Voodoo Der Voodookult eine Religion voller Vorurteile, Rituale, Vielfalt, aber ohne Dogmen.
Ausgearbeitet und niedergeschrieben von Georg Goetiaris nach den Vorlagen und Beschreibungen von Pietro Bandini Erschienen bei der Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
Juli 2013 |
Eine kleine Geschichte des Voodoo
Die heutigen Auffassungen und Bilder vom Voodookult sind überwiegend von Hollywood und deren Medienwerkstätten und stark übertriebene Berichte und Schriften von zahllosen Unwissenden geprägt. Um es genau zu sagen, man hat hier das Bild einer alten Religion und Kultur völlig verzerrt. Wer von Voodoo hört, denkt sofort an seelenlose Körper, Zombies, Puppen welche genadelt werden um anderen zu schaden, sowie an skrupellose Zauberer, die Blutopfer erbringen, Hühner schlachten und andere Menschen durch ihre schwarze Magie in den Tod treiben. Eine Art Satanskult, in dem die Mächte der Finsternis beschworen werden um Unheil zu bringen und arglose Mitmenschen bis ins Grab hinein treiben. Sogenannte Tote, die sich von lebenden Menschenfleisch ernähren. All dies in Verbindung mit Kultanhängern, die in ritueller Trance zu hypnotischen Trommeln bis zur Ohnmacht tanzen, in einer Art von Massenpsychose in welcher sie die dunklen Geister bei Vollmond herbeirufen. Diese Zerrbilder werden zweifellos dadurch begünstigt, dass rituelle Besessenheit im Voodoo tatsächlich eine zentrale Rolle spielt. Hierbei sollen die Voodoogottheiten in den Betreffenden eindringen und von ihm vorüber Besitz ergreifen. Einen solchen Zustand bezeichnet man als Enstase - nicht zu verwechseln mit der Ekstase, bei der sich die Seele auf eine Art von Wanderschaft befindet. Auch den Begriff Besessenheit deutet man in unserer christlichen Welt einzig mit Satan sowie seinen höllischen, dämonischen Heerscharen, womit bewiesen scheint, dass es sich beim Voodoo um einen abscheulichen Teufelskult handelt. Jene Auffassung ist jedoch von der Wahrheit des haitianischen Voodoo sehr weit entfernt. In Wirklichkeit wäre es keine große Übertreibung, wenn man behaupten würde, dass der Voodooismus statt ein Teufels-, sondern eher ein Engelskult sei. Hierzu muss man jedoch bemerken, dass die Engel << Loas, Mysteres, Zanj>> des Voodoo keine Ähnlichkeit mit den beflügelten christlichen Kinderengel, zu denen der Katholizismus die abendländischen Himmelsscharen herabgewürdigt hat. Die Herkunft des haitianischen Voodooismus ist eine, aus den Trümmern, bruchstückhafter Erinnerung an Götter, Gebete und Rituale zusammengesetzte Religion, welche mit den Sklaven aus Dahome, Kongo und / oder Nigeria in die Neue Welt verschleppt wurde. Die erste Schiffsladung traf bereits Anfang des 16. Jahrhunderts an der Küste Haitis ein. Es war, von den bunt zusammengewürfelten Sklaven der verschiedensten Völker und Kulturen von großer Wichtigkeit, dass überwältigende Gefühl der Entwurzelung und des Verlustes von Familien und Angehörigen, durch einen gemeinsamen Glauben zu überwinden und somit zusammenzufinden. Das Paradies des Voodoo, die Sphäre der Götter, Engel und unsterbliche Ahnen, wohin jede Seele nach dem Tod zurückkehrt, ähnelt daher weder dem christlichen Jenseits noch der Hölle Satans, dem die Voodooisten angeblich huldigen. Seine Urbilder sind vielmehr die verlorene Heimat der Verschleppten, bald schon mythisch entrückte afrikanische Königreiche namens >>Dahome<< oder >>Guinee<<. An dieser Stelle geht es um eine erste Annäherung an das Jenseitskonzept des haitianischen Voodooismus und die Beziehungen zwischen den Welten, wie diese Religion sie lehrt und in ihren Riten umzusetzend sucht. Das mythische >>Dahome<< oder >>Guinee<< des Voodoo, hat sich von den realen afrikanischen Landschaften namens Guinea oder Dahome , im heutigen Benin, vollständig abgelöst. Wenn im Voodooismus erklärt wird, dass >>Dahome<< oder >>Guinee<< die Heimat der Götter und Geister sei, so ist allen Beteiligten klar, dass nicht das wirkliche Afrika gemeint ist. Vielmehr beziehen sich diese Anrufungen auf eine mythische Unterwasserwelt, zu der die Voodooisten versuchen, durch rituelle Praktiken in Kontakt zu treten.
Anrufung der Götter Im Zentrum jener Riten steht die Besessenheit. Die so angerufene Gottheit taucht aus der Unterwelt empor und manifestiert sich in der Menschenwelt, indem sie sich in einem Ritualteilnehmer verkörpert. Bevor man sich jedoch jenem Teil des Rituals zuwendet, müssen wir uns darüber klar werden, wie die Voodooisten sich die Kontaktaufnahme zu den Geisteswelten und den Übertritt der angerufenen Götter in unsere Welt vorstellen. Die Götter und Geister selbst sind unsichtbar. Als Gesamtheit nennt man sie daher >> les Invisibles<<, ein Begriff, alle Götter, Gottheiten und Geister, von ganz oben bis zu den Untersten, sowie alle unverkörperten Wesen umfasst. Deren Welt ist uns Menschen verborgen, für unsere Sinne niemals fassbar, jedoch wissen wir, dass diese vorhanden ist. Unsere Menschenwelt, so wie wir diese kennen, wäre ohne diese Sphäre jener unsichtbaren Geister nicht denkbar und könnte nicht bestehen. Dieses stellt sich als Paradox dar und löst sich für die Voodooisten im Symbol der Parallelwelten, des sogenannten >> tiefen Spiegels<< auf, dessen Oberfläche das Bild des Betrachters zurückwirft, darunter sich jedoch die eigentliche, unendliche Welt verbirgt. Das Urbild jenes Phänomens ist das Wasser, der Spiegel des Meeres. So stellen sich die Voodooisten die Welt der Menschen als eine auf der Wasseroberfläche schwimmende Insel vor. Darunter befindet sich, in unmessbarer Tiefe, jene Welt der Götter, Engel und verewigten Ahnen. Hierbei ist besonders auffällig, dass sich in der Bildlogik des Voodoo diese beiden Welten nur an einem einzigen Punkt berühren. Diese Eigenschaft und Vorstellung bestehen aber auch in fast allen anderen Religionen und Kulturen sowie Kulte. Sie alle haben als Symbol hierfür eine gemeinsame Darstellung. Es ist ein gleichschenkliges Kreuz, wobei der horizontale Balken die sterbliche Ebene und der vertikale Balken die Verbindung zwischen dem Himmel <Universum> und der Unterwelt, repräsentiert. Dieses Symbol finden wir in jeder uns bekannten Glaubensrichtung. Auch dessen Sinn und Deutung weicht, wenn überhaupt, nur unwesendlich voneinander ab. Im Voodooismus wird jenes Symbol zu jeder Anrufung als Grundelement zum Anfang aller weiteren Handlungen, vom Voodoopriester auf den Boden gezeichnet. Somit kommt diesem Symbol eine ganz zentrale Rolle zu. Des Weiteren sind nach der Überzeugung des Voodoo, lebende Menschen im gewissen Sinne fleischlich verkörperte Engel. Engel unterschiedlichen Ranges sind die >> Loa << genannten Geister, welche man in den Voodoozeremonien anruft bzw. beschwört. Es gäbe noch eine unendliche Vielfalt über den Voodooismus und dessen Geister und Götter zu berichten, was jedoch den hiesigen Rahmen sprengen würde. Deshalb habe ich von dieser kleine Geschichte über den Glaubenskult des Voodoo berichtet, um die weit verbreitete fälschlichen Ansichten oder vorherrschenden falschen Meinungen zu berichtigen und eine klare Linie in diese Form der Religion, welche sich nicht mehr oder weniger wie von anderen unterscheidet, hineinzubringen. Es gibt, für den wirklich Interessierten, eine Reihe von angemessener Fachliteratur, welche, auch für den Laien, sehr informationsreich wie auch aufklärend ist.
Georg Goetiaris |