelstunde dauerte dieser Zustand. Dann nahmen alle Erscheinungen an Intensität zu. Die nun trockenen, aber hochroten Augen rollten wild in ihren Höhlen. Alle Gesichtsmuskeln waren auf das scheußlichste verzerrt. Zwischen den halbgeöffneten Lippen trat ein dicker, weißer Schaum hervor. Die Pulse an Stirn und Hals schlugen mit furchtbarer Schnelligkeit. Der Atem war kurz, außerordentlich beschleunigt und vermochte die Brust nicht mehr zu heben, an der nur noch ein leises Vibrieren bemerkbar war. Ein reichlicher, klebriger Schweiß bedeckte den ganzen Körper, der fortwährend von den fürchterlichsten Konvulsionen geschüttelt wurde. Die Gliedmaßen waren auf das gefährlichste verdreht. Ein leises, unverständliches Murmeln wechselte mit gellendem, herzzerreißendem Geschrei, einem dumpfen Heulen oder einem tiefen Ächzen oder Stöhnen. Lange dauerte dieser furchtbare Zustand, bis sich allmählich die Heftigkeit der Erscheinungen verminderte und Ruhe eintrat. Sogleich eilten die Frauen herbei, wuschen den Indianer am ganzen Leibe mit kaltem Wasser und legten ihn bequem auf einige Schaffelle. Es folgte ein ruhiger Schlaf, der mehrere Stunden dauerte. Am Abend sah ich den Mann wieder, als er gerade in einem Kreis aufmerksamer Zuhörer seine Visionen erzählte. Er schien sehr abgemattet und angegriffen zu sein; seine Augen waren gläsern, der Körper schlaff und die Bewegungen träge.«

Tschudi berichtet weiter, dass in älteren Zeiten sich nur die Medizinmänner und Zauberer des Stechapfelaufgusses bedienten, damit sie sich in Ekstase versetzten. Auf diese Weise wollten sie mit den Göttern in ein näheres Verhältnis treten und mit ihnen »vertraulich« sprechen. In der Einführung zu dem Kapitel wurde schon daraufhin gewiesen, dass das Ziel dieser Ekstasen die Seelenreise ist.

Der Stechapfel wurde auch für die Liebestränke benutzt, das die Hurenwirte und Buhlerinnen ihren Opfern entweder als Auszug oder Pulver gaben, um es in einen Zustand starker Besinnungslosigkeit zu versetzen. Der Auszug wurde hergestellt, indem man Samen in Wein ansetzte.

 

 

Bilsenkraut

 

Das Bilsenkraut wurde früher häufig Saubohne genannt. Dies entspricht der griechischen Bezeichnung Hyoskyamos und der lateinischen faba suilla. Die antiken Ärzte glaubten, dass die Säue nach dem Genuss des Bilsenkrautes Krämpfe bekommen würden. In Homers Odyssee werden die Gefährten des Odysseus durch die Zauberin Circe in Schweine verwandelt, in dem sie ihrem Mahl »betäubende Säfte« beimischt  wahrscheinlich des Bilsenkrauts: Eine der wichtigsten Wirkungen der später noch zu besprechenden Hexensalben, für die auch diese Pflanze verarbeitet wird, bestand darin, dass die Hexen glaubten, in Tiere verwandelt worden zu sein. Auch der Name »Bilsenkraut« weist auf die Verwendung dieser Pflanze für magische Zwecke hin. Das Wort geht auf die indogermanische Wurzel »bal = töten« zurück. Sie findet sich auch in dem lateinischen Namen Belenus des keltischen Sonnengottes Beal. Belenus entspricht dem griechisch­römischen Sonnengott Apollo, dessen Strahlen nicht nur wohltuend sind, sondern auch Seuchen hervorrufen. Er ist sowohl der Gott des Lebens und der Heilkunde als auch des Todes. Auf die gefährlichen Eigenschaften dieser Pflanzen weisen auch andere volkstümlichen Bezeichnungen hin, wie etwa Schlafkraut, Zigeunerkraut, Prophetenkraut, Tollkraut und Teufelswurz.

Um eine besonders psychoaktive Pflanze zu gewinnen, muss die Pflanze gesammelt werden, bevor sie aufgeblüht ist. In der weißen Magie galt Bilsenkraut als Wettermittel, wenn es unter Einhaltung besonderer Regeln gepflückt wurde: Nach einer Langdauernden Trockenheit und Dürre versprach es Regen, wenn es mit dem kleinen Finger der rechten Hand herausgerissen und dann an die kleine Zehe des rechten Fußes eines nackten Mädchens gebunden wurde, das anschließend in einer feierlichen Zeremonie mit Wasser übergossen wurde. In Russland war es eine Volkssitte, einen Gläubiger dadurch willfährig zu machen, indem man ihm durch Bilsenkrautsamen, der auf eine Ofenplatte ge­streut wurde, die Sinne benebelte. In Litauen ist es Volksglaube, durch eine Bilsenkrautabkochung lasse sich jemand gefügig machen, die Wünsche des Herstellers des Suds zu erfüllen.

Besonders eingehend hat der Toxikologe Gustav Schenk die Wirkung des Bilsenkrauts untersucht. Über seinen Selbstversuch berichtet er in dem »Buch der Gifte« 1954: »Ich entnahm einer Samenkapsel eine Handvoll des grauen und flachen Samens. Ich legte ihn auf eine Eisenplatte und hielt diese über ein Spiritusflämmchen. Sehr langsam erhitzten sich die Samen, die Schalen sprangen auf, und die Dünste des Hyoscyamin erreichten mich merkwürdig eindringlich, brennend scharf und gleichzeitig süß duftend. Heute weiß ich nicht mehr zu sagen, wie viel von dem Samen ich auf die Eisenplatte gestreut hatte, auch kann ich nicht mehr angeben, wie lange ich den schwelgenden Rauch, der aus den erhitzten Samen quoll, einatmete.«

Schenk unterbricht an dieser Stelle den Bericht über seinen Selbstversuch und weist daraufhin, dass es ungemein schwierig ist, sich im nachhinein an den genauen Ablauf des Selbstversu­ches zu erinnern. Die psychoaktive Wirkung des Bilsenkrautes hat man zu Recht mit dem Ausdruck »schwarzer Wahnsinn« umschrieben, da das Erinnerungsvermögen stark eingeschränkt wird.

Früheste Form einer Anästhesie: Bilsenkrautfurnigation gegen Zahnschmerzen (aus der »Chirurgie« von Roger von Salemo).

Schenk fährt dann in seinem Bericht fort: »Die Bilsenkrautwirkung begann mit einem rein körperlichen Unbehagen. Die Glieder verloren Sicherheit, Schmerzen hämmerten im Kopf, und ein starkes Schwindelgefühl stellte sich ein, während von der Eisenplatte noch die Dünste aufstiegen. Es konnte also nicht viel Zeit vergangen sein, als sich die ersten Wirkungen einstellten  höchstens eine Viertelstunde. Ich ging zum Spiegel und konnte mein Gesicht, schwächer als sonst allerdings, erkennen. Ich war gerötet, und es musste wohl so sein  ich hatte doch das Gefühl, als hätte mein Kopf an Umfang zugenommen, er schien breiter geworden zu sein, dichter auch, schwerer an Gewicht und, wie ich glaubte, von festerer, dickerer Haut umspannt. Der Spiegel selbst schwankte, und es war mühsam, mein Gesicht genau in den Rahmen zu halten. Der schwarze Kreis der Pupille hatte sich erstaunlich vergrößert, so, als sei das ganze Auge, das sonst blau war, geschwärzt. Trotz der Pupillenerweiterung konnte ich nicht besser sehen, ganz im Gegenteil, die Konturen der Gegenstände verschwammen, das Fenster und das Fensterkreuz waren von leichtem Nebel verdeckt.«

Die Erinnerung Schenks lässt immer mehr nach und er kann sic nur noch an einzelne Bilder erinnern.

»... Das Zimmer tanzt, der Boden, die Decke, die Wände, sie schwanken langsam nach rechts und dann wieder nach links. Doch man hat nicht mehr das Gefühl, sich selbst zu bewegen..

Eine gute Erinnerung habe ich noch daran, dass ich meine Augen schließlich nicht mehr auf die Nähe oder Ferne nach meinem Willen richten konnte  sie akkommodierten nicht mehr. Wie gelähmt starrte ich, und im starren Sehen mögen wohl die ersten Halluzinationen vorüber geflogen sein.«

Auf den Höhepunkt seines Bilsenkrautrausches erlebte Orhpnlc Visionen und Halluzinationen, die uns auch aus ähnlichen Versuchen mit den noch zu besprechenden Hexensalben bekannt sind.

»Obwohl ich kaum gehen und stehen konnte, packte mich doch ein entfesselnder Trieb, mich zu bewegen. Da die Beine aber fest an den Boden geschmiedet schienen, so mussten die Hände greifen, fassen, etwas halten, auseinander teilen und zerreißen. Da sie es wollten, darum waren auch gleich die Dinge da, die bewegt, ausgelesen und zerrissen werden konnten. Tiere, die ich scharf ansah, mit verzerrten Grimassen und starren, schreckerfüllten Augen, fliegende Steine, Nebelwolken, die alle in einer bestimmten Richtung vorwärts trieben. Sie nahmen mich unwiderstehlich mit ... Ein bestimmtes graues Licht umgab sie, aus dem es düster glomm und fortrollte nach oben in einen kohligen Himmel hinein ... Ein Wasser floss oben, blutig dunkel, der Himmel war mit ganzen Tierherden gefüllt. Zerfließende, ungestaltete Wesen tauchten auf. Ich hörte Worte, sie waren aber völlig falsch und sinnlos und hatten dennoch für mich einen versteckten Sinn. Ich selbst muss wohl gesprochen haben, aber albern und übertrieben, mein Arm sprach, so glaubte ich, mein Fuß, und ich antwortete darauf, gänzlich unsinnig ... Die Zähne pressten sich mir aufeinander, und dann erfasste mich ein Rausch von Zorn und gesteigerter Wut. Ich weiß auch, dass eine Art Wohlgefühl mich durchdrang doch es war ein Wohlgefühl besonderer Prägung, denn nun in der Raserei wurden die Füße leichter, sie drehten sich, lösten sich, und mit der Empfindung der allmählichen Loslösung kennzeichnet man die Giftmacht des Bilsenkrautes am ehesten. Die Trennung erfolgte einzeln. Der Kopf wuchs allein für sich, und ich erlebte die Angst der körperlichen Teilung. Gleichzeitig begleitete der Rausch des Fliegens dieses Wahnsinn.«

Schenk hat die Vorstellung, in ein Tier verwandelt zu werden. Schon der antike Dichter Lukian (120-180 n. Chr.) beschreibt, wie eine Frau ihren nackten Körper mit einer Salbe einreibt und sich dann in eine Eule verwandelt. Auch die mittelalterlichen Hexen verwandeln sich in Katzen, Eulen, Gänse und andere Tiere, und Schenks Traum vom Fliegen erinnert an den Flug der Hexen. Ob diese Flugerlebnisse, die sich fast in allen Hexenprozessakten finden, Halluzinationen sind, die durch psychoaktive Pflanzen wie dem Bilsenkraut verursacht wurden, oder ob sie den Hexen unter der Folter eingeredet wurden, damit das »Feindbild« der Hexenrichter stimmte, kann heute noch nicht mit Sicherheit

 

 

Tollkirsche

 

Im Volksmund heißt diese Zauberpflanze auch Wutkirsche oder Teufelsbeere. Sie trägt den lateinischen Namen Atropa Belladonna. Der lateinische Name kommt daher, weil sich die Italienerinnen früher mit dem rosaroten Saft der Tollkirsche schminkten, um sich zu einer »Bella Donna« zu machen. Die Griechen nannten sie wegen ihrer Giftigkeit nach der unerbittlichen Schicksalsgöttin Atropa. Der psychoaktive Wirkstoff der Tollkirsche ist das Atropin. Eine Dosis von 0,5 bis 1 mg Atropin hebt Tollkirsche (Atropa Belladonna) zunächst die Stimmung, Redelust und ein starker Bewegungsdrang machen sich bemerkbar. Heiterkeit steigert sich zu großer Erregung. Man verliert die Gewalt über seine Sinne. Selbst bei vollkommener Stille um die betreffende Person herum vernimmt sie Töne und Klänge. Die Verwirrung kann sich bis zu Raserei und Tobsuchtsanfällen steigern.

Im 17. Jahrhundert wurde die Tollkirsche in Litauen benutzt, um Menschen zu vergiften. Ein preußischer Pfarrer erzählt: »Sie haben auch ein Kraut, das nennen sie Maulda. Wenn sie einen was schuldig sind, sehen sie, wie sie ihm solches im Trinken beibringen, der das Kraut in den Leib bekommt, muss sterben, dagegen hilft die ganze Apotheke nicht.«

In der Bukowina, einer Landschaft an der rumänisch - russischen Grenze, ist es Brauch, dass ein Mädchen an einem Sonntag im Fasching gemeinsam mit ihrer Mutter aufs Feld geht, eine Tollkirschenwurzel ausgräbt und an dieser Stelle Brot, Salz und Branntwein zurücklässt. Auf diese Weise will sie ihr Glück versuchen, beim Tanz die Erste zu sein.

 

 

Wichtige europäische Zauberpflanzen

 

 

Beifuss

 

»Wer den Beifuss (Artemisia vulgaris) im Hause hat, dem kann der Teufel nichts anhaben«, sagt ein altes Sprichwort. Aus ihm wird auch der Johannisgürtel geflochten, der am Johannistag (24. Juni) in ein großes Feuer geworfen wird. Auf diese Weise Beifuss (Artemisia vulgaris) werden auch alle Leiden von Patienten dem Feuer übergeben. Ein anderer Glaube besagt, dass Kohlen, die am Johannistag unter den Wurzel des Beifusses gefunden werden, sich in Gold verwandeln. Bittersüß Lateinisch Solanum dulcamara, es gehört zu den Nachtschattengewächsen und wird im Volksmund auch Kletternachtschatten oder Hirschkraut genannt. Das Bittersüß, das einen eigentümlichen, schon von weitem erkennbaren Geruch hat, schmeckt Bittersüß (solanum duhamara) zuerst bitter und danach süß. Es enthält als psychoaktiven Wirkstoff das Alkaloid Solanin und den bittersüßen Stoff Pikroglycion. Im Zauberglauben gilt es als Schutzmittel gegen jede Art von Behexung. Besonders Kinder tragen es in einem Säckchen als Amulett um den Hals.

 

Eisenkraut

 

Lateinisch Verbena officinalis; schon bei den Griechen und Römern stand dieses Kraut in hohem Ansehen. Die Griechen nannten es Hierobotane, heiliges Kraut. Als Symbol der heimatlichen Erde wurde es fremden Völkern entgegen getragen. Der römische Schriftsteller Plinius (23 - 78 n. Chr.) berichtet, dass mit ihm der Tisch des Jupiter, des höchsten römischen Gottes, abgestaubt wurde. Im Mittelalter sagte man dem Kraut nach. es könne einen Mann hieb und stichfest machen daher kommt der Name Eisenkraut. Damit das Eisenkraut seine magische Wirkung entfalten kann, muss es am Karfreitag oder am St. Peter- und St. Paulstag mit einem goldenen oder silbernen Griffel ausgegraben werden. Seine magische Heilwirkung entfaltet es besonders bei Kopfleiden. Man legt es entweder unter das Kopfkissen oder trägt es als Amulett am Hals. Man sagt ihm auch nach, dass es Träume hervorruft.

 

Engelswurzel

 

Lateinisch Angelika officinalis: im Volksmund wird diese Pflanze auch heilige Geistwurzel, Theriakwurzel sowie Brust-, Zahn-, oder Luftwurzel genannt. Große Wertschätzung fand sie im Mittelalter. Man glaubte, dass die Wurzel von einem Vogel vom Himmel auf die Erde gebracht wurde. Die Wurzel der Angelika Engelswurzel (Angelika offieinalis), soll man im Frühling des zweiten Jahres sammeln, wenn sie in voller Kraft steht. In der Magie wird sie unter dem Namen »Angelica archangelica« als Mittel zur Vertreibung der bösen Geister gebraucht.

 

Farnkraut

 

Alle Arten des Farnkrautes gelten als Zauberkräuter. Wenn man den Stängel des Waldfarn im Frühjahr, bevor sich die ersten Wedel entwickelt haben, aus dem Boden entfernt und aus dem breiten Ende eine Menschenhand schneidet, so erhält man das im Mittelalter berühmte »Johannis- und Glückshändchen«. Wer eine solche Hand besitzt, ist gegen jedes Unglück geschützt. Nach Angaben der Hl. Hildegard wird das Farnkraut besonders von dem Teufel und seinen Dämonen gefürchtet. Wo es wächst, wage der Höllenfürst nicht, sein Unwesen zu treiben, heißt es im Volksglauben. Solche Orte sind sogar vor Donner und Hagelschlag geschützt. Angeblich blüht und wächst das Farnkraut nur in der Nacht des Johannis (24. Juni) oder zu Weihnachten. Wenn man diese Farnblüten bzw. -samen ohne Gefahr für Leib und Leben sammeln will, muss man sich nackt zu einem Farnkraut begeben, das an einem Kreuzweg wächst. Dem Farnkrautsamen werden magische Kräfte zugeschrieben. Mit seiner Hilfe kann man leicht Kristalle finden und so genannte Erdspiegel anfertigen, durch die alles zu sehen ist, was in und auf der Erde vorgeht. Man kann damit auch Schätze finden, sich unsichtbar machen, im Spiegel und bei Frauen Glück haben.

 

Knoblauch

 

Lateinisch Allium sativurn; er gehört zu den »Berufkräutern«, die dazu benutzt wurden, böse Geister zu vertreiben. So bannten damit die Römer die Lemuren, die bösen Hausgeister. Auch die Knoblauch (Allium sativurn) geheimnisvolle Pflanze Moly, mit der Odysseus die Zauberin Kirke unschädlich machte, soll ein Knoblauchgewächs gewesen sein. Trägt man ihn als Amulett, soll er gegen den »bösen Blick« wirken können. Diese magischen Wirkungen wurden von Paracelsus (1493‑1541) hoch eingeschätzt und bei der Behandlung von Krankheiten benutzt. Die Gewohnheit vieler Orientalen, rohen Knoblauch zu verzehren, hat seine Ursache darin, daß der Knoblauch in der arabischen Medizin als ein Vorbeugemittel gegen zahlreiche Krankheiten angesehen wird.

 

Lorbeer

Lateinisch Laurus nobilis, seine Beeren enthalten ein ätherisches Öl und das in Wasser unlösliche Laurocerin. Durch Auskochen der Lorbeeren wird die Lorbeerbutter gewonnen, die schon im Altertum für Salben und Spezereien benutzt wurde. Das Lorbeeröl wird seit dem Mittelalter in der Medizin bei Verdauungsstörungen angewandt. In dem Zauberglauben der europäischen Völker ist der Lorbeer der Baum der Götter, der Sieg und Ruhm symbolisiert. Sein scharf aromatischer Duft unterdrückt Moder und Verwesungsgeruch, so dass er in der Antike dem Gott Apollo geweiht war, der Seuchen und den Tod mit seinen Strahlen senden kann. Die griechische Sage erzählt, dass Orest, der seine Mutter getötet hatte und von Apollo entsühnt wurde, diesem zum Dank ein Reinigungsopfer darbrachte. An der Stelle, wo er es vergrub, wuchs ein Lorbeerbaum. In der Magie schreibt man dieser Pflanze die Fähigkeit zu, in die Zukunft und Verborgenes schauen zu lassen. Aus diesem Grund wird er schon seit der Antike als magisches Rauchkraut benutzt. Ob der geheimnisvolle Dampf von Delphi von verbrannten Lorbeerblättern herrührt, wird in dem Kapitel »Magische Räuchermittel« untersucht.

 

Mistel

 

Mistel Lateinisch Viscum album; in der Magie ist diese Art, die als Schmarotzer auf verschiedenen Baumarten wächst, hochgeschätzt. Der Glaube an die Zauberkraft der Mistel reicht bis in die Antike zurück. Ihre gegabelten, im Winter mit goldgrün schillernder Rinde versehenen Zweige gaben das Vorbild für die goldene Zauberrute ab, aus der sich später die Wünschelrute entwickelte.

Als Äneas, der Titelheld des gleichnamigen Epos des römischen Dichters Vergil, in die Unterwelt eindringen wollte, musste er sich erst den goldenen Reis verschaffen. Vermutlich war es eine Mistel, die er pflückte und der Persephone, der Göttin der Unterwelt, überreichte. Auch der Gott Merkur bediente sich eines solchen Gabelzweiges, wenn er den Hades öffnen wollte, um dorthin die Toten zu begleiten.

Auch die deutsche Mythologie kennt eine solche goldene Zauberrute. Es ist die Winterrute, mit der Brünhild und die gesamte Natur in den Todesschlaf versetzt werden, bis Siegfried als Frühlingssonne den Eispanzer zerschneidet und die Schlafende wach küsst. Die Winterrute ist identisch mit dem »Mistelstein«, einem Mistelzweig, mit dem der blinde Wintergott Höder den Sommergott Balder niederstreckt.

Der Gabelzweig der Mistel ist das Symbol der erloschenen Sonnenkraft, die in ihm allein erhalten bleibt. Wenn die größte Sonnenschwäche vorüber war, nämlich an Neujahr, wurde die Mistel eingesammelt. Man schmückte mit ihr die Festräume. Bei den Kelten gab es nichts Heiligeres als die Eichenmistel. In einer feierlichen Zeremonie wurde sie mit einer goldenen Sichel abgeschnitten. Noch heute ist es Brauch in England, zur Weihnachtszeit die Zimmer mit Büscheln aus Misteln zu schmücken. Im Christentum gilt das Mistelholz als »heiliges Kreuzholz«, weil die Gabel an das Kreuz erinnert, auf dem Christus den Tod fand. Zu den vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten der Mistel gehört auch ein aus einem Zweig geschnittenes Stäbchen, das die Eigenschaft besitzen soll, Diebe dingfest zu machen.

 

 

Nieswurz

 

Lateinisch Veratrum; in der Magie werden zwei Arten benutzt, die Weiße und die Schwarze Nieswurz. Der Wurzelstock der Weißen Nieswurz, die im Volksmund auch Weißer Germer heißt, enthält das giftige Alkaloid Veratrin. Die ältere Arzneikunde benutzte es in Salbenform gegen Lähmungen. In der Magie wird sie für magische Räucherungen angewandt und ist Bestandteil der Hexensalben.

Die Schwarze Nieswurz, die im Volksglauben Christwurz, Weihnachtsrose oder Winterrose heißt, dient als Mittel zur Erhaltung der Jugend. Die Blätter werden mit Zucker verrieben und dann eingenommen.

 

Raute

 

Lateinisch Ruta graveolens; der Volksglaube legt ihr die Namen Weinraute und Gartenraute bei. In der Antike war sie Hauptbestandteil des Theriak, eines Allheilmittels, das bis ins Mittelalter hochgeschätzt war. Auch unter den 50 Bestandteilen des Mithridat, einem Allheilmittel, das Heraklides (um 250 v. Chr.) für Mithridates, den König von Pontus, herstellte, wird die Raute aufgeführt. In der Salemitaner Ärzteschule (1150) wurde der Lehrsatz aufgestellt:  „Salbei und Raute, vermengt mit Wein läßt dir den Trunk nicht schädlich sein“. Zu dieser Zeit, als mit dem Giftbecher Politik gemacht wurde, galt die Raute als wirkungsvolles Gegengift. Der weißen Magie dient sie als ein zauberlösendes Mittel, wenn sie unter die Schwelle eingegraben, als Amulett getragen oder hinter einem Fensterrahmen verborgen wird.

 

Sellerie

 

Lateinisch Apium graveolens; im Volksmund Eppich. In der Volksmedizin wird er als ein harntreibendes und die Sexualorgane stimulierendes Mittel gebraucht. In der Magie gilt er als Glücksbringer, der als Amulett getragen oder an Türen aufgehängt wird. Der Sellerie ist Bestandteil von Liebesmitteln, magischen Räucherungen und mittelalterlichen Hexensalben. Mit diesem Namen bezeichnet man auch die Runde Siegwurz (lat. Gladiolus communis). Sie hat einen süßlich- veilchenartigen Geruch. In der Volksmedizin schreibt man ihr Wundheilende Kräfte zu.

Im Zauberwesen führt diesen Namen eine andere Pflanze: der Wegbreit (lat. Allium victorialis), ein Kraut, dessen Wurzelknollen eine eigentümliche gitter- oder panzerartige Hülle haben. Der Saft der Wurzelknollen hat eine zusammenziehende Wirkung, so dass man ihn als blut- und schmerzstillendes Mittel bei Verletzungen benutzt. Der Allermannsharnisch, auch Sieglauch, stand bei den Kriegern im Mittelalter in hohem Ansehen. Sie trugen ihn als Amulett am Hals und hofften, dadurch hieb- und stichfest zu werden. Die mittelalterlichen Bergknappen trugen ihn bei sich, um sich gegen die Bergdämonen zu feien. Da man dieser Zauberpflanze leicht die Gestalt des Alraun geben konnte, wurde damit viele Betrügereien begangen, als in Europa die "Mandra-gora-Manie" herrschte. Zwei solcher unrechten Alraune aus Siegwurz befinden sich in der Hofbibliothek zu Wien. Selbst der Kaiser Rudolf 11., der ein leidenschaftlicher Verehrer des Alrauns war, wurde Opfer eines Betruges. Untersuchungen ergaben, dass es sich bei zwei Exemplaren seiner Sammlung um Zurechtgeschnitzte Siegwurzel handelt.

 

Springwurzel

 

Lateinisch Euphorbia lathyris; sie gehört zur Gattung der Wolfsmilchgewächse und trägt im Volksmund die Namen Spechtwurzel, Böhrnhöckelkraut und Maulwurfskraut. Der scharfe Milchsaft gilt als Brech- und Abführmittel. Die Springwurzel spielt im Zauberglauben eine sehr wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe vermag man jede Tür und jedes Schloss zu öffnen. Der Glaube an die geheimnisvollen Kräfte dieser Pflanze war so stark, dass die mittelalterlichen Gefängnisse besonders gesichert wurden. Als Hexen und Zauberer‚ Eingekerkerte, denen man die Fähigkeit, die Springwurzel zu erlangen, zutraute, wurden in einer Art Schaukel gefangen gehalten, so dass sie den Boden nicht berühren konnten. Noch im 16. Jahrhundert sollten spezielle Vorschriften verhindern, dass die Häftlinge sich der Springwurzel bedienen konnten. Das einzige Wesen, das diese Zauberpflanze erkennen und beschaffen kann, ist der Specht. Man muss nur sein Nest in einem Baum zustopfen, wenn er Junge hat. Sofort fliegt er weg, um sich eine Springwurzel zu beschaffen. Dies ist die einzige Möglichkeit für den Menschen, in den Besitz dieser Wurzel zu kommen: Man hält ein rotes Tuch bereit, das in dem Augenblick mit einem großen Geschrei entfaltet wird, wenn der Specht zurückkehrt. Der wird vor Schrecken die Wurzel fallen lassen, die man mit dem roten Tuch auffängt. Auch für die Schatzgräber ist diese Zauberpflanze unentbehrlich, da man alte Eisentruhen mit ihrer Hilfe sehr leicht öffnen kann.

 

 

Wacholder

 

Lateinisch Juniperus communis; die volkstümlichen Bezeichnungen lauten Queckholder oder Reckholder. Er ist eine sehr wichtige Heilpflanze, von der fast alle Teile in der Naturheilkunde verwendet werden. Die Beeren und Nadeln wurden schon im Altertum als Räucherkraut benutzt. Ihr Rauch vertreibt Schlangen, Würmer und böse Geister. Ein Trank aus den Beeren des Wacholder verleiht die Gabe der Prophezeiung. Der Blütenstand der männlichen Kätzchen wird für Liebeszauber und Totenbeschwörung (Nekromantie) benutzt.

 

 

Weide

 

Lateinisch Salix; im Volksmund wird sie auch Wigge genannt. Die Weidenrinde enthält das Alkaloid Salizin, das früher als Ersatz für das Fiebermittel Chinarinde diente. Die Weide ist ein Zauber‑ und Unglücksgewächs. In der germanischen Mythologie hält sich im »Weidicht« der schweigende Ase Widar auf, der große Waldgott, der einen Reis von Weidenholz bei sich führt. Die von der Ferne Verurteilten wurden mit einer Weidenrute erdrosselt. In der Magie schützt die Weide gegen Feinde, wenn man einen Weidenzweig unter besonderen Zaubersprüchen in die Erde steckt. Die Weide ist auch eine wichtige Zauberpflanze der Hexen. Eine viel zitierte Beschwörungsformel des Hexenglaubens lautet: »Die Königsmutter hielt eine Rute in der Hand.«

In der Kirche geweihte Weidenkätzchen schützen das Haus vor Blitz und Gewitter. In der Volksmedizin wird die Weide zum »Austragen« von Krankheiten eingesetzt. Wer beispielsweise an Fieber leidet, muss abends zu einer alten Weide gehen und warten, bis der Fieberanfall vorüber ist. Dann bindet er etwas von sich an den Baum und läuft, so schnell er kann, davon. So bleibt das Fieber am Baum hängen.

 

 

Zaunrübe

 

Lateinisch Bryonia alba; volkstümliche Namen: Gichtrübe, Hundsrübe und Tollrübe. Im Zauberglauben ist sie ein beliebtes Mittel gegen Unwetter, hält aber auch für den Liebeszauber her. Wenn die Bauernmädchen zum Tanz gingen, legten sie sich in Scheiben geschnittene Zaunrübenwurzeln in die Schuhe und besprachen sie mit dem Satz: »Körfcheswurzel in meinen Schuhen, ihr Junggesellen lauft mir zu.«

 

 

Die Zauberpflanzen der Neuen Welt

 

Wie schon erwähnt, ist die Zahl der Zauberpflanzen in der Neuen Welt sehr groß. Wichtige Beiträge zu ihrer Erforschung lieferte der deutsche Toxikologe Louis Lewin (1850-1929). Einen Ein­blick in die Vielfalt dieser Pflanzen vermittelte Prof. Viktor A. Reko, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Mexiko, der 1936 zu diesem Thema ein grundlegendes Werk mit dem Titel »Magische Gifte, Rausch- und Betäubungsmittel der Neuen Welt« veröffentlichte. Die nachfolgende Darstellung enthält des­halb nur drei der wichtigsten Halluzinogene.

 

Peyote

 

Peyote, ein Wort aus der Sprache der Nahuatl-Indianer, bedeutet »Kokon-Seide«. Es bezeichnet einen kleinen, vor allem in Mexiko beheimateten Kaktus mit dem Aussehen einer stachellosen, graugrünen Kugel, einer rübenförmigen Wurzel und dem wissenschaftlichen Namen Lophophora williamsii. Schon lange vor der Ankunft der spanischen Eroberer unter Femando Cortez gab er ein weit verbreitetes Rauschmittel ab. Zu diesem Zweck trocknete man ihn, schnitt Wurzel und Schopf ab und schnitt dann den mittleren Teil in Scheiben, die gekaut wurden. Schon bald nach deren Genuss entfaltet sich seine psychoaktive Wirkung. Reko beschreibt sie: »Zunächst treten Kopfdruck, Schwindel, Übelkeit und Lichtscheu auf. Nach zwei Stunden schwinden diese Erscheinungen und machen einer verdrossenen Abgeschlagenheit und Müdigkeit Platz. Legt man sich in diesem Zustand nieder, so setzt unvermittelt der Rausch ein: Das eklige Gefühl der eben vergangenen Stunden verschwindet mit einem Schlag. Man sieht alles plötzlich wie an einem frischen Morgen, in prachtvollen Farben, kristallklar und unwahrscheinlich plastisch. Schließt man die Augen, so drehen sich bunte Feuerräder, fließen Ströme farbigen Lichts wie Kaskaden. Funken, klar wie Edelsteine von reinstem Wasser, scheinen herumzuspringen und in der Luft zu schweben. Mitunter hört man Musik, so schön wie Musik nur im Traum sein kann. Bald treten Visionen greifbarer Art auf. Die Versuchsperson spinnt die Erscheinungen und Gestalten, die sie zu sehen vermeint, zu langen Träumen, meist angenehmen Inhaltes, zusammen. Nur selten treten schreckhafte und unangenehme Empfindungen auf oder gar Angstgefühle.

Dieser merkwürdige Rauschzustand ist durch eine gewisse Euphorie, durch Seligkeits- und doch wieder Gleichgültigkeitsgefühle sowie durch Empfindung geistiger Überlegenheit gekennzeichnet. Die Gedanken werden nach Aussagen der Berauschten lebhafter, die ganze Denkbarkeit läuft schneller, reibungsloser, müheloser ab.«

Die ersten chemischen Untersuchungen Louis Lewin nahm an getrockneten Probestücken aus den USA vor. Er fand vier Alkaloide, darunter das psychoaktive Meskalin. Heute weiß man, dass der Kaktus 44 Alkaloide enthält, die von dem morphinähnlichen Meskalin, das Halluzinationen hervorruft, bis zu dem strychninähnlichen Lophophorin reicht, das die allgemeine Erregung steigert. Die anderen Wirkstoffe, wie das Nahalonin, verstärken die Reflexe oder wie das Pelotin erhöhen die Neigung zu Krämpfen. All diese Komponenten tragen zu dem Rauschbild bei das oben von Reko beschrieben wurde. Man nimmt aber heute an, dass Meskalin der einzige Wirkstoff ist, der eine psychedelische Erfahrung hervorruft. Damit ein solcher Meskalinrausch entsteht, ist eine Dosis von 200-600 mg Meskalin notwendig, die in etwa vier bis dreißig der Kaktusstücke erfordern. Die Beschreibung des Rauschzustandes entspricht genau der Wirkung der einzelnen Alkaloiden. Erst nach zwei Stunden setzt die Wirkung des halluzinogenen Meskalins ein. Man glaubt heute, dass die Verwendung des Peyote-Kaktus bis in die Zeit um 300 v. Chr. zurückreicht. Zur Zeit der spanischen Eroberung war diese Pflanze bei allen aztekischen Stämmen bekannt. Bei den Krönungs­feierlichkeiten des Königs Montezurna soll sie herumgereicht worden sein. Die spanischen Eroberer hielten die Pflanze für ein Werk des Teufels und gaben ihr deshalb den Namen »raiz diabolika« (teuflische Wurzel).

Francisco Hemandez, der Leibarzt von Philipp 11., der von 1570­1577 im Auftrag der spanischen Regierung die Heilpflanzen Mexikos studierte, behandelte sie in einem eigenen Kapitel seines Werkes »Rerurn Medicarum Noave Hispaniae Thesaurus« (Schatz der medizinischen Heilmittel des Neuen Spaniens). Darin findet sich dieser Abschnitt: »Dieser Wurzel werden wunderbare Eigenschaften zugeschrieben, wenn man dem Glauben schenken will, was darüber gesagt wird. Diejenigen, die sie nehmen, bekommen die göttliche Gabe der Vorhersehung und können künftige Dinge wie Propheten voraus wissen.«

Im alten Mexiko war der Anwendungsbereich dieser Zauberpflanze sehr groß; wie anderswo der Genuss von Wein, so diente hier ihr Verzehr bei Zusammenkünften und Festen, die Stim­mung zu heben. Die Heilzauberer (curanderos) bedienten sich ihrer, um die Zukunft zu weissagen. Sie wurde auch für die Heilung von Krankheiten benutzt, denn die von ihr hervorgerufenen Visionen ermöglichten es dem Patienten, mit den Göttern oder Dämonen in Kontakt zu treten, die die Krankheiten verursacht hatten. In der »Historia de Nayarit« des spanischen Chronisten Ortega (1754) findet sich eine Beschreibung, wie die Cora-Indianer den Peyote-Kaktus benutzten:

»Neben ihren Musikanten sitzt einer, der der Leiter des Gesanges ist. Er schlägt den Takt der Musik und hält sie in Ordnung. Er hat Gehilfen zugeteilt, die seinen Platz einnehmen, falls er müde werden sollte oder unfähig, aufzupassen. Neben ihm steht eine große Schüssel, voll mit Peyote gefüllt, teuflischen Wurzeln, die sie ausgraben und essen, um sich zu berauschen. Sie bilden alle einen großen Kreis, Männer und Frauen durcheinander, so viele, als eben auf dem dazu bestimmten, vorher peinlich sauber gefegten Platz unterkommen können. Einer nach dem anderen tanzt, gibt seine Tanzkünste zum besten, stampft mit den Füßen den Takt der Musik, In der Mitte ist der Gesangsleiter, der alles regelt und übersieht. Sie singen und tanzen die ganze Nacht, ohne aufzuhören, in ihrer einförmigen Weise, ohne den Kreis zu verlassen, und unterhalten sich dabei großartig. Erst am Morgen, nach Beendigung des Festes, stehen sie auf, und die, die sich noch auf den Füßen halten können, gehen dann nach Hause. Der Mehrzahl allerdings ist dies gar nicht möglich, da sie zuviel Peyotewein genossen haben.«

1620 wurde jeglicher Gebrauch des Peyote-Kaktus von der Inquisition untersagt. Die spanischen Machthaber, welche die Indios auch zu Christen machen wollten, sahen in der Zauberpflanze einen gefährlichen Konkurrenten, weil nach dem Volksglauben mit ihrer Hilfe Kontakt zu den Göttern möglich war.

Trotz scharfer Verfolgungsmaßnahmen und grässlichen Bestra­fungen starb der Peyote-Kult bei den Indianern nicht gänzlich aus, erlebte vielmehr gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Blüte und breitete sich unter den Indianern in Nordamerika aus und wurde um die Jahrhundertwende von etwa 50 nordamerika­nischen Indianerstämmen gepflegt. Der Kult allerdings hatte einen christlichen Anstrich. Statt der Seelenreise der alten Mexi­kaner erlebte man nun die Himmelfahrt Christi nach. Die Ver­fechter dieser »Peyote-Religion« propagierten den Genuss der Rauschpflanze, um die Indianer vom noch gefährlicheren Alkoholgenuss abzubringen. Nach amtlichen Schätzungen haben im Jahre 1922 14 000 Personen regelmäßig Peyote gegessen; 1977 soll sich diese Zahl auf eine Viertelmillion belaufen haben.

In den 50er Jahren machten der Peyote-Kaktus und das Meskalin noch einmal Schlagzeilen. Nachdem der englische Schriftsteller Aldous Huxley (1894‑1963) eine Studie des Psychologen Humphrey Osmond über den Einsatz von Meskalin bei schweren Psychosen gelesen hatte, unterzog er sich einem Selbstexperiment, das 1955 in den Hügeln von Los Angeles stattfand. Seine Rauscherfahrungen schilderte er in dem Buch »Die Pforten der Wahrnehmung«. Dieser Bestseller löste eine ganze Flut ähnlicher Werke aus, in denen namhafte Schriftsteller, wie beispielsweise Allen Ginsberg, ihre psychedelischen Erfahrungen mit dieser Zauberpflanze mitteilten.

Bei diesen Experimenten wurden Visionen beschrieben, die in der modernen Esoterik als Astralprojektionen oder -reisen diskutiert werden. Versuchspersonen berichteten, dass ihr Leib leuchtend hell und transparent geworden sei, und sie hätten ihn von einem entfernten Punkt aus betrachten können. Das englische Parlamentsmitglied Christopher Mayhew beschrieb einen solchen »Ausflug« für den Londoner Observer folgendermaßen (Übers. nach P. Stafford: »Enzyklopädie der psychedelischen Drogen«):

»Ich nahm meine Umgebung nicht mehr wahr und freute mich an meinem Dasein im Bewusstsein meiner selbst, in einem Zustand atemloser Verwunderung und vollkommener Seligkeit. Das hielt eine gewisse Zeit an, die für mich einfach überhaupt nicht aufhörte. Sie dauerte nicht nur Minuten oder Stunden  mir kamen sie wie Jahre vor... Mehrere Tage danach erinnerte ich mich nicht mehr, dass ich am Nachmittag des 2. Dezember mehrere Stunden in meinem Salon verbracht hatte, die von diesen seltsamen Ausflügen unterbrochen wurden, sondern ich glaubte, es seien Jahre vollkommener Seligkeit gewesen, die von kurzen, zauberhaften Vorgängen im Salon unterbrochen wurden... Beim ersten Male, als ich von einem Ausflug >zurückkehrte<, nahm ich an, eine ungeheure lange Zeit wäre verflossen, und ich rief erstaunt dem Kamerateam zu: >Ihr seid noch da?< Ihre Geduld zu warten schien mir außerordentlich, doch tatsächlich war natürlich keine solch lange Zeit vergangen, und sie hatten überhaupt nicht warten müssen.«

 

 

Yag- oder Ayahuasca

 

Lateinisch Banisteriopis caapi; diese Schlingpflanze wächst in den Regenwäldern des Amazonas. Es handelt sich um eine halluzinogene Lianenart, die bei den Eingeborenen unter zahlreichen Namen bekannt ist. Der Name »Ahahuasca« bedeutet soviel wie »Ranke der Seele«, was schon ihre psychoaktive Wirkung andeutet. Nach dem Glauben der Indios kann man mit Hilfe eines Extraktes aus dieser Zauberpflanze mit den Geistern der Verstorbenen und den Naturgeistern verkehren. Auch für Prophezeiungen bedient man sich dieser Droge. Man nimmt sie in der Stille der Nacht ein, weil man glaubt, dass sie dann noch stärker wirkt und die von ihr hervorgerufenen Träume und Visionen noch intensiver sind. Der französische Pharmakologe Rouhier (»Yag-, Planttldpathique«) beobachtete die Herstellung des Rauschtrankes aus dieser Pflanze: »Die Indios lassen ein Kilo Yag- in einem mehrere Liter Wasser fassenden Topf während der Nacht stundenlang kochen. Wenn der Inhalt bis auf 25 Zentiliter eingekocht ist, bezeichnen sie einen aus dem Kreis der Ihren. Dieser trinkt dann die Abkochung mit etwas aus Zuckerrohr hergestelltem Branntwein.«

Rouhiers Bericht enthält auch Hinweise auf die telepathische Wirkung, welche die südamerikanischen Eingeborenen dieser Zauberpflanze zuschreiben:

»Er schläft bald darauf ein. Dann fassen ihn seine Kameraden unter den Armen und führen ihn in diesem willenlosen Zustand herum. Besonders werden Orte aufgesucht, wo man vermutet, dass Golderze sich dort befinden, oder wo der Überlieferung nach ein Schatz vergraben sein soll. Diese Somnambulen (Schlafwandler) geben nämlich an, sie könnten durch Mauern hindurch und durch die Erde >bis auf den Grund<, wie durch klares Wasser sehen. Wenn sie halt machen und andeuten, dass sie etwas in der Erde sehen, fangen alle anderen an dem bezeichneten Ort zu hacken und zu graben an, und zwar beinah immer mit Erfolg ... « Kurz vor seinem Tod veröffentlichte Louis Lewin eine grundlegende Studie über »Banisteria Caapi, ein neues Rauschgift und Heilmittel«, welche diese magische Pflanze einem größeren Publikum bekannt machte. Heute weiß man, dass die psychoaktive Wirkung der Pflanze auf die beiden Stoffe Harmalin und Harmin beruht, die man seit 1927 auch synthetisch herstellen kann. Als Dosis benötigt man 200 mg der psychoaktiven Substanz oder vier bis fünf 20 cm lange Stücke der Pflanze, die man zerstampfen und dann kochen muss.

Eine genaue Beschreibung des Yaga-Rausches enthält das Buch von Reko, der einen Erfahrungsbericht eines kolumbianischen Arztes wiedergibt, der intensiv vor Ort diese magische Pflanze erforschte:

»Während der Geistesverwirrung, die durch Yage hervorgeru­fen wird, tritt der Patient in einen eigentümlichen Zustand, der sich nur mit dem telepathischen vergleichen lässt. Der Deirant (= Berauschter) sieht und hört Sachen, von denen er nicht die geringste Kenntnis haben kann, und zwar in sehr klarer, durchaus nicht verschwommener Weise. So beschrieben wilde Indios, welche noch niemals aus den endlosen Wüsten ihrer Heimat herausgekommen waren und natürlich auch nicht die leiseste Ahnung von zivilisiertem Leben haben konnten, in ihrer eigenartigen Sprache mit viel Lebhaftigkeit und großer Bestimmtheit Einzelheiten von großstädtischen Häusern, alten Schlössern, bevölkerten Gegenden, Städten, in denen es eine Menge hastig herumlaufender weißer Menschen gab. Sie versuchten auch wiederholt, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen über die wundervolle, laute, rauschende Musik, die sie hörten, die ihnen fremd, aber doch bezaubernd klang, so dass sie sie mit nichts Irdischem vergleichen konnten und durch die sie in Entzücken versetzt wurden.« Andere Erfahrungsberichte schildern Visionen, bei denen beson­ders Tiere Reptile, Katzen, Panther und Jaguare eine große Rolle spielten. Das hat Anlass gegeben, die Geschichte dieser Zauberpflanze bis auf die Jahre 1300 bis 300 v. Chr. zurückzudatieren. Aus dieser Zeit existieren in Peru Abbildungen, die man als das Ereignis von Yag & Einfluss interpretieren möchte: Es handelt sich um Mischwesen aus Mensch und Tier, in denen regelmäßig der Jaguar auftaucht, der häufig die Visionen dominiert.

Neben der psychedelischen Bewusstseinswirkung, die besonders für Telepathie und Prophezeiungen benutzt wird, hat diese Pflanze nach glaubhaften Berichten auch eine sexuell erregende Wirkung. In den zahlreichen Zeugnissen wird nicht nur von Visionen nackter Frauen und erigierter Glieder berichtet, sondern auch von der Einnahme der Drogen zu dem Zweck, sich sexuell zu erregen, wie dies namentlich bei den Mannbarkeitsriten der Indios erfor­derlich ist. Eine Pflanze, die eine solche Bandbreite von Eigenschaften besitzt, weckt nicht nur das Interesse der Fachleute. Anfang der 60er Jahre beschäftigten sich der Romancier William Burrough und der Dichter Allen Ginsberg mit der Yagd-Pflanze. 1963 veröffentlichten sie ihre Erfahrungen in den »Yage-Letters«. Allen Ginsberg hielt diese Pflanze für das »schlimmste Zeug«, das er je genossen hatte. Ständig beherrschte ihn die Furcht, er könne bei seinen Selbstversuchen den Verstand verlieren. In einem Nachwort fasste er seine Erlebnisse so zusammen:

»Das Selbst entschlüsselt diesen Briefwechsel so: Die Vision von Schutzengeln, mein Menschenbruder und meine Menschen­schwester, das erste Mal heilig erblickt, während der Curandero (= Heilzauberer) sanft summte, menschlich war ich in Ahahuasca Trance 1960, prophezeite die Verwandlung des Selbstbewusstseins von der Empfindung eines heimatlosen Geistes der ewigen Furcht zur Empfindung eines gegenwärtigen, fleischgewordenen Körpergefühls der Gnade, das heute, 1963, Wirklichkeit geworden ist.«

Der chilenische Psychologe Naranjo zog 1964 die Aufmerksamkeit auf sich, als er nach Abschluss einer Testreihe mit Harmalin, dem Hauptwirkstoff der Yagd-Pflanze, die sensationelle Behauptung aufstellte, dass dieser psychoaktive Wirkstoff direkt eine Verbindung zu dem »Kollektiven Unterbewusstsein«, einem der Hauptbegriffe der Lehre C. G. Jungs (1875-1961) herstellte.. In den Visionen treten sehr häufig Schlangen und Katzen auf, die von Naranjo als Archetypen gedeutet werden: Urbilder aus dem kollektiven Unterbewusstsein, gleichsam eine Bildwerdung menschlicher Urerfahrungen. Diese Bilder, die auch in Träumen und Dämmerungszuständen erscheinen, decken sich mit den bekannten Motiven und Darstellungen der Mythologie. In diesem Zusammenhang müssen auch die schon erwähnten Bilder von Jaguaren, besonders als Mischwesen mit Menschen, angeführt werden.

 

 

Koka

 

Keine Zauberpflanze hat so viele Schlagzeilen in unseren Tagen gemacht wie der Koka‑Strauch. Mit ihr verdienen Verbrecher­syndikate in Lateinamerika Milliarden von Dollar, so dass sie fast nach Belieben Regierungen einsetzen und stürzen können. Der Koka - Strauch ist die gefährlichste Rauschdroge unserer Zeit.

Koka bedeutet in der Sprache der Indianer der Westküste Südamerikas »Baum«. Lateinisch heißt sie Erythroxylon coca. Von den zweihundert Arten dieses Strauches werden aber nur wenige von den Indios kultiviert. Schon zur Zeit der Inkas wurden die Blätter des Koka-Strauches sorgfältig von den Stilen und Blatt­rippen befreit und dann mit einem Zusatz von Pflanzenasche gekaut. Der tägliche Tagesverbrauch liegt bei dreißig bis fünfzig Blätter. Die Wirkung besteht neben der Unterdrückung des Hunger- und Durstgefühls in einer Steigerung der Arbeitsleistung. Mühelos werden die schwersten körperlichen Strapazen ertragen, die das Leben in den Anden den Indios abverlangt. Schon der Forschungsreisende Alexander von Humboldt rühmt die gewaltige Ausdauer seiner Kokaessenden einheimischen Führer und Begleiter. Die Armut und die großen körperlichen Anstrengungen haben bewirkt, dass der Kokagenuss für Millionen von Menschen eine Lebensnotwendigkeit geworden ist. Das Kauen dieser Blätter regt die Herz- und Kreislauftätigkeit an und führt zu einer Erhöhung des Gesamtstoffwechsels des Körpers. Die Wirkungsdauer eines Kokabissens ist auch zu einem Wegemaß geworden, der »Kokada«. In einer »Kokada« legt der Indio eine Strecke von drei Kilometern in vierzig Minuten zurück.

In der Inkazeit war der Genuss der Kokapflanze durch Tradition und Kultus genau geregelt, so dass ein Missbrauch sich in Grenzen hielt. Diese Pflanze war das Sinnbild des Königtums. Sie war die »Cuca-Coca«, die Pflanze aller Pflanzen, so dass man die Königin auch »Mama-Cuca« nannte. Bei allen feierlichen Zeremonien war es das Vorrecht der Priester und der Ersten des Reiches, Kokablätter zu kauen. Nach dem Genuss dieser Zauberdroge wurden die Orakel befragt. Tempel und Götterbilder wurden damit geschmückt, Brautleute trugen Kokakränze, kurzum: Die Kokapflanze war Universalheilmittel und Glücksbringer schlechthin. Als die Spanier 1532 nach Peru vordrangen, war die Sitte des Kokakauens schon weit verbreitet. Die nun einsetzende Verfolgung der heidnischen Priester und die Ausrottung des alten Glaubens führten dazu, dass jegliche Kontrollfunktion wegfiel. Was vorher ein Vorrecht der Priester und der herrschenden Schicht war, wurde zum Volksbrauch. Mitte des 16. Jhdt. wurde der Genuss der Kokablätter geächtet und der Anbau der Pflanzen verboten. Doch alle Maßnahmen blieben ohne Erfolg, weil die Kokablätter schon ein volkstümliches Genussmittel waren und die spanischen Eroberer ihre Fronarbeiter selbst mit Koka entlohnten. Schließlich wurde die Kokastruktur Staatsmonopol, bis im Laufe des 18. Jahrhunderts der gesamte Anbau wieder in privaten Hände lag.

Schon 1860 gelang es Wöhlner in Göttingen, das psychoaktive Alkaloid Kokain aus den Blättern rein herzustellen. Er erkannte auch die örtlich betäubende Wirkung des Kokains, das aber erst 1884 von dem Wiener Augenarzt Koller in die Heilkunde eingeführt wurde. Schon um die Jahrhundertwende, verstärkt während des 1. Weltkrieges, wurde aus diesem Heilmittel ein gefährliches Rauschgift, das vor allem mit Beginn der 20er Jahre in den »besseren Kreisen« sehr beliebt war. Die häufigsten Anwendungsformen sind: Einspritzen unter die Haut, Trinken von Kokainwein, Rauchen von kokainhaltigen Zigaretten, Einpinseln in die Nase und Einreiben in das Zahnfleisch. Die gebräuchlichste Art ist aber das Kokainschnupfen oder »Koksen«, weil es auf diese Weise am schnellsten seine Wirkung entfaltet. Die fatalen Auswirkungen für die Konsumenten und die Folgen für die Gesellschaft lassen sich heutzutage im Nachrichtenteil fast jeder Tageszeitung studieren.

 

 

Asiatische Zauberpflanzen

 

Die außerordentliche Reichhaltigkeit der chinesischen Pflanzen­welt lieferte eine große Zahl von Heil- und Zauberpflanzen. Die chinesische Pharmakologie ist uralt; schon Kaiser Shen-Nong befasste sich um 4500 v. Chr. mit Heilpflanzen, die er auch selbst ausprobierte.

Kaiser Shen-Nong.

Das wichtigste Werk der chinesischen Drogen und Heilkräuter stammt aus der Ming‑Zeit (14.-16. Jhdt.). Es ist das berühmteste »Bo–tsau–gang-mu«, dessen Titel übersetzt lautet: »Text und Kommentar des Bontsau«.

Hinter diesem bescheidenen Titel verbirgt sich eine monumen­tale und erschöpfende Abhandlung über alle seinerzeit für die Heilkunde in Betracht kommenden Stoffe, von den Elementen über die Steine, Pflanzen, Insekten bis hin zu Löwe und Elefant. Verfasser ist Li Schidschen (erste Hälfte des 16. Jhdts.) Wie er im Vorwort berichtet, hat er 360 medizinische und 591 wissenschaftliche Werke für seine Arbeit herangezogen. Nach 27 Jahren Arbeit war das Werk fertig, 1596 erfolgte die Drucklegung.

Der Hauptteil des »Bon-tsau-gang-mu« besteht aus 48 Bänden, in denen 1900 Substanzen behandelt werden. Alle wichtigen Drogen sind illustriert. Ferner enthält es 11 091 alte und neue Rezepte. Der Hauptteil über Drogen ist 1100 Pflanzen gewidmet. Jede Droge erscheint zuerst unter ihrem wissenschaftlichen Namen, dann folgen die volkstümlichen Bezeichnungen, Beschrei­bung der Herkunft, des Aussehens und der Geschichte der Droge und Angaben über die Herstellung von Rezepten. In diesem gewaltigen Werk finden sich auch viele Kräuter, die man als magische oder Zauberpflanzen bezeichnen könnte.

 

 

Das Unsterblichkeitskraut

 

Chinesisch Fo-Ti-Tieng (Elixier des langen Lebens); mit diesem Namen werden einige Pflanzen bezeichnet, denen eine lebensverlängernde Wirkung zugesprochen wird. Die Suche nach dem »Unsterblichkeitskraut« ist das oberste Ziel der taoistischen Medizin. Bereits 211 v. Chr. sandte ein chinesischer Kaiser, als er seinen Tod herannahen fühlte, unter Leitung eines taoistischen Priesters eine Expedition nach den Inseln des Ostmeeres (vermutlich Japan), um ein Kraut zu suchen, das Unsterblichkeit (chin.: »Hsien«) verleiht. Vermutlich war damit eine kleine Sumpfblume (Hydrocotyle asiatica minor) gemeint. Sie enthält ein Alkaloid mit dem vorläufigen Namen Vitamin X. Außer diesem Unsterblichkeitskraut existieren in der chinesischen Medizin noch verschiedene Unsterblichkeitsmixturen, deren Hauptbestandteil fast immer das Zinnober ist.

 

 

 

Ginseng

 

Lateinisch Panax ginseng; der Name Ginseng ist eine Zusammensetzung aus »gin« = Leben und »seng« = Essenz. Neben dem Tee ist sie die berühmteste Pflanze Chinas, der wahre Wunderwirkungen zugeschrieben werden. Um sie rankt sich ein Kranz von Legenden, und sie hat manche Gemeinsamkeiten mit dem Alraun: Auch ihre Wurzel kann Menschengestalt annehmen, und das Sammeln erfolgt nach bestimmten Prozeduren. In dem Arzneibuch »Bon-tsau-gang-mu« wird über ihre zahlreichen Eigen­schaften berichtet: »Roh süßbitter, ein wenig kalt; gekocht süß und lau, hilft es der Lunge und im Inneren dem Urpneuma. Es kühlt das Feuer, vermehrt die Erde (d. h. kräftigt die Milz), öffnet von selbst das Herz und vermehrt das Wissen, bringt Metall hervor (d.h. hilft der Lunge), breitet den Geist aus und beruhigt den Schrecken, beseitigt Hitze und Durchfall, veranlasst das Blut, die Adern zu durchfließen, beseitigt Kotverhärtungen, bringt gestauten Schleim zum Abfluss; heilt innere Schädigungen infolge übertriebenen Geschlechtsverkehrs und entfernt Hitze durch natürliche Schweißabsonderungen. Diese Medizin beseitigt zu vieles Träumen, Verwirrt sein, Stöhnen und Ächzen, bessert eine Leere des Magens sowie Husten, fieberhafte Verstopfung, Durchfall und Harnverhalten. Zur Unterstützung der Organe wird die Pflanze gekocht verwendet, zur Kühlung des Feuers hingegen roh. Zu Brei gekocht genossen, kann sie das Urpneuma zurückrufen, wenn es bereits kaum noch vorhanden war. Bei Gebrauch in gekochtem Zustand nehme man kein eisernes Geschirr.«

In der chinesischen Magie wird sie zu Herstellung der Unsterblichkeitselixiere benutzt und gilt als beliebtes Liebesmittel, das die sexuelle Aktivität anregt. Zusammen mit Hanfsamen soll sie eine hellseherische Wirkung haben.

 

 

Hanf (Cantiaba).

 

Die chemische Analyse ergibt, dass diese Pflanze einen Komplex von physiologisch wirksamen Stoffe enthält: Panaxin und Panaxsäure, die beide Herz- und Kreislauftätigkeit erhöhen, PanaxvilIon, das die Tätigkeit der inneren Drüsen anregt, und das Öl Panacen, das eine schwach psychoaktive Wirkung hat.

Hanf: Lateinisch Cannaba; drei Arten gibt es: Cannabis sativa (der vor allein in der Neuen Welt verbreitet ist und besser unter dem Namen Marihuana, abgeleitet von Maria Johanna, bekannt ist), Cannabis indica (unterscheidet sich von Marihuana durch den kürzeren Wuchs), Cannabis ruderalis (kommt im südlichen Sibirien vor). Die am meisten verbreitete Art ist der Sativa-Typ. Als Nutz‑ und Rauschpflanze ist der Hanf schon seit der Frühzeit der Menschheit in Gebrauch. Schon 8500 v. Chr. wurde er in China zur Anfertigung von Kleidern und Seilen benutzt. Im Atharva-Veda, einer Liedersammlung der alten Inder, die aus der Zeit um 2000‑‑1200 v. Chr. stammt, wird der Hanf als eine der fünf heiligen Pflanzen erwähnt. Die Assyrer sollen ihn schon im siebten oder achten Jahrhundert vor Christi Geburt als Räucherwerk benutzt haben. In ihrer Sprache hieß er »Qunubu«, offensichtlich eine Entlehnung aus dem altostiranischen Wort »Konaba«, das mit dem griechischen »Cannabis« verwandt ist, »Konoba« gibt es auch im Griechischen und heißt dort »Lärm« Hanfrauchen führt häufig zu lauten Gefühlsausbrüchen.

Der erste Hinweis für die Benutzung des Hanfes in Europa stammt von dem griechischen Historiker Herodot (485-425 v. Chr.), der im 4. Buch, Kap. 74, seiner Historien schreibt: »In dem Land (Skythien) wächst auch Hanf, der, abgesehen von Dicke und Größe, dem Lein ganz ähnlich ist. Darin aber übertrifft ihn der Hanf bei weitem. Er wächst sowohl wild wie auch gesät. Aus ihm machen die Thraker Kleider, die denen aus Leinen ganz ähnlich sind. Wer ihn nicht sehr genau kennt, könnte nicht unterscheiden, ob etwas aus Leinen oder Hanf ist. Wer aber den Hanf noch nicht gesehen hat, wird das Kleid aus Leinen halten. (75) Den Samen dieses Hanfes nehmen die Skythen, verschwinden unter ihre Filzdecken und werfen ihn dann auf die glühenden Steine. Dieser aber fängt, wenn er darauf geworfen wird, an zu rauchen und bringt soviel Dämpfe hervor, dass ihn kein Schwitzbad übertreffen würde. Die Skythen aber freuen sich über das Schwitzbad und jubeln vor Lust. Das gilt ihnen als Bad. Denn im Wasser baden sie überhaupt nicht. Ihre Frauen aber zerreiben auf einem rauen Stein etwas Zypressen, Zedern und Weihrauchholz, gießen Wasser darüber und bestreichen dann mit dieser zerriebenen dicken Masse den ganzen Körper und das Gesicht. Zugleich verbreitet sich über sie ein Wohlgeruch. Sie werden, wenn sie am nächsten Tag die aufgestrichene Masse abnehmen, rein und glänzend.«

Der griechische Historiker Diodor (l. Jhdt. v. Chr.) berichtet, dass die Frauen Thebens aus dem Hanf eine Flüssigkeit herstellen, die wie der sagenhafte Trank Nepenthes wirkt, von dem Homer Wunderdinge erzählt. Dem römischen Arzt Galen (130-200 n. Chr.) ist der Hanf als Genussmittel bekannt. Beim Nachtisch würden kleine Kuchen vorgesetzt, in die Hanf eingebacken wird. Sie erhöhten die Lust am Trinken, betäubten aber bei übermäßigem Genuss.

Das eigentliche Verbreitungsgebiet des Hanfs für seine Verwen­dung als Rauschpflanze sind die islamischen Länder. Der vene­zianische Forschungsreisende Marco Polo berichtete von Hassan, einem Fürsten in Kleinasien, der um 1100 v. Chr. einen Geheimorden gegründet hatte, um seine Gegner systematisch zu ermorden. Für diese Anschläge wählte er sich junge Männer aus, die zuvor Proben ihrer Kraft und Entschlossenheit abzulegen hatten. Durch das betäubende Getränk einer Pflanze, von der man heute annimmt, dass es Hanf war, wurden sie eingeschläfert und in diesem Zustand in einen wahren Zaubergarten versetzt, in dem sich prächtige Obsthaine befanden, Bäche eine angenehme Kühle verbreiteten und in reich ausgestatteten Sälen verführerische Mädchen Wein kredenzten. In diesem Paradies, das von zeitgenössischen Berichten in überschwänglichen Farben geschildert wurde, erwachten die jungen Männer. Eine Zeitlang durften sie alle Freuden dieses Ortes genießen. Sodann wurden sie wieder betäubt und erwachten an der Seite ihres Lehrmeisters, der ihnen nun einredete, sie seien nicht von seiner Seite gewichen. Nur ihr Geist habe im Paradies geweilt Lind habe dort einen Vorgeschmack von dem Lohn genossen, den die erhielten, die treu ergeben ihrem Herrn Hassan dienten und bereit wären, ihm auch ihr Leben zu opfern. Der Orden war streng hierarchisch gegliedert, an der Spitze stand der »Alte vom Berg«, wie der Großmeister genannt wurde.

Ein Fingerzeig, dass die Hanfpflanze bei den Einweihungszeremonien benutzt wurde, gibt der Name »Heissessin« oder »Haschischinen«, woraus im Abendland »Assassinen<, wurde. Im Französischen bedeutet »assassin« Mörder. Die gemeinsame Wurzel ist das arabische Wort für Hanf, »Haschisch«. Eine abweichende Meinung vertrat der Pharmakologe Hartwich (1851-1917), der vermutete, dass die Assassinen nicht Hanf, sondern eine Bilsenkrautart benutzten. Denn die Novizen der Assassinen wurden durch die geheimnisvolle Pflanze in völlige Bewusstlosigkeit versetzt. Dies ist aber nicht die Wirkung von Haschisch. der die Menschen berauscht, fröhlich macht und erotische Halluzinationen initiiert. Als Beweis führt Hartwich auch die Erzählungen von 1001 Nacht an, wo streng zwischen Haschisch und Bendsch unterschieden wird, das eine völlige Besinnungslosigkeit herbeiführt. In der medizinischen Literatur der Araber ist Bendsch eine Art Bilsenkraut. Gegen die These Hartwichs wurde eingewandt, dass allein schon der Name Assassinen für Haschisch spreche, das nach den arabischen Quellen eindeutig mit dem Hanf in Verbindung steht.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Interesse an Hanf in Europa durch wissenschaftliche Abhandlungen geweckt, die aus der Feder von Ärzten wie Aubert-Roche,  O’Shaughnessy und Moreau stammen. Besonders die Forschungen des französischen Psychiaters Moreau aus Tours waren sehr folgenreich. Zu seinen Schülern zählte der romantische Schriftsteller Theophile Gautier, der sich von ihm in die Mysterien des Hanfs einweihen ließ. 1844 gründete Gautier in Paris den »Club der Haschischins«, die bei ihren Zusammenkünften in einem vornehmen Pariser Hotel indischen Hanf in Form einer grünlichen Marmelade genossen. Zu den Teilnehmern dieser Sitzungen zählten auch die Schriftsteller Balzac, Gerard de Nerval, Dumas der Ältere und Charles Baudelaire. Ihre Rauscherlebnisse fanden ihren Niederschlag in bedeu­tenden literarischen Werken wie etwa »La pipe d’ Opium« und »Le Club des haschischins«.

 

 

Hanf wird in zwei Formen genossen:

 

1 . Marilmana oder »Gras«; es sind die Blätter, Blüten, Knospen und Zweige der Hanfpflanze. Hierbei gibt es feine Unterschiede. Beim indischen Hanf sind die Spitzen der weiblichen Pflanzen am harzreichsten. Man bezeichnet eine solche Ware auch als »Gunjah«. Wenn die Spitzen mit den abgestreiften Blättern gemischt sind, erhält man das »Bhang«, das einen geringeren Harzgehalt hat.

2.  Haschisch, auch »Charas« genannt, ist das Harz der Hanfpflanze. Um es zu isolieren, gibt es verschiedene Methoden. In Persien reibt man die weibliche Pflanze längere Zeit auf Teppichen und kratzt dann das abgelagerte Harz ab. Oder die Arbeiter gehen mit Lederschnüren durch die Plantagen und kratzen danach das anhaftende Harz ab.

3.  Haschischöl; es wird durch Destillation aus den Hanfblättern gewonnen.

Bei allen drei Formen ist das Rauchen die übliche Form des Genießens. Dabei ist es in einigen Ländern Brauch, den Hanf bzw. das Haschisch mit anderen Stoffen wie Tabak, Kampfer, Ambra, Moschus, Kanthariden und Opium zu vermischen.

Um diese Berauschungsmittel zu essen oder zu trinken, werden die Wirkstoffe mit Milch oder Alkohol ausgezogen und diese Auszüge dann direkt getrunken. Man kann auch die Pflanzenteile mit Wasser unter Zusatz von Butter kochen. Wenn das Wasser verdampft ist, wird der Rückstand mit Zusätzen vermischt, um den Geschmack zu verbessern. Eine marokkanische Spezialität sind die Haschischkekse und -plätzchen (Majoun).

Die Suche nach den psychoaktiven Stoffen des Hanfs bzw. des Haschischs dauerte sehr lange. Man fand über 60 chemisch ähnliche Zusammensetzungen, die man unter dem Namen »Cannabinoide« zusammenfasste. Die wichtigsten Cannabinoide sind Cannabisöl (CBN), Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC), das fast ausschließlich für die psychoaktive Wirkung verantwortlich ist. Die beiden anderen Cannabinoide steigern oder modifizieren seine Wirkung. Über die Beeinflussung des Bewusstseins durch Hanf bzw. Haschisch liegt eine umfangreiche Literatur vor, die über hundertjährige Erfahrungen mit dieser Zauberpflanze berichtet. Eine klassische Darstellung stammt von dem französischen Psychiater Moreau, der den Hanf in die europäische Heilkunde einführte:

»Es ist, als ob die Sonne jeden Gedanken beschiene, der durch das Gehirn zieht, und jede Bewegung des Körpers zu einer Quelle von Lust mache, aber sie bleiben klar und folgen einander ungemein rasch und lebhaft. Der Geist hat an Energie und Kraft gewonnen. Die Grenzen des Raumes und der Zeit hören auf, die Sekunde ist ein Jahrhundert, und mit einem Schritt überschreitet man die Welt. Alles ist voll süßer Düfte und Harmonie, alles erlangt Plastizität und Leben, Bewegung und Sprache, selbst die Töne scheinen sich zu verkörpern, überall erscheinen wundervolle Bilder. Die Symptome setzen in folgender Reihenfolge ein: 1. Glücksgefühl, 2. Zerfahrenheit der Gedankenfolge, 3. Irrtümer in Bezug auf Zeit und Raum, 4. Entwicklung der Überempfind­lichkeit des Gehörs, 5. fixe Ideen, Delirien, 6. unwiderstehliche Impulse, 7. Illusionen und Halluzinationen.«

Auch das sexuelle Empfinden wird im Rausch erheblich gesteigert. Erotische Vorstellungen bestimmen die Visionen, richten sich in der Regel jedoch nur auf einen Partner, für den man auch sonst Sympathie empfindet.

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