Hexenglauben

 

 

 

Zusammengetragen

aus vielerlei verschiedenen

Quellen

und Niedergeschrieben

von

Georg Goetiaris

 

 

 

 

 

Das Hexentum

Die Bezeichnung »Hexe« lässt sich erst 1419 in deutschsprachigen Gerichtstexten nachweisen.5 Glaubte man noch vor 1400 eher an einzelne Zauberer und Zauberinnen, die mithilfe magischer Handlungen Schaden-, aber auch Heilzauber vollbringen konnten, so entwickelte sich im Laufe des 15. Jahrhunderts ein ganz neues Bedrohungsszenario von einer im Geheimen agierenden, Schadenstiftenden Hexensekte. Diese gelehrte 'Erfindung' war Ergebnis einer Symbiose unterschiedlichster Vorstellungen. Hierher gehörten zum einen Geständnisse, die Inquisitoren seit dem 13. Jahrhundert bei Verfahren gegen Katharer und Waldenser erzielt hatten und in denen bereits die Rede von Teufelsanbetungen, nächtlichen orgiastischen Zusammenkünften, Huldigungsritualen an den bösen Geist und Kinderopfern war. Zum anderen flossen auch Elemente antijüdischer Einstellungen und Vorurteile ein in die Imaginationen über die neue Hexen-Ketzersekte, so zum Beispiel die Bezeichnung Sabbat oder Synagoge für den Hexentanz oder die Vorstellung vom Ritualmord an Säuglingen und kleinen Kindern. Theologen wie Augustinus (†430) und Thomas von Aquin (†1274) hatten bereits Theorien über den Teufelspakt entwickelt. Und natürlich gab es den uralten nichtchristlichen Glauben an das Wirken magischer und dämonischer Kräfte, an zauberisches Können, an Schadenzauber, bösen Blick, Tierverwandlung und nächtlichen Flug.

    Der Dominikaner Johannes Nider (†1438) fasste diese Vorstellungen in dem um 1437 entstandenen Formicarius systematisch zusammen. Auf dem Basler Konzil (1431-1437), wo sich die hervorragendsten europäischen Gelehrten und Theologen trafen, konnte die Lehre von einem neuen, bisher unbekannten Verbrechen, nämlich der angeblich um 1375 in der Westschweiz zum ersten Mal nachweisbaren Erzketzerei der Hexen, enorme Breitenwirkung entfalten. Überdies verlieh das neue Medium des Buchdrucks dem Glauben an die geheime Hexensekte, deren Adepten die christliche Gemeinschaft verlassen, Gott abgeschworen und einen auch durch Geschlechtsverkehr mit dem Teufel besiegelten Pakt geschlossen haben sollten, zusätzlichen Auftrieb und sorgte für Verbreitung. Schriften wie der verhängnisvolle Hexenhammer (Malleus maleficarum, 1486/87) des Dominikaners Heinrich Kramer, genannt Institoris6 (†1505), konnten nun in vielen Auflagen in die Klosterbibliotheken, Universitäten, Gerichte, Amtsstuben, aber auch privaten Haushalte Europas wandern und - geschrieben in der universalen Gelehrtensprache Latein - auch problemlos von den gebildeten Kreisen rezitiert werden.    Ein weiteres, eminent wichtiges Medium, über das der neue Hexenglaube besonders auch in die Köpfe einfacherer Menschen Einzug halten konnte, war die Predigt. So wurden etwa frühe Hexenhinrichtungen in Todi und Rom nach 1425 durch gezielte Predigtkampagnen Bernhardins von Siena (†1444) ausgelöst.7 Auch illustrierte Einblattdrucke und Flugschriften (so genannte Unholden-Zeitungen) sorgten für eine breite Zirkulation der Hexereikonstrukte; so erlebten Hexendarstellungen gerade um 1500 einen regelrechten Boom. Als Vermittlerinstanzen wirkten Männer wie der wortgewaltige Prediger Johannes Geiler von Kaysersberg, der 1509 ausführliche Kanzelreden über Formen von Aberglauben, Magievorstellungen und Hexenfurcht hielt und dabei sowohl einschlägige Schriften des Johannes Nider als auch den Malleus Maleficarum und die Hexenpredigten des Tübinger Theologen Martin Plantsch als Autoritäten heranzog.8 Diese Predigten kann Hans Baldung Grien gehört haben, der das so Erfahrene in Hexenbilder umsetzte und damit auch den 1516 erfolgten Druck der Hexenpredigten Geilers illustrierte.

    Als Vermittler der neuen Hexenlehre diente auch der Kanoniker Wilhelm von Bernkastel, Chronist der Eberhardsklausener Marienwunder, der durch die Lektüre des Hexenhammer und des Formicarius ein regelrechtes Erweckungserlebnis erfuhr, lieferten ihm diese Werke doch endlich ein Erklärungsmuster für die Krisen seiner Zeit. Seine neu gewonnene Erkenntnis gab er sicher an die zahlreichen Pilger weiter, die das Kloster während des beginnenden 16. Jahrhunderts besuchten und die Muttergottes um Heilung von Verhexungen anriefen.9

    Während der Glaube an Schadenstiftende Magie und gewiss auch die tatsächliche Ausübung magischer Handlungen als anthropologische Grundkonstanten bezeichnet werden können, die wohl in allen Kulturen nachweisbar sind, musste der Glaube an die gotteslästerlichen Hexen, die ihre Schandtaten nur mit Hilfe des Teufels und in der Negation Gottes vollbringen konnten, erst noch seine Verbreitung in Europa und der Neuen Welt finden. Die fünf Komponenten des so genannten elaborierten Hexereibegriffs (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Teilnahme am Hexensabbat und Schadenzauber) wurden dabei keineswegs gleichförmig rezitiert und anerkannt. Gerade lutherische Theologen zweifelten grundsätzlich an der Existenz eines Hexensabbats; auf den Britischen Inseln wurden Hexen hauptsächlich wegen angeblicher Schadenzauber verurteilt. Das kumulative Konzept von Hexerei wurde eher zögerlich adaptiert; erst im 17. Jahrhundert findet sich die Vorstellung vom Hexensabbat häufiger unter den Hauptanklagepunkten.10 Gerade die Verbreitung, Akzeptanz und Intensität des neuen Hexenglaubens bildete aber eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung massenhafter Verfolgungen.

 

 

 

 

Der Zeitraum

Die Wurzeln des Hexenglaubens reichen weit in die mittelalterliche Zeit zurück. Erste Hexenverfolgungen sind nach 1430 vor allem in den Landstrichen um den Genfer See (Herzogtum Savoyen, Piemont, Dauphiné, die Schweizer Kantone Wallis, Waadtland und Bern) festzustellen. Dabei legitimierten sich theologische Konstrukte über die angeblich existierende Hexensekte und eine Prozesspraxis, in deren Rahmen eifrig nach solchen Verbrechern gegen Gottes Weltordnung geforscht wurde, gegenseitig: Das intensive Suchen und Erfragen 'erschuf' die Hexen gleichsam aus dem Nichts. Harmlose Zaubereibeschimpfungen, wie sie zu allen Zeiten vorgekommen sein mögen, konnten sich nun schnell in ein Hexereiverfahren wandeln und die unter der Folter erpressten Geständnisse bestätigten die Phantasien der inquirierenden Gerichte. Außerdem lieferten die darin geschilderten Wetter- und Schadenzauber eine schlüssige Erklärung für real existierende Krisen und Notzeiten; denn schließlich erlebten die Menschen im 15. Jahrhundert bereits eine erhebliche Klimaverschlechterung, die mit Wetterkatastrophen, Missernten, Teuerung, Unterernährung, Seuchen, Vieh- und Menschensterben verbunden war. Auch die bei den Hinrichtungen öffentlich verlesenen Geständnisse der angeblichen Hexen und Hexenmeister verfestigten das Bedrohungsszenario in den Vorstellungswelten sowohl der Eliten wie der Massen und erhöhten seine Plausibilität.

    Von den ersten Hexenverfolgungen 'infiziert' wurden bald auch die Gebiete am Bodensee und Oberrhein. Hier fanden schon vor 1500 Hunderte von Menschen den Tod. Eine fatale Rolle spielten dabei die Prozesstreibenden Aktivitäten des Inquisitors Heinrich Institoris sowie die Rezeption seines in der Tat frauenfeindlichen Machwerks, des Hexenhammer. Die frühen Hexenverfolgungen am Oberrhein und im Elsass können wahrscheinlich ebenso auf sein Konto gebucht werden wie die fast zeitgleichen Hexenjagden in Lothringen, in der Stadt Metz sowie im Rhein- Mosel-Raum.11 In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts finden sich Verfolgungen in Oberitalien, im Baskenland und in Katalonien, aber auch in Lothringen, Luxemburg und im Deutschen Reich. Nach 1520/1530, möglicherweise infolge der Reformation, fanden die Hexenjagden in Zentraleuropa zunächst ein vorübergehendes Ende.

    Doch um 1560 und erneut in Koinzidenz mit schweren Krisenphänomenen setzten jene massenhaften Hexenverfolgungen ein, die mit großen regionalen Unterschieden und zeitlichen Verschiebungen bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts reichen sollten, wobei ein absoluter Höhepunkt in der Periode zwischen 1580 und 1650 festzustellen ist. Die Hexenverfolgungen sind demnach eindeutig ein Phänomen der Frühen Neuzeit und nur bedingt des Mittelalters.

 

 

 

 

Die Gerichte

Mit besonderer Hartnäckigkeit hält sich das Vorurteil, Hexenprozesse hätten in ihrer großen Masse vor geistlichen Inquisitionsgerichten stattgefunden. Diese Behauptung kann nicht einmal für die Frühzeit der Hexenprozesse zwischen 1430 und 1500 als korrekt gelten; denn bereits hier waren neben Inquisitoren auch weltliche Gerichte an der Verfolgung angeblicher Hexen und Hexenmeister beteiligt. Gerade der schärfste kirchliche Propagandist von Hexenverfolgungen, Heinrich Institoris, erkannte, dass mit der geistlichen Gerichtsbarkeit keine Erfolge bei der Ausrottung der vermeintlich so gefährlichen Hexensekte zu erreichen waren, und er verlangte ausdrücklich, dass sich die weltlichen Gerichte der Städte und Territorien viel intensiver als bisher mit diesem Extremverbrechen beschäftigen müssten. In jenen Ländern, in denen die Verfolgung des Hexereidelikts weitgehend oder ganz in den Händen der kirchlichen Inquisition lag (Spanien, Portugal, Italien), kann man gerade bei den neuzeitlichen Inquisitionsbehörden einen gemäßigten, ja vorsichtigen Umgang mit dem Hexereidelikt feststellen, war es ihnen doch grundsätzlich nicht darum zu tun, Hexen zu verbrennen, sondern diese als Ketzer eingestuften 'Verbrechen dem Schoß der Kirche zurückzuführen. Auch wenn vor diesen Gerichten Hexerei und Magie verhandelt wurden, setzte die Inquisition meist nur sehr gemäßigt die Folter ein und die Verdächtigten erhielten einen Anwalt. Überdies galten Besagungen, d.h. die im Verhör und unter der Folter erpresste Nennung angeblicher Komplizen, nicht als beweiskräftiges Indiz. Todesurteile wurden deshalb nur sehr wenige verhängt, in Portugal zum Beispiel ordnete die Inquisition insgesamt nur drei Hinrichtungen angeblicher Hexen an. In Spanien erließ der Hohe Rat der Inquisition (supremà) 1536 eine Direktive, nach welcher der Hexenhammer nicht als maßgebliche Richtschnur zu gelten habe. Auf Empfehlung des spanischen Inquisitors Don Alonso Salazar Frias beendete die Supremà außerdem die baskischen Hexenjagden (1610-1614), die im französischen Teil des Baskenlandes schon so viele Opfer in weltlichen Hexereiverfahren gefunden hatten. Dieser obrigkeitlichen Vorsicht stand aber eine Bevölkerung gegenüber, die immer wieder auf Prozesse drängte, und das Verhalten lokaler Gerichte, die, wie zum Beispiel in Katalonien, noch bis 1630 illegale Hexenprozesse mit tödlichem Ausgang führten. Auch im Wirkungsbereich der römischen Inquisition ist eine mäßigende Handhabung des Hexenprozesses festzustellen. Im erzkatholischen Irland gab es nur wenige Hexereiverfahren, in Polen hielten sich die Hexenverfolgungen solange in Grenzen, wie das Hexereidelikt noch in den Bereich kirchlicher Jurisdiktion fiel. Erst nachdem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sich verstärkt lokale weltliche Gerichte der Hexenverfolgung angenommen hatten, kam es hier zu intensiven Hexenjagden.14

    Dies darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die auf dem Gebiet der Hexenverfolgung moderate Inquisition auf der anderen Seite Juden, Ketzer und nur zum Schein bekehrte Mauren beziehungsweise Juden unnachsichtig verfolgte und dass ein Großteil der geistigen Brandstifter, der Dämonologen und Prozesstreiber aus dem Lager der katholischen wie auch der reformiert- protestantischen Geistlichkeit stammte. In diesem Umfeld wurde auch jener Hexenstereotyp von der alten, allein stehenden Frau herausgebildet, die als besonders anfällig für die Verführungskünste des Teufels galt.

 

 

 

 

Die Hinrichtungszahlen

Längst widerlegt ist die Annahme, während der großen Hexenverfolgungen seien neun Millionen Menschen verbrannt worden. Vorsichtige Schätzungen gehen inzwischen von europaweit 60.000 Hinrichtungen aus.15 Ganz gewiss lag das Zentrum der Hexenverfolgungen im Deutschen Reich und seinen nur noch formal dazugehörigen beziehungsweise später abgetrennten Gebieten im Westen (die Schweiz sowie die Herzogtümer Lothringen und Luxemburg). Statistisch korrekte Hinrichtungszahlen zu liefern scheitert für viele Verfolgungsräume an der zum Teil schlechten Überlieferung und der häufig noch mangelnden Aufarbeitung der Quellen. Ein sinnvoller Vergleich der absoluten Hinrichtungszahlen muss außerdem die Bevölkerungszahlen der jeweiligen Herrschaftsgebiete Miteinbeziehen. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, nicht nur die Hingerichteten, sondern auch diejenigen als Opfer zu bezeichnen, die lebend aus einem Hexereiverfahren herauskamen, sei es, weil sie die Folter ungeständig überstanden hatten, sei es, weil sie lediglich verbannt und nicht verbrannt wurden. Diese körperlich und seelisch schwer geschädigten Menschen mussten fortan oft abseits der Gesellschaft ohne den Schutz sozialer Bindungen ihr Dasein fristen. Wie die nicht selten zu Krüppeln gefolterten Frauen und Männer in der Fremde ihren Lebensunterhalt verdient haben beziehungsweise ob und wann sie an den Folgen von Haft und Tortur verstorben sind, geben die Quellen kaum jemals wieder.16 Und schließlich kam es oft genug zu Lynchjustiz und illegalen Hinrichtungen von Hexereiverdächtigen oder Freigelassenen. Allein zu Beginn des 17. Jahrhunderts sollen auf diese Weise in den Ardennen 300 Menschen ermordet worden sein.17 Daher können die bislang in der Hexenforschung ermittelten Zahlen lediglich als Richtwerte dienen, die durchaus wieder nach oben oder nach unten korrigiert werden müssen.

    Angesichts der 4.000 Verfahren, die allein im protestantischen Mecklenburg18 geführt wurden, relativiert sich auch etwas das vermeintliche Faktum, katholische Obrigkeiten hätten zumindest im 17. Jahrhundert mehr Verfolgungseifer gezeigt als ihre protestantischen Kollegen. Ein statistischer Überhang der katholischen Verfolgerpartei entstand allein durch die Tatsache, dass die Mehrzahl der 3.000 Herrschaften und Territorien des Deutschen Reiches auch nach Reformation und Religionskriegen die katholische Konfession beibehielt. Immerhin treten besonders die geistlichen Kurfürstentümer Trier (mindestens 1.000 Verfahren), Mainz (circa 2.000 Verfahren) und Köln (über 2.000 Verfahren) mit hohen Verfolgung hervor. Nicht weniger intensiv waren die Hexenjagden in den fränkischen Hochstiften zwischen den Jahren 1626 und 1630 (Bamberg: circa 900 Verbrennungen; Würzburg: circa 1.200 Hinrichtungen). Insgesamt werden mittlerweile für das Deutsche Reich mindestens 25.000 Hinrichtungen angenommen.19 Doch auch in den zwischen Reich und Frankreich liegenden Herzogtümern Lothringen (circa 3.000 Verfahren) und Luxemburg (circa 3.000 Verfahren) sowie in der Schweiz (circa 4.000 Verfahren) gab es während des 16. und 17. Jahrhunderts einen extremen Verfolgungsdrang.20

    Zurückhaltender ging man in den europäischen Peripherien gegen die angeblichen Hexen vor. In ganz Skandinavien wurden insgesamt annähernd 2.000 Menschen hingerichtet (Schweden: 300; Finnland: 115; Norwegen: 350; Dänemark: circa 1.000).21 Zu relativieren sind diese absoluten Zahlen jedoch angesichts der im Vergleich mit Zentraleuropa wesentlich dünneren Besiedlung im Norden Europas. Während in Irland so gut wie keine Hinrichtungen vorkamen, verurteilte man in England etwa 500, in Schottland dagegen rund 1.000 Menschen wegen angeblicher Hexerei zum Tode. Auch hier ist die jeweilige Bevölkerungszahl zu beachten, lebten in England doch viermal so viele Menschen wie in Schottland. Im bevölkerungsreichen Flächenstaat Frankreich, der mit seinen elf Parlamenten bereits über eine starke zentralistische Verwaltungsstruktur und Kontrolle der lokalen Gerichte verfügte, kam es bei einer Einwohnerzahl von rund 20 Millionen zu höchstens 4.000 Hinrichtungen. Auch die Territorien in Osteuropa wurden, wenn auch verspätet, von den Hexenjagden 'infiziert'. Dabei scheint es besonders in Polen zu massenhaften Verfolgungen mit bislang auf etwa 10.000 geschätzten Hinrichtungen im späten 17. und 18. Jahrhundert gekommen zu sein.

 

 

 

 

Die Konfession

Die Konfession der Gerichtsherren spielte für die latente Bereitschaft, Hexenprozesse zuzulassen beziehungsweise zu führen, offenbar nur eine untergeordnete Rolle. Die protestantische Kurpfalz verhinderte grundsätzlich jede Verfolgungstätigkeit, die calvinistischen Generalstaaten oder die lutherischen Reichsstädte Nürnberg und Rothenburg ob der Tauber standen den Hexenjagden eher ablehnend gegenüber. Andere protestantische Gebiete dagegen erlebten scharfe Verfolgungen. Entscheidend für die Häufung von Hexereiverfahren scheint daher weniger die Konfession als vielmehr die herrschaftliche und gerichtsrechtliche Zersplitterung eines Gebietes gewesen zu sein. Kleine und mittlere geistliche Territorien wie die Reichsabtei St. Maximin, die fränkischen Hochstifte (Fulda, Bamberg, Würzburg, Eichstätt) oder die Deutschordenskommende Mergentheim erlebten deshalb ebenso heftige Hexenverfolgungen wie kleinere, die hohe Gerichtsbarkeit beanspruchende weltliche Adels-, Stadt- und Gutsherrschaften in der Schweiz, im Westen des Deutschen Reiches, in Luxemburg, Lothringen, in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Schlesien oder in Polen. Flächenstaaten, in denen lokale Gerichte eingebunden waren in einen von gelehrten Juristen kontrollierten Instanzenzug, erlebten dagegen eher weniger Hexenjagden. Das gilt für das Königreich Frankreich ebenso wie für die Herzogtümer Bayern und Sachsen oder die habsburgischen Stammlande.

 

 

 

 

Die Geschlechterverteilung

Ohne Zweifel sind den europäischen Hexenverfolgungen mehrheitlich Frauen zum Opfer gefallen, wenngleich es Gegenden gab, wo wesentlich mehr Männer als Frauen hingerichtet wurden. So adaptierte man in Island nicht das klassische westeuropäische Hexenstereotyp; zwischen 1604 und 1720 wurden hier 110 Männer, aber nur zehn Frauen wegen Hexereidelikten angeklagt. In Estland und Finnland bezichtigte man ebenfalls weitaus mehr Männer als Frauen der Hexerei. Während des 16. Jahrhunderts findet sich auch im westschweizerischen Waadtland ein Verfolgungsgebiet mit einem hohen Anteil männlicher Angeklagter.26 In einer jüngsten Studie konnte Rolf Schulte eine höchst bemerkenswerte Auffälligkeit bei der Geschlechterverteilung in Hexenprozessen nachweisen. So wurden in katholischen Regionen bis zu 30 Prozent Männer hingerichtet, während in reformier-protestantischen Gebieten und Territorien (wie zum Beispiel Schweden, Dänemark, den Niederlanden, England und Schottland) 80 bis 90 Prozent weibliche Hingerichtete nachzuweisen sind. Schulte bietet dafür eine einleuchtende Erklärung an: Beeinflusst durch die Ketzerinquisition ging das Anfang des 15. Jahrhunderts in der Westschweiz, in Oberitalien und Nordfrankreich entwickelte Hexerei-Konstrukt noch davon aus, dass Männer wie Frauen gleichermaßen am Hexensabbat teilnahmen. Dies hatte direkten Einfluss auf die Prozesspraxis, mussten doch Personen, die in einen Hexenprozess geraten waren, als Mitglieder der angeblichen Hexensekte sowohl männliche wie weibliche Komplizen besagen. Der ganz auf ein weibliches Feindbild fixierte Heinrich Institoris definierte dagegen allein die Frau als Einfallstor des Teufels. Diese frauenfeindliche Zuspitzung wurde jedoch von katholischen Dämonologen des 16. Jahrhunderts wie zum Beispiel vom Trierer Weihbischof Peter Binsfeld (†1598) erstaunlicherweise nicht übernommen; auch er stellte sich den Hexensabbat als ein orgiastisches Treiben zwischen Frauen und Männern vor. Protestantische Theologen dagegen lehnten mehrheitlich die Vorstellung von einem tatsächlich stattfindenden Hexensabbat grundsätzlich ab. Als nicht weniger bedeutsam für die Ausbildung der konfessionellen Unterschiede erwies sich die uneinheitliche Übersetzung der fatalen Bibelstelle Exodus 22 Vers 17 (Vers 18 nach älteren Bibelausgaben). Legitimiert durch das Tridentinum benutzte die katholische Vulgata das männliche Genus (»die Zauberer sollst du nicht leben lassen«), während Luther die aus dem hebräischen Original stammende - grammatikalisch richtige - weibliche Form anwandte. Damit ging für Protestanten als getreue Bibelexegeten die Hexerei grundsätzlich von Frauen aus.

    Wenngleich das von Dämonologen ausgebildete und übrigens auch von Gegnern der Verfolgung (Johann Weyer, Friedrich Spee) adaptierte Hexenstereotyp die arme, alte, verwitwete Frau als angebliche Teufelsbuhlerin in den Vordergrund stellte, wurde dieses Opfermuster jedoch schon bei frühen Verfolgungen wie auch den späteren massenhaften Hexenjagden gegen Ende des 16. und im Laufe des 17. Jahrhunderts immer wieder durchbrochen. Junge, verheiratete Frauen, Kinder, Jugendliche, Männer, Amtsträger und Geistliche gerieten zunehmend in den Hexereiverfahren unter Anklage. Obwohl heute immer noch in unkritischen (Print)medien klischeehaft verbreitet, gehörten jedoch gerade Hebammen nicht zu den bevorzugten Opfern der Hexenjagden.

 

Insgesamt bieten die europäischen Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit ein recht disparates Bild. Es gab keine große, zusammenhängende Verfolgung auf dem Kontinent über den gesamten Zeitraum hinweg; für die einzelnen regionalen, nicht selten endemisch auftretenden, sich oft aber auch epidemisch ausbreitenden Hexenpaniken ist immer eine Vielzahl verschiedener Ursachen verantwortlich. Nicht jede Hungerkrise führte zu Hexenprozessen, bei weitem nicht aus jedem Zaubereiverdacht entwickelte sich eine gerichtsrelevante Anklage wegen Hexerei; nicht jede Anklage wegen Schadenzauber unterstellte auch den Teufelspakt, nicht jedes Hexereiverfahren endete mit einem Todesurteil, und nicht jeder Zaubereiprozess zog automatisch andere Verfahren nach sich, deren Dynamik in Massenhinrichtungen endete.

    Trotz aller zeitlichen und regionalen Unterschiede lassen sich jedoch mehrere gemeinsame Faktoren herausarbeiten, die in Europa intensive Hexenjagden auslösen konnten; in den einzelnen Verfolgungsgebieten mussten sie nicht immer vollzählig, nicht immer gleichzeitig und auch nicht immer in gleicher Intensität auftreten.

 

 

 

 

Die Krisenszenarien

Grundsätzlich muss für die Jahrhunderte zwischen 1400 und 1700 von einer intensiven Umbruchs- und Krisenzeit ausgegangen werden. Die bereits erwähnte, gern als 'Kleine Eiszeit' bezeichnete Klimaverschlechterung bedingte langfristige Preissteigerungen. In vielen Regionen, wie zum Beispiel in Bayern, Kurtrier und Schleswig-Holstein, fielen Perioden extremer Teuerung mit Perioden extremer Hexenjagden zusammen.30 Dieser besonders von Behringer betonte Faktor wurde verstärkt durch die bekannten anderen Kri senphänomene wie Pestilenz, andere Seuchen und Kriege. Hinzu kam eine tiefgehende Verunsicherung durch Reformation und Gegenreformation, die ihrerseits jeweils stärkere Disziplinierungsversuche bei Landesherren und Kirchen auslösten. In diesem Zusammenhang spricht Behringer von einer allgemeinen 'Verdüsterung des Weltbildes'. So wurde Heinrich Institoris wohl sicher von apokalyptischen Ängsten vor dem nahen Ende der Welt getrieben und propagierte daher einen mit den Kohorten des Bösen, mit den Hexen, auszufechtenden Endkampf. Auch die Dämonologen des 16. und 17. Jahrhunderts beschworen immer wieder existentielle Ängste herauf. Dass die in gelehrten Kreisen verbreitete Vorstellung auch einfache Menschen erfasste, belegen die Worte eines moselländischen Winzers, der Ende des 16. Jahrhunderts seine Verzweiflung in einen schlichten Satz fasste: »Gott ist tot und der Teufel ist jetzt Meister!«31

 

 

 

 

Die Diskurs- und Verbreitungswege von Hexenangst und dämonologischer 'Ideologie'

Vor dem Hintergrund allgemeiner Ressourcenverknappung, Existenznot und religiöser Verunsicherung konnte der Glaube an und die Furcht vor den heimlichen Machenschaften einer vermeintlich weit verbreiteten Hexensekte auf fruchtbaren Boden fallen. Ein einfacher und unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Krisenphänomenen und Hexenverfolgungen ist jedoch nicht herzustellen, vielmehr ist ein latentes Klima von Angst, Missgunst, Neid, Habgier und Existenzangst anzunehmen. Damit der neue Hexenglaube breite Akzeptanz finden konnte, bedurfte es der bereits erwähnten Kommunikationskanäle von Predigt und Buchdruck. So wurden in der Stadt Trier die Verfolgungswünsche der Bevölkerung Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder von Predigten der Jesuiten angeheizt.32 Auch die große baskische Hexenjagd Anfang des 17. Jahrhunderts wurde erst durch entsprechende Predigten initiiert. Der Verfolgungskritiker Salazar fasste dies scharfsinnig so zusammen: "Es gab dort weder Hexen noch Verhexte, bevor darüber geredet und geschrieben wurde."

    Waren die ersten Hexenprozesse in Gang gekommen, meist bedingt durch einen einzelnen Schadensfall oder durch verheerende Unwetter und Hagelstürme, die den Hexen angelastet wurden, verbreiteten auch die am Verfahren beteiligten Richter, Hexenkommissare, Hexenausschüsse und Zeugen auf ihren Reisen zu Prozessorten und Verhandlungsterminen die sich immer mehr verfestigenden Hexereivorstellungen.

    Nicht selten waren Hexenjagden in einem Territorium vorbildgebend für Verfolgungswünsche im Nachbargebiet, ohne dass es hier zwingend einen besonderen Schadensfall oder extreme Krisenphänomene gegeben haben musste. Die Siedlungsdichte spielte sicher eine besondere Rolle, verbreiteten sich doch im dünn besiedelten Norden Europas die westeuropäisch geprägten Vorstellungen von Hexerei aufgrund längerer Kommunikationswege wesentlich langsamer als im dicht besiedelten Zentrum. Wahrscheinlich brachten erst die in den 1640er Jahren aus dem Dreißigjährigen Krieg heimkehrenden Soldaten die Vorstellungen von Teufelskult und Hexensabbat nach Schweden. Andererseits lösten die großen schwedischen Verfolgungen 1668-1676 auch in dem unter schwedischer Verwaltung stehenden Finnland und dort besonders unter der Schwedisch sprechenden Bevölkerung Hexenjagden aus. In Finnland, das als letztes der skandinavischen Länder von der Hexenverfolgung erfasst wurde, tauchte der elaborierte Hexereibegriff erst in den 1660er Jahren auf. Der verantwortliche Richter Nils Psilander hatte das von deutschen Vorstellungen geprägte Hexereidelikt in der baltischen Universität Turku kennen gelernt. Auch auf die polnischen Hexenverfolgungen, die überwiegend im Westen des Landes stattfanden, nahm die deutsche Auffassung des Hexereidelikts und seiner exemplarischen Bestrafung - wenn auch zeitlich verzögert - entscheidenden Einfluss.

    Generell darf in diesem Kontext die Multiplikator- Rolle der Universitäten, an denen ganze Generationen von Juristen und Rechtsgelehrten ausgebildet wurden, die als Gutachter, Schöffen und Richter später mit Hexereiverfahren befasst waren, nicht unterschätzt werden. Diese Spezialisten in Sachen Hexenprozess konnten ihre Dienste in mehreren Territorien oder Regionen ausüben und damit entscheidend Beginn, Fortgang und Ende der Verfahren bestimmen.

 

 

 

 

Das Verfolgungsbegehren der Bevölkerung

 

Die Initiative zur Einleitung von Hexenprozessen ging in der Regel von einer durch Krisen und Anti- Hexen-Propaganda sensibilisierten Bevölkerung aus. Hexenjagden wurden selten von der Obrigkeit gegen den Willen und ohne Mitarbeit der Untertanen durchgeführt: Hexereiverfahren benötigten die belastenden Aussagen der angeblich durch Zauberei geschädigten Personen sowie Denunzianten und Zeugen, die den vermeintlichen schlechten Ruf der Angeklagten und ihr verdächtiges Verhalten bestätigten. Der Verfolgungswunsch 'von unten' konnte unterschiedlich intensive Formen annehmen. So sind für weite Teile des Deutschen Reiches und für das Herzogtum Luxemburg so genannte Hexenausschüsse belegt, das heißt von den Gemeinden berufene Gremien mit dem expli ziten Auftrag, gegen verdächtigte Personen Indizien und belastendes Material zu sammeln, um sie wegen Hexerei vor einem Gericht anklagen zu können.35 In anderen Teilen des Reiches, etwa in Schleswig-Holstein, kam es zu regelrechten Bürgerinitiativen, in denen die Gemeinde in erstaunlicher Geschlossenheit Prozesse gegen der Hexerei verdächtige Personen forderte. Zwar sind Hexenausschüsse in anderen europäischen Ländern nicht nachweisbar, doch konnte auch dort die an die Obrigkeit gerichtete Forderung, endlich Hexenprozesse zu führen, um die angeblichen Verursacher von Unwetter, Krankheiten und Missernten auszurotten, jenseits friedlicher Petitionen durchaus an Aufruhr grenzende Ausmaße annehmen. So drohten 1661 schottische Bauern dem Earl of Haddington, sein Land zu verlassen, wenn er die von ihnen als Hexen beschuldigten Frauen nicht vor Gericht stelle. Ähnlich drängten 1669 im schwedischen Mora Eltern von vermeintlich verhexten Kindern auf Prozesse. Einzelne Anklagen wegen Schadenzauber mussten aber nicht zwingend zu einer Prozesskette führen. Damit sich das Verfolgungsbegehren von 'unten' zu massenhaften Verfolgungen auswachsen konnte, bedurfte es zumindest einer weiteren Komponente.

 

Die Verfolgungsbereitschaft der Obrigkeit

 

Nur wenn die Obrigkeit bereit war, ihren gesamten Justizapparat in den Dienst der Verfolgungen zu stellen, konnten Serien von Hexenprozessen geführt werden, das heißt Fürsten, landesherrliche Regierungen und über Hochgerichtsrechte verfügende Stadträte mussten Hexenjagden zumindest dulden. Dort, wo Obrigkeiten die Verfolgungswünsche der Bevölkerung konsequent unterdrückt und kontrolliert haben, wie zum Beispiel in der Kurpfalz, fanden auch keine Hexenprozesse statt. Bis auf wenige Ausnahmen wurde das Hexereidelikt vor weltlichen Gerichten abgehandelt, doch nicht alle europäischen Länder hatten sich das auf dem Römischen Recht fußende inquisitorische Verfahren mit seiner Zulassung der Folter angeeignet. Auf den Britischen Inseln wurden Hexenprozesse noch rein nach Gewohnheitsrecht vor Geschworenengerichten geführt, die Folter kam nur selten und dann im Grunde illegal zur Anwendung. Hier liegen wichtige Gründe, warum gerade in England nur vergleichsweise wenige Menschen hingerichtet worden sind. Auch in Schottland agierten Geschworenengerichte, doch hier musste der Urteilsspruch nicht einstimmig gefällt werden und überdies war die zentrale Kontrolle der lokalen Gerichte durch staatliche In stanzen geringer. Deshalb wurde hier die Folter häufiger eingesetzt, bezeichnenderweise erst, nachdem die Vorstellung vom Hexensabbat in den Geständnissen aufgetaucht war. Zudem verlangte das englische Gesetz (1542) für Ersttäter keine Todesstrafe, während ein schottischer Erlass (1563) sie für alle der angeblichen Hexerei überführten Personen forderte.

    Nicht nur in Schottland bestand ein enger Konnex zwischen der Hexensabbatimagination, den durch die Folter erzwungenen Komplizennennungen (Besagungen) und den massenhaften Prozessen: Wenn die des Hexereidelikts Angeklagten neben dem gütlichen Verhör ohne körperliche Zwangsmittel auch der Tortur ausgesetzt wurden, mussten sie nun nicht nur ein Geständnis ihrer vermeintlichen Zaubertaten ablegen, sondern auch ihre Mitverschwörer nennen, die sie, wie man glaubte, ja beim gemeinsamen Hexentanz gesehen haben mussten. Besonders in einigen Teilen des Deutschen Reiches legte man großen Wert auf die Besagung angeblicher Komplizen, wurden sie doch als Ausgangspunkte für weitere Prozesse genutzt. Dabei galten diese abgepressten Bezichtigungen als beweisrechtliche Indizien, deren Schwere sich mit der Zahl der Besagungen, die sich gegen eine bestimmte Person richteten, erhöhte. Der Theoretiker der kurtrierischen Verfolgung Peter Binsfeld, dessen eiferndes damit auch in großen Teilen des Herzogtums Luxemburg), in Kurköln und bis nach Bayern rezipiert wurde, sprach sogar einer einzigen Besagung durch eine geständige Hexe oder einen geständigen Hexenmeister entscheidenden Verdachtsleitenden Wert zu. Seiner Ansicht nach konnte ein solcherart diffamierter Mensch schon unter Hexereiverdacht vor Gericht gebracht werden.

    Obwohl es auch in den fränkischen Hochstiften Hinweise auf Verfolgungsbegehren von unten gibt, sind die dortigen massenhaften Verfolgungen eher Beispiele für von der Obrigkeit angezettelte, gebilligte und geförderte Hexenjagden. Auch hier wurde den Besagungen vermeintlicher Komplizen große Bedeutung beigelegt.

 

Die Hexenjäger

 

Hexenprozesse konnten ohne eine große Anzahl von Spezialisten nicht durchgeführt werden. Dazu gehörten Rechtsgelehrte und Richter, Schreiber und Notare, aber auch Büttel und Henker. Bei allen großen europäischen Verfolgungen finden sich in diesem Bereich herausragende Förderer und Nutznießer der Hexenprozesse. So sind die burgundischen Hexenjagden eng mit dem Namen des Richters Henri Bouget (†1619), die baskischen Hexenprozesse mit dem seines Kolle gen Pierre de Lancre († circa 1630), die Verfolgungen im Herzogtum Lothringen mit dem Generalprokurator Nicolas Remy (†1612) verknüpft. Zwischen 1645 und 1647 wurden in Ostengland Verfahren durch den ambitionierten Hexenfinder Matthew Hopkins († vermutlich 1647) vorangetrieben, isländische Hexenprozesse nach 1650 fanden unter der Leitung Sheriff Iporleifur Kortsson statt. Die Hinrichtungsrate im Hochstift Bamberg wäre ohne den fatalen Einfluss des Weihbischofs und Dämonologen Friedrich Förner (†1630) sicher weniger hoch ausgefallen. Verhängnisvolle Rollen spielten 1626 der Hexenkommissar Berend Nobis in Schleswig, sein Kollege Heinrich von Schultheiß (†1646) in den kurkölnischen Verfahren, der Hexenrichter Balthasar Nuss (oder Ross) (†1618) in der Fürstabtei Fulda und der Jurist Daniel Hauff (†1666) in Esslingen. Sie gaben sich als überzeugte Kämpfer gegen die auszurottende Hexensekte und sie zeigten kein Erbarmen mit ihren Opfern. Zusätzlich getrieben wurden sie von ausgeprägtem Sendungsbewusstsein, Geltungssucht und dem Drang, ihre in Hexenprozessen gemachten Erfahrungen publizistisch zu verbreiten und im Nachhinein zu legitimieren. So veröffentlichten Nicolas Remy 1591 seinen Bericht über die lothringischen Verfolgungen (Daemonolatria; Vom Teufelskult) und Henri Bouget 1602 seine Abhandlung über die Hexen (Discours des Sorciers). Ihnen folgte 1612 Pierre de Lancre mit einer Schrift über die Unbeständigkeit der bösen Engel und Dämonen (Tableau de l'inconstance des mauvais anges et démons). Friedrich Förner verfasste in den 1620er Jahre eine Sammlung mit Hexenpredigten für jeden Tag des Jahres, und Heinrich von Schultheiß bemühte 1634 die Buchdrucker mit seiner Anleitung, wie ein richtiger Hexenprozess zu führen sei. Die unzähligen Gerichtspersonen, Gutachter, Kommissare und Notare erlangten durch ihre Beschäftigung in Hexenprozessen oft eine bemerkenswerte soziale Machtstellung, die manchmal, wenngleich nicht immer, auch mit finanziellen Vorteilen verknüpft war. Bekanntlich spielte aber die Erlangung von sozialem Kapital eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie der wirtschaftliche Zugewinn. Schon die Zeitgenossen haben diesen mittlerweile gern als Überzeugungstäter bezeichneten Männern Blutdurst und Profitgier vorgeworfen. Ihr heute kaum mehr begreifbares Verhalten blieb meist ungesühnt; nur einige von ihnen fanden ein unrühmliches Ende. So fiel Daniel Hauff wohl einem Mordanschlag zum Opfer und Balthasar Nuss (oder Ross) starb unter dem Henkersschwert. Einige Hexenrichter wurden sogar selbst der Hexerei angeklagt.

 

 

 

 

Die Herrschaftsdemonstration

Im Kontext der Herrschaftspraxis beeinflusste die Handhabung von Gerichtsrechten maßgeblich den Fortgang der Verfolgungen. Mit der gebotenen Intensität befasst sich deshalb die aktuelle Forschung mit Fragen nach dem in den einzelnen Hochgerichten und Verwaltungseinheiten jeweils vorherrschenden Gerichtssystem, nach der Verfahrenspraxis, dem vorgeschriebenen Instanzenweg, der Anbindung an übergeordnete Gerichte und nach dem Wirkungsbereich bestimmter Rechtskodifikationen. Schon Brian P. Levack betonte, dass gerade in Ländern, wo eine ausgeprägte zentrale Kontrolle die Willkür lokaler Gerichte bremste, Hexenverfolgungen keine massenhaften Ausmaße annehmen konnten. Bestes Beispiel dafür ist das Königreich Frankreich. So trug die Spruchpraxis des 1633 im eroberten Teil Lothringens eingerichteten parlement de Metz maßgeblich zum Ende der lothringischen Verfolgungen bei. Mit der Kontrolle über die Hexereiverfahren und der langsamen Entmachtung der lokalen Gerichtsgewohnheiten verfolgte diese Instanz aber auch ganz dezidiert das Ziel, Lothringen in den französischen Staat einzugliedern. In einem ähnlichen Kontext steht die von Ludwig XIV. 1669/70 durchgeführte Begnadigung von zwölf verurteilte Hexen aus Rouen, weil der französische König unter anderem die Autonomie der lokalen Gerichtsbarkeiten beschneiden wollte. Zwölf Jahre später verbot er generell die Führung von Hexenprozessen.

    Wie bereits festgestellt, gab es schwere Hexenverfolgungen auffallend häufig in kleinen und mittleren Herrschaften und Territorien, wobei sich zum Teil hermetisch abgeschlossene Verfolgungsmilieus bildeten. Hier waren die persönlichen Kontakte zwischen Gerichtsherren, Amtleuten, Schöffen und Einwohnern groß und die Kommunikationswege kurz, was die Verbreitung von Hexereigerüchten und -denunziationen in fataler Weise förderte. Manchmal fühlte sich der Gerichtsherr selbst als Opfer von Schadenzauber und saß dann gleichzeitig als Zeuge, Geschädigter, Inquirierender und Richter über die Verdächtigten zu Gericht. Überdies waren die meist mit Männern ohne juristische Ausbildung besetzten Schöffengremien abhängig von seiner Willkür.

    Noch ein zweiter Aspekt scheint besonders kleine geistliche und weltliche Herrschaften zu Zentren der Hexenjagd gemacht zu haben. Gerade beim Ausbau von Territorien und Landesherrschaften beziehungsweise der Ausbildung frühmoderner Staatlichkeit kam es darauf an, die hohe Jurisdiktion und damit die Kontrolle der Strafjustiz in landeshoheitliche Hand zu bekommen. Dem standen die vielen kleinen selbständigen Herrschaften entgegen, die umso mehr auf ihren 'alten' Blut- und Hochgerichtskompetenzen beharrten, je mehr ihre Autonomie angefochten wurde. In solchen herrschaftlich-politischen Spannungs- und Konfliktsituationen konnten Hexenprozesse eine besonders exponierte Rolle einnehmen: Sie wurden genutzt, funktionalisiert, sogar absichtlich inszeniert. Offensichtlich dienten bereits die frühen Hexenprozesse, die im Luzerner Landgebiet, im Baselbiet, im Valle de Leventina, um Fribourg und im Waadtland geführt wurden, administrativen-politischen Zwecken wie der Durchsetzung, Sicherung und Demonstration von Herrschaftsansprüchen. Ähnliche Strukturen sind ebenfalls in Schlesien, Mecklenburg oder Schleswig- Holstein zu finden, wo sich gerade in den Gutsherrschaften auffallend häufig Hexenjagden nachweisen lassen. Anhand der Hexenverfolgungen im Fürstbistum Münster konnte gezeigt werden, dass Prozesse von adeligen Herrschaftsträgern im Sinne egoistischen Machtstrebens instrumentalisiert und absichtlich inszeniert wurden. Auch in dem von herrschaftlicher und gerichtsrechtlicher Pluralität gekennzeichneten Rhein-Maas-Mosel-Raum scheint es zu einer engen Verquickung von demonstrativer, auf Legitimation ausgelegter Herrschaftspraxis und hierfür nutzbarer Kriminal- beziehungsweise Hexenjustiz gekommen zu sein. Die Instrumentalisierbarkeit von Hexereiverdacht, Denunziation und Hexenprozess zumindest auf der Ebene persönlicher Vorteilnahme und zur Wahrnehmung sozialer Chancen muss als ein Katalysator neben vielen anderen Faktoren für massenhafte Verfolgungen angenommen werden. Doch zusätzlich gibt es nach neuesten Forschungen starke Indizien dafür, solche Motivationen auch auf der herrschaftlich-politischen Ebene zu vermuten.

 Neben dem manchmal schwer erklärbaren Umstand, dass es in bestimmten Regionen zu massenhaften Verfolgungen kam, während gleichzeitig in anderen Gebieten kaum oder (noch) keine Prozesse stattfanden, muss auch das Faktum erwähnt werden, dass es zu allen Zeiten kritische und besonnene Stimmen aus allen konfessionellen Lagern und aus allen Bevölkerungsschichten gegen den Hexenglauben und gegen die Hexenjagden gegeben hat. Allerdings wurden diese Stimmen mit zunehmender Verfolgungstätigkeit immer leiser und scheuten nicht selten eine schriftliche Aufzeichnung, denn sich gegen den Strom zu stellen, war höchst riskant.

    Überdies lag das durch obrigkeitliche Zensur kontrollierte Veröffentlichungsmonopol meist in den Händen der Verfolgungsbefürworter. Die Masse der überlieferten Prozessakten, Rechnungen, dämonologischen Traktate und Predigten repräsentiert deshalb die offiziell sanktionierte, Meinungsdominierende Hauptrichtung in der Hexereidebatte, die gestützt wurde von obrigkeitlicher Macht und gesichtsloser Öffentlichkeit, von Mitläufern, Prozessgewinnlern und Menschen, die aus Angst um ihr Leben nicht wagen konnten, Hexenjagden zu kritisieren. Um so höher müssen daher die Zeugnisse jener bewertet werden, die mehr oder weniger offen Kritik am Verfolgungseifer übten, zeigen sie doch, dass es stets eine Alternative zu Hexenangst und Prozesswut gegeben hat, dass die Hexenfurcht nicht flächendeckend und nicht mit gleicher Intensität in Europa verbreitet war und dass auch mancher Zeitgenosse schon die unheilvollen Verfolgungsmechanismen durchschaut hat.

    Der sprunghafte Anstieg der Hexenverfolgungen in manchen Gebieten war stets abhängig vom Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren. Nicht weniger vielschichtig fallen die Erklärungsversuche aus, warum gegen Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts immer weniger Hexenprozesse in Europa stattfanden und schließlich ganz zum Stillstand kamen. Freilich bestätigten massenhafte Hexenhinrichtungen nicht nur die Plausibilität des Hexenglaubens, sondern riefen auch Kritiker auf den Plan, die an der Rechtmäßigkeit der Verfahren zu zweifeln begannen und den Mord an Unschuldigen vermuteten. Außerdem produzierten Massenprozesse eine Reihe von Rechtsbrüchen und Skandalen, die manchen zum Umdenken veranlassten und den Abbruch von Prozessserien initiierten. Im Zuge von Aufklärung und religiöser Toleranz wuchs die Skepsis. Auch wenn es bis ins 19. Jahrhundert hinein in einigen Ländern Hexerei als Straftatbestand gab, so führten doch die langsame Abkehr von der Torturpraxis, die Einbindung lokaler Gerichtseinheiten in eine zentralstaatlich organisierte Justiz und schließlich auch dezidierte landeshoheitliche Verbote von Hexenprozessen zu einem Rückgang der Verfahren. Hatte der Trierer Kurfürst 1652 noch verdeckt die Hexereiverfahren in seinem Territorium unterbinden lassen, untersagte sie der französische König offiziell 1682, und auch Maria Theresia konnte 1740 für die habsburgischen Länder faktisch ein solches Verbot durchsetzen. Doch trotz aller kritischen Stimmen unter Theologen, Gelehrten und herrschender Elite blieb der Hexenglaube im einfachen Volk virulent, selbst wenn auch hier Gegner der Verfolgungen zu finden waren und Prozesswünsche 'von unten' allmählich nicht mehr auf einen willfährigen Justizapparat trafen. Einzelne Verfahren wurden noch bis weit hinein ins 18. Jahrhundert geführt; die letzte Hexenhinrichtung auf deutschem Boden ist für das Jahr 1755 bezeichnenderweise in einer kleinen Herrschaft, nämlich in der Fürstabtei Kempten, nachweisbar. Hier wurde zwar 1775 erneut eine Frau als angebliche Hexe zum Tode verurteilt, das Urteil jedoch nicht vollstreckt. Die letzte legale Hinrichtung in Europa fand nach bisherigen Erkenntnissen 1782 im schweizerischen Kanton Glarus statt. Langfristig trugen stabilere wirtschaftliche, politische und soziale Verhältnisse sowie bessere Bildung, medizinische Versorgung und staatliche Armenfürsorge dazu bei, nicht unbedingt dem Hexenglauben, aber der konkret gegen den Nachbarn gerichteten Furcht vor Verhexung und Schadenzauber den Nährboden zu entziehen. An bedrückender Aktualität hat das Phänomen der Hexenprozesse jedoch angesichts der Hexenjagden auf dem afrikanischen Kontinent nichts verloren.

 

 

 

 

Herbert Eiden

Vom Ketzer- zum Hexenprozess. Die Entwicklung geistlicher und weltlicher Rechtsvorstellungen bis zum 17. Jahrhundert Inquisition, Ketzerverfolgung und Hexenprozesse - mit diesen Schlagworten wird gewissermaßen eine zeitliche Abfolge in der Identifizierung und Aburteilung von religiösen oder gesellschaftlichen Dissidenten über einen Zeitraum von einigen hundert Jahren umrissen. Zusammen mit der Zulassung der Folter zur Geständniserzwingung gilt die Ketzerinquisition als prozessrechtliches Fundament für die späteren Hexenprozesse. Tatsächlich ist die Entwicklung jedoch nicht so gradlinig verlaufen, wie es auch der Titel dieses knappen Überblicks suggeriert. Erst die Verschmelzung verschiedener geistes- und rechtsgeschichtlicher Strömungen führte zur Herausbildung eines theologisch und juristisch begründeten Hexereibegriffs, der unmittelbar an den Ketzerbegriff anknüpfte. Die Ketzerinquisition musste aber nicht zwangsläufig im Hexenprozess münden. Welches waren die Knotenpunkte beziehungsweise 'Scharniere', an denen die Entwicklung auch anders hätte verlaufen können? Welche Autoren konnten sich mit ihren Auffassungen durchsetzen?1

    Zunächst gilt es jedoch, zwischen dem kanonischen (geistlichen) Recht und dem weltlichen Recht zu unterscheiden sowie der Frage nachzugehen, wie es zur Ausbildung der Vorstellung von Hexerei kam und worauf sie sich gründete. Geschaffen wurde der Inqui sitionsprozess durch Papst Innozenz III. (†1216) als eine Art Disziplinarverfahren gegen hochrangige Kleriker wie Erzbischöfe, Bischöfe oder Äbte, denen man Amtsmissbrauch, Simonie, Verstoß gegen die Sitten oder Abweichung von der Glaubenslehre (HäresieKetzerei) vorwarf.2 Die bis zu diesem Zeitpunkt angewandten rechtlichen Maßnahmen erschienen dem um eine Reform der Kirche bemühten Innozenz nicht ausreichend. Zur Eröffnung eines Akkusationsprozesses (accusare = anklagen) fehlte vielfach ein Kläger, der bereit war, gegen solche mächtigen Personen aufzutreten. Zudem trug der Kläger in diesem Verfahren die ganze Beweislast und musste im Falle einer Niederlage vor Gericht selbst mit Bestrafung rechnen. Auch der Infamationsprozess (infamia = Ehrlosigkeit) erwies sich zunehmend als ungeeignet. Zwar waren die Kirchenoberen verpflichtet, im Falle eines Gerüchts über den schlechten Ruf eines Klerikers ein Infamationsverfahren von Amts wegen (ex officio) einzuleiten, der Beklagte konnte sich jedoch durch einen Eid, der von einer unterschiedlichen Anzahl von Eideshelfern unterstützt werden musste, von den Vorwürfen reinigen. Dieser unbefriedigenden Situation sollte das von Innozenz III. ausgebildete Inquisitionsverfahren Abhilfe schaffen. Die wesentlichen Merkmale dieses Prozesses waren:

    - Einleitung des Verfahrens von Amts wegen (Offi zialmaxime).

    - Untersuchung (inquisitio) zur Ergründung der materiellen Wahrheit (Instruktionsmaxime); insbesondere der Zeugenbefragung kam das Gewicht eines Beweismittels zu.

    - Beschuldigungen konnten nicht mehr durch einen Reinigungseid ausgeräumt werden.

    - Die Angeklagten verfügten über weitgehende Verteidigungsmöglichkeiten (Bekanntgabe der Anklagepunkte und der Namen der Zeugen, Zulassung von Eingaben).

    Dieses Verfahren, das seine gemeinrechtliche Sanktion durch das 4. Laterankonzil im Jahre 1215 erfuhr, war keine völlige Neuschöpfung. Vielmehr fügte Innozenz III. verschiedene, bereits im römischen Recht und in der von dem Bologneser Mönch Gratian († vermutlich 1150) angelegten kirchlichen Rechtssammlung (Decretum Gratiani, 1140) vorhandene Elemente zusammen beziehungsweise arbeitete sie für seine Zwecke aus. Zwar handelte es sich bei der Inquisition zunächst nur um eine prozessrechtliche Korrektur des unzulänglichen Infamationsverfahrens, aber damit wurde ein Instrumentarium geschaffen, das durch einige entscheidende Änderungen auch gegen andere Feinde der Amtskirche eingesetzt werden konnte: die Ketzer.

    Seit der Entstehung des Christentums vertraten Einzelne oder Gruppen immer wieder Positionen, die von der anerkannten Glaubenslehre abwichen. Mit der Übernahme als Staatsreligion im Römischen Reich erhielt die Bekämpfung der Häresie eine andere Qualität. Ein Vergehen gegen den Glauben war zugleich ein Vergehen gegen die kaiserliche Majestät und damit gegen den Staat; es wurde mit Verbannung, Infamie, Konfiskation und in schweren Fällen auch mit dem Tod geahndet. Gerade die Rezeption dieses Gedankens sollte infolge des vermehrten Auftretens häretischer Gruppen seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielen.

    Im Mittelalter lag die Verfolgung von Ketzern lange Zeit in den Händen bischöflicher Sendgerichte; der Reinigungseid oder bei Laien auch das Ordal (Gottesurteil) blieben bis zum 4. Laterankonzil anerkannte Mittel, um sich vom Vorwurf der Häresie zu reinigen. Die weltlichen Fürsten zeigten zunächst kaum Interesse, sich an einer Verfolgung der Ketzer zu beteiligen. Dies änderte sich erst im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts. Das 3. Laterankonzil (1179) unter Papst Lucius III. (†1185) erteilte der weltlichen Macht die Erlaubnis zur Konfiskation von Ketzerbesitz. Kurz danach, im Jahre 1184, kam es in Verona zu einem Zusammengehen zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (†1190) und Lucius III. in der nun als vordringliche Gemeinschaftsaufgabe angesehenen Bekämpfung der Häretiker. Zwar ist von den dort beschlossenen Gesetzen die kaiserliche Order (constitutio) nicht mehr erhalten, wohl aber das päpstliche Gegenstück, das Dekretale Ad abolendam. Darin wurden die Bischöfe zu regelmäßigen Visitationen und Befragungen in den Gemeinden verpflichtet, um Ketzer ausfindig zu machen und abzuurteilen. Kamen sie dieser Aufgabe nicht nach, mussten sie mit einer dreijährigen Amtsenthebung rechnen.

    Innozenz III. hielt im wesentlichen an dieser Methode der Ketzerverfolgung fest, fügte aber dem Delikt der Häresie neue Aspekte hinzu, die sich einige Jahrzehnte später so verheerend auswirken sollten. So bezeichnete er in seiner Dekretale Vergentis (1200) Ketzerei als crimen laesae majestatis divinae (Verbrechen gegen die göttliche Majestät). Doch erst einige Jahre nach Innozenz' Tod (†1216) und nach Beendigung des von ihm angeregten Ketzerkreuzzuges im Süden Frankreichs (1209-1229) kam es zur Ausbildung der Ketzerinquisition als Sonderform des Inquisitionsprozesses. Eine entscheidende Etappe in dieser Entwicklung ist das erste Auftreten von Inquisitoren, von 'Sonderermittlern', die mit besonderen päpstlichen Vollmachten ausgestattet waren. In der Literatur lässt man diese Phase mit dem Jahr 1231 beginnen, als Konrad von Marburg (†1233) für Deutschland3 und Robert le Bougre († vor 1263) für Frankreich zu Ketzerrichtern ernannt wurden, deren einzige Aufgabe im Aufspüren und in der Aburteilung von Häretikern bestand. Allerdings stießen ihre, meist in Konkurrenz zur bischöflichen Gerichtsbarkeit stehenden Nachforschungen noch auf Widerstand in den Diözesen. Konrad wurde im Juli 1233 in der Nähe seines Heimatortes von aufgebrachten Rittern erschlagen, während Robert nach heftigen Vorwürfen gegen seine Willkürjustiz zu lebenslanger Klosterhaft verurteilt worden war. Diese ersten Inquisitoren hatten noch nicht die Befugnisse und prozessualen Mittel, wie sie einige Jahre später im so genannten summarischen Verfahren ('kurzer Prozess') zur Verfügung standen. Dazu bedurfte es noch der Aufbereitung durch geistliche und weltliche Rechtsgelehrte.

    Bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert finden sich für Bereiche der iberischen Halbinsel weltliche Bestimmungen zur Ketzerverfolgung. So erklärte König Alfons II. von Aragón (†1196) im Jahre 1194 Häretiker zu Feinden des Volkes und des Staates. Sie seien als Hochverräter Majestätsverbrecher (crimen laesae majestatis) und daher unter Konfiskation ihrer Güter des Landes zu verweisen. Drei Jahre später verschärfte Alfons' Sohn, Peter II. (†1213), diesen Erlass. Um die Bevölkerung zur Mithilfe bei der Verfolgung zu animieren, versprach er Denunzianten ein Drittel des Ketzerbesitzes. Vor allem aber führte er die Strafe des Feuertods (Corpora eorum ignibus crementur) für verurteilte Häretiker ein. Damit erfüllte erstmals ein Herrscher die Forderung der Kirche, die selbst kein Blut vergießen durfte, nach der Bestrafung der Ketzer durch den weltlichen Arm. Ein direkter Bezug zwischen diesen Edikten und der Dekretale Vergentis lässt sich zwar ebenso wenig nachweisen wie eine Rezeption durch kaiserliche Rechtsgelehrte, erscheint aber angesichts der weiteren Entwicklung als sehr wahrscheinlich.4

    In den kaiserlichen Ketzergesetzen von 1219/1220 wurde dann erstmals auf Reichsgebiet die Häresie zum Majestätsverbrechen erklärt und die Verbrennung als Strafe festgesetzt. Friedrich II. (†1250) nutzte diese Bestimmungen zunächst, um gegen aufsässige oberitalienische Kommunen vorzugehen. Deren Widerstand bezeichnete er in der Constitutio contra haereticos Lombardiae (Gesetz gegen die Häretiker der Lombardei, 1224) kurzerhand als häretisch motiviert. Damit vergingen sie sich gegen ihn, den Kaiser, und gegen Gott. Da bei Schwerverbrechen, zu denen Hochverrat zweifellos zählte, schon das antike römische Recht die Folter erlaubte, fand dieses fatale Mittel der Beweiserhebung Eingang in die Ketzerverfolgung. In der von Friedrich II. initiierten, umfassenden Gesetzgebung für das Königreich Sizilien (Konstitutionen von Melfi, 1231) flossen alle bis dahin im Rahmen der Ketzerverfolgung ausgearbeiteten Rechtspositionen zusammen: Das Dekretale Vergentis von Innozenz III. wurde wörtlich übernommen, Majestätsverbrechen mit Verbrechen gegen die göttliche Majestät gleichgesetzt, die Folter als Mittel der Wahrheitsfindung erlaubt und der Feuertod als Strafe festgeschrieben. Ein Jahr später erlangten diese Regelungen im gesamten Gebiet des mittelalterlichen Deutschen Reiches Geltung.

    Auch in der Kanonistik kam es zu einer Vereinheitlichung der Rechtsentwicklung des weltlichen und des geistlichen Bereiches. 1234 ließ Papst Gregor IX. (†1241) die kaiserlichen Ketzergesetze in seine Dekretalensammlung aufnehmen. Damit wurde die Todesstrafe für Ketzer auch kirchlich sanktioniert. Zudem übernahm er den von Innozenz III. aufbereiteten Inquisitionsprozess, führte ihn aber unter den Ausnahmeverfahren (processus extraordinarius) an. Ausnahmeverfahren erlaubten außergewöhnliche Mittel. Diese wurden dann schließlich mit der Bulle des Papstes Innozenz IV. (†1254) Ad extirpanda (1252) festgeschrieben:

    - Einleitung des Verfahrens von Amts wegen durch besonders bevollmächtigte Inquisitoren.

    - Zur Verfahrenseinleitung war eine einfache Denunziation ausreichend; durch Unterlassung einer Anzeige machte man sich selbst strafbar.    - Als Ankläger und Zeugen waren alle Personen zugelassen, also auch solche, die in einem 'normalen' Verfahren keine Rechtsfähigkeit besaßen (Frauen und Kinder sowie Kriminelle, Ehrlose, Komplizen, Unfreie etc.).

    - Zulassung der Folter als Beweismittel zur Geständniserzwingung.

    - Verurteilung war auf bloßen Verdacht hin möglich.

    - Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten (Namen der Zeugen durften geheim bleiben; der Richter brauchte Advokaten nicht zuzulassen; zudem konnten die Advokaten durch ihre Tätigkeit selbst in den Verdacht geraten, Ketzer zu unterstützen).

    - So genannte relapsi (ursprünglich vom Häresieverdacht gereinigte, aber rückfällige Ketzer) waren unverzüglich der weltlichen Gerichtsbarkeit zur Exekution zu überantworten.

    Zwar betonte Innozenz IV., dass Wiedergutmachung eines Schadens, Sühne und Buße Vorrang vor Strafe habe, aber angesichts der als existentielle Bedrohung empfundenen häretischen Bewegungen zielte die Ketzerinquisition eindeutig auf die Vernichtung dieser Menschen. Die Verfolgung von Ketzern oblag also in erster Linie der Kirche, die Prozesse wurden vor gestreckung des Urteils fiel dem weltlichen Arm zu; durchaus anders verlief die sich im Spätmittelalter entwickelnde Hexenverfolgung.

    Wie kam es zur Ausbildung der Vorstellung von Hexerei und worauf gründete sie sich? Weder die Bibel noch die Römer kannten den Begriff der Hexe oder des Hexenmeisters. Allerdings war der Glaube an Zauberer und die Wirkung magischer Handlungen offenbar in allen Kulturen und zu allen Zeiten vorhanden. Bereits im Zwölftafelgesetz, den ältesten römisch-rechtlichen Strafbestimmungen, finden sich Verbote von Schadenzauber und Zauberflüchen. Verstarben Menschen infolge von Zauberei, so stand darauf der Tod; konnte eine Schädigungsabsicht nicht nachgewiesen werden, sollten die Täter weniger hart (ohne, dass dies näher spezifiziert war) bestraft werden. Nach einer kaiserlichen Verordnung aus der Zeit Konstantins des Großen (†337) waren Schadenzauber sowie Erweckung sexueller Begierden mit Hilfe von Zauberei ebenfalls mit der Todesstrafe zu ahnden, während die Anwendung magischer Heilmittel als durchaus nützlich angesehen wurde. Kaiser Constantius führte dann 357 generell die Exekution durch das Schwert für alle zauberischen Praktiken und für Wahrsagerei ein. In den Quellen werden Zauberer und Wahrsager meist allgemein als malefici (male facere = Böses tun) bezeichnet.

Rechtssammlungen des Mittelalters, die eine Komposition (Schadensausgleich durch Sühnegeld) und in Fällen von Nichtleistung des Ausgleichs den Feuertod vorsahen. Für die Hinrichtung von Zauberern und Zauberinnen, mitunter auch für Fälle von Lynchjustiz, gibt es das gesamte Mittelalter hindurch einzelne Beispiele. Aber die Verurteilung erfolgte nur wegen Schadenzauber. Dämonen spielten in der magischen Volkskultur des Mittelalters zunächst offenbar keine Rolle. Damit aus einer »Zauberin« eine »Hexe« wurden, bedurfte es noch der Durchsetzung der Positionen einflussreicher geistlicher Autoren.

    Mit der immer wieder zitierten Schlüsselstelle aus dem Bundesbuch im Alten Testament »Eine Zauberin sollst Du nicht leben lassen« (Exodus 22, 17) - so die korrekte Übersetzung des hebräischen Originals5 - erhielt die Verfolgung solcher Menschen gewissermaßen göttliche Autorität und Auftrag. Gemeint waren hier Personen, die heidnische Praktiken betrieben wie Astrologie, Totenbeschwörung und Magie, um deren Bekämpfung sich das Christentum von Anfang an bemühte. Die Kirche sah im Schadenzauber, den sie für durchaus real hielt, einen Beweis für den Götzendienst der Zauberer und Zauberinnen. Auf diese Grundlagen entwickelte der Hl. Augustinus (†430) seine verhängnisvolle Theorie des Teufelspaktes. Seiner Ansicht nach bereite es dem Teufel regelrechte Freude, mit seinen 'Gehilfen', den Dämonen, Menschen zu Übeltaten zu verleiten. Dazu schlichen sich die Dämonen mittels ihrer luftigen Körper in Schlafende; lüsterne Nachtdämonen (so genannte incubi) stellten Frauen nach. Durch den Pakt mit dem Teufel Dämon erhielten Menschen die Möglichkeit, sich in Tiere zu verwandeln oder Wetterzauber und anderen Schadenzauber zu betreiben. Das Vorgehen der Kirche gegen heidnische Vorstellungen im Früh- und Hochmittelalter war allerdings noch wenig beeinflusst von den dämonologischen Vorstellungen des Hl. Augustinus. Zwar wurde die Existenz eines teuflischen Zauberwesens nicht prinzipiell in Frage gestellt, der Glaube daran aber doch weitgehend als Aberglaube verurteilt, der durch Kirchenstrafen wie Bußen oder - in schweren Fällen - durch Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet werden sollte. Am deutlichsten bringt diese Position der Canon Episcopi, eine Zusammenstellung des Synodal- und Kapitularienrechtes, zum Ausdruck, den Regino von Prüm (†915) im Jahre 906 für den Trierer Erzbischof Ratbod (†915) verfasst hatte. Darin wird unmissverständlich der Glaube an Zauberei und Nachtfahrten der Göttin Diana mit ihrem Gefolge als heidnische Irrlehre und Einbildung verurteilt.6 Über Burchard von Worms (†1025) und Ivo von Chartres (†1115/1116) fand der Canon Episcopi Aufnahme in die kanonische Rechtssammlung des Gratian und blieb bis zum 13. Jahrhundert die herrschende Auffassung.

    In diesen weitgehend harmlosen Bahnen hätte die Entwicklung weiter verlaufen können, wenn nicht der althergebrachte Zauberglaube von den Gelehrten der Hochscholastik - allen voran Thomas von Aquin (†1274) - mit der spätantiken Dämonenlehre in Zusammenhang gebracht worden wäre. Anknüpfend an die Teufelspakttheorie des Hl. Augustinus und unter Berufung auf mehrere Bibelstellen über die Gefährlichkeit der Zauberer entwickelte Thomas von Aquin die Vorstellung von einer teuflischen 'Gegenkirche', die schärfstens bekämpft werden müsse. Demnach herrsche der Teufel als gefallener Engel mit Duldung Gottes über einen Dämonenstaat. Seinen Anhängern unter den Menschen, den von Gott abgefallenen Zauberern und Wahrsagern, verleihe der Teufel übernatürliche Kräfte, mit deren Hilfe diese ihre Mitmenschen schädigen konnten. Der Pakt werde durch Geschlechtsverkehr der Zauberer und Zauberinnen mit männlichen und weiblichen Nachtdämonen (incubi und succubi) bekräftigt, aus dem sogar Teufelskinder hervorgehen könnten. Mit ihrem Abfall vom christlichen Glauben und dem Pakt mit dem Teufel machten sich die Zauberer der schwersten Untat schuldig: des Verbrechens gegen die göttliche Majestät. Damit geraten nun die Ketzer wieder in den Blick.

    Hervorgerufen durch das starke Anwachsen der Ketzerbewegungen in Südfrankreich und Oberitalien entstand als prozessrechtliche Neuerung die Ketzerinquisition, die eine leichtere und effektivere Bekämpfung dieser Gruppen ermöglichte. Zur Aufrechterhaltung der Verfolgungsanstrengungen war die Kirche bemüht, die Gefährlichkeit der Häretiker für die etablierte Ordnung in immer grelleren Farben zu malen. So unterstellte man ihnen magische Praktiken, Teufelsanbetung, Opferung von Neugeborenen und wollüstige Ausschweifungen. All dies geschehe in nächtlichen Versammlungen, auf denen der Teufel in Menschen- oder Tiergestalt erscheine. In diesem Glauben an das Treiben der Ketzersekte liegt die Keimzelle für die späteren Vorstellungen des Hexensabbats. Jetzt war es nur noch ein kleiner Schritt, den traditionellen Zauberglauben mit Häresie in Verbindung zu bringen. Denn wenn Ketzer Schadenzauber verübten und den Teufel anbeteten, wenn Zauberei nur durch Glaubensabfall mit Hilfe des Teufelspaktes bewerkstelligt werden konnte, dann hatte man es in beiden Fällen mit ähnlich schweren Verbrechen zu tun. Die Zauberei wurde zu einem Sonderfall der Ketzerei. Da war es nur folgerichtig, dass man auch den Zauberern vor warf, ihre Praktiken nächtens nach Art einer 'organisierten Untergrund-Sekte' zu betreiben. Allmählich kristallisierte sich mit Schadenzauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft und geheimen Versammlungen ein neuer Verbrechenstatbestand heraus: das crimen magiae (Verbrechen der Zauberei), das als crimen exceptum (außerordentliches Verbrechen) geradezu die Aufmerksamkeit der Ketzerinquisitoren verlangte.

    Ein weiteres Mosaiksteinchen in dieser Entwicklung fügte Papst Johannes XXII. (†1334) hinzu. In seiner aus dem Jahr 1326 stammenden Bulle Super illius specula ordnete er an, dass Schadenzauber nach den Strafbestimmungen für Ketzer zu ahnden sei. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts gewann die Vorstellung einer Zauberersekte immer mehr an Boden. Ein Mann der Praxis, der Dominikaner und Inquisitor Nicolaus Eymericus (†1399), fasste in seiner Schrift Directorium Inquisitorum (gedruckt 1503), einem Handbuch für Kollegen, systematisch die den Zauberern zur Last gelegten Verbrechen zusammen. Zu großen Verfolgungen von Zauberern durch die Inquisition kam es erstmals zwischen 1320 und 1350 in Südfrankreich. Seit der Wende zum 15. Jahrhundert folgten Prozesse gegen 'Teufelsbündler' und 'Hexensekten' in der Schweiz, wiederum in Südfrankreich, Nordostspanien, den französischen Alpen, der Dauphiné, Savoyen und Burgund; um die Mitte des Jahrhunderts fan den auch vereinzelte Verfolgungen in Lothringen und der Erzdiözese Trier statt.

    Der Begriff »Hexe« erscheint erstmals in einem deutschsprachigen Gerichtstext im Jahre 1419 in Luzern. Auch wenn sich diese Bezeichnung natürlich nicht überall durchsetzte und in anderen Sprachräumen andere Begriffe benutzt wurden (zum Beispiel in Frankreich sorcière oder in Italien strega), so bestätigt das Auftauchen dieses Terminus doch, dass ein Wahrnehmungs- und Substanzwandel gegenüber dem alten Begriff der Zauberei stattgefunden hat. Während in den früheren Schadenzauberprozessen einzelne Delikte zur Aburteilung gelangten, wurden nun Teufels- und Dämonenlehre, Volksaberglauben, zauberische Praktiken, Vorstellungen vom nächtlichen Flug der Unholde und von den Ketzersabbaten zu einem »rechtlichen kumulativen häretischen Hexenbegriff«9 subsumiert. Hexen handelten nicht als Individuen, sondern als Mitglieder einer großen Verschwörung. Die ihnen zur Last gelegten Übeltaten verdichteten sich immer mehr zu fünf Kerndelikten - Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber -, die von allen Hexen gemeinsam begangen wurden. Darin liegt auch die große Bedeutung, die der durch Folter erpressten Angabe von Namen vermeintlicher Mittäter in den Hexenprozessen zukam. Denn zur Verschwörung bedurfte es Komplizen auf dem Hexensabbat.

    In der Entwicklung des neuen, rechtlich und theologisch begründeten Hexenbegriffs gilt die Spanne von 1435 bis 1500 als entscheidendes Stadium, wobei die Erfindung des Buchdrucks eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Verbreitung dieses Gedankengutes spielte. Die in diesem Zeitraum entstandenen Traktate des Wiener Theologieprofessors und Dominikaners Johannes Nider (†1438), des französischen Inquisitors Nicolas Jacquier (†1472) oder des deutschen Arztes Johannes Hartlieb (†1468) trugen zur Festigung dieses Konstrukts bei. Der entscheidende Durchbruch der Hexenlehre sollte aber dem berüchtigten Hexenhammer (Malleus Maleficarum) aus dem Jahre 1487 vorbehalten bleiben. Mit dieser systematischen Zusammenfassung der Hexenlehre des Dominikaners Heinrich Kramer (genannt Institoris, †1505) findet die scholastische Diskussion ihren Abschluss. Kramer hatte den Hexenhammer als Kommentar zur Bulle Papst Innozenz' VIII. (†1492) Summis desiderantes affectibus (1484), die auch der Buchausgabe vorangestellt ist, verfasst. Mit der Bulle waren Kramer und sein Kölner Mitbruder Jakob Sprenger (†1495) zu päpstlichen Inquisitoren in Deutschland bestellt worden, um gegen das Verbrechen der teuflischen Zauberei vorzugehen. Bei ihren Nachforschungen in den Diözesen toren aber auf den Widerstand der Amtskirche. Der Bischof von Brixen, Georg Golser (†1489), hielt Kramer offenbar für nicht ganz zurechnungsfähig und verwies ihn im Jahre 1486 des Landes. Wohl aus diesen Erfahrungen und als Rechtfertigung seiner von ihm vertretenen Hexenlehre schrieb der Inquisitor den Hexenhammer.

    Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Die ersten beiden Teile befassen sich mit der 'Realität' der Hexen und ihrer vermeintlichen Verbrechen (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexensabbat und Schadenzauber). Eine bedeutende Neuerung gegenüber der scholastischen Tradition ist die Verengung der Hexereivorstellung auf Frauen. Hier tritt dem Leser ein abstruses Sammelsurium von Aberglaube, Wahnvorstellungen und Frauenhass entgegen. So doziert Kramer, dass es in der Natur der Frauen liege zu lügen, dass fast sämtliche Reiche der Welt durch Frauen zerstört worden seien oder dass Frauen weniger gläubig und daher anfälliger für die Versuchung durch den Teufel seien, denn schließlich - so die krude Etymologie - komme das Wort femina (Weib) von fe minus (fides mina = geringgläubig).

    Als besonders folgenreich erwies sich der dritte Teil des Hexenhammer der dem prozessualen Verfahren der Hexenverfolgung gewidmet war. Durchaus korrekt stellte Kramer zunächst fest, dass Inquisitoren stießen die Inquisi

 nur dann gegen Hexen vorgehen könnten, wenn es in ihren Verbrechen einen Bezug zur Ketzerei gebe. Zur Entlastung der Inquisitoren und der Bischöfe, aber auch wegen der immensen Gefahr, die von den Hexen ausgehe, empfahl er der weltlichen Gerichtsbarkeit dringend, sich mit diesem Verbrechen zu beschäftigen. Dazu diskutierte er drei mögliche Verfahrensarten: Den Akkusationsprozess hielt er für ungeeignet, da dem privaten Kläger die Beweislast aufgebürdet war. Erfolgversprechender erschien ihm die Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen aufgrund einer Denunziation. Das probateste Mittel sah Kramer jedoch im summarischen Ketzerinquisitionsprozess. Und hier zählte er das gesamte Arsenal an Ausnahmeregeln und Sondervollmachten auf, das den Ketzerrichtern seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zur Verfügung stand. Dementsprechend einfach war die 'Überführung' der Hexen. Neben Zeugen und Indizien kam vor allem dem durch die Folter erzwungenen Geständnis die entscheidende Beweiskraft zu. Und für den Einsatz der Tortur gab es in einem Ausnahmeverfahren (processus extraordinarius) kaum rechtliche Hürden. Kramers Sorge, die Hexen könnten durch die Hilfe der Dämonen der Folter widerstehen, führte ihn zu dem Gedanken, dass ein Richter eine Hexe auch ohne Geständnis verurteilen solle, wenn er von deren Schuld überzeugt sei. Das entsprach ebenfalls der aus der Ketzerinquisition bekannten Verdachtsstrafe. Da die Hexen nicht nur geistige Verbrechen begingen, sondern durch den Schadenzauber materielle Schäden verursachten, forderte Kramer die weltlichen Richter ausdrücklich auf, dieses nach dem gemeinen säkularen Recht unzulässige (Ausnahme)Verfahren anzuwenden. Damit förderte er nachhaltig einen Trend, der seit etwa 1400 zu beobachten ist: eine allmähliche Zunahme der Hexenprozesse vor weltlichen Gerichten, während sich die geistliche Gerichtsbarkeit aus diesen Verfahren langsam zurückzog.

    Entscheidend begünstigt durch Buchdruck und sinkende Papierpreise erlebte die gelehrte Diskussion zum Hexenglauben im 16. Jahrhundert einen starken Anstieg. Auf die in der Forschung immer noch kontrovers geführte Debatte, welche Auswirkung die Reformation auf die Hexenverfolgung gehabt hat, kann hier nicht näher eingegangen werden. Etwa zeitgleich mit der Reformation meldeten sich jedoch erste kritische Stimmen aus beiden Lagern. So lehnten etwa der Arzt und Philosoph Agrippa von Nettesheim (†1535) oder der Humanist Erasmus von Rotterdam (†1536) den Glauben an Hexerei dezidiert ab, eine Auffassung, die auch einige Reichsstädte wie Nürnberg oder Territorien wie die Landgrafschaft Hessen vertraten. Die schärfste Kritik stammte aus der Feder des klevischen Arztes Johann Weyer (†1588), der in seiner Schrift Über die Blendwerke der Dämonen Hexenprozesse als »Blutbadt der unschueldigen« anprangerte. Durchgesetzt haben sich allerdings die Befürworter der Hexenlehre. In dem Traktat De la démonomanie des sorciers (Von der Teufelsmanie der Hexen und Hexenmeister) bot der berühmte französische Staatsrechtslehrer Jean Bodin (†1596) mit großer Verve eine Zusammenfassung des vermeintlichen Wissens über Hexerei. Weitere führende Dämonologen waren der Jesuit Martin Del Rio (†1608), der lothringische Generalprokurator Nicolas Remy (†1612) und der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld (†1598). Sie beriefen sich direkt oder indirekt auf die damals wie heute juristisch und theologisch anfechtbaren Argumente des Hexenhammer. Ein wichtiges Bindeglied für die Rezeption der Überlegung Kramers, die Hexenverfolgung in den Bereich der weltlichen Gerichtsbarkeit zu verlagern, bildete der Layenspiegel des pfalz-neuburgischen Landvogts Ulrich Tengler (†1509/1510). In dieser Zusammenstellung des säkularen Rechts befasste sich Tengler auch mit der angemessenen Bestrafung der Hexerei, wobei er sich an den Vorgaben des Hexenhammer orientierte.

    Eine andere Richtung schlug das wichtigste deutsche Strafgesetzbuch jener Zeit, die Constitutio Criminalis Carolina, die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (†1558) von 1532, ein. Aus schließlich in römisch-rechtlicher Tradition argumentierend wurde dort in Artikel 109 festgelegt, dass nur bei erwiesenem Schadenzauber - sämtliche andere 'Hexenverbrechen' sind nicht Gegenstand des Gesetzes - die Verurteilung zum Scheiterhaufen erfolgen durfte. Strafwürdig war zwar bereits eine beabsichtigte Schädigung, trat diese aber nicht ein, lag eine Strafzuweisung unterhalb der Todesstrafe im Ermessen des Richters. Zum Beweis eines erfolgreichen Schadenzaubers bedurfte es entweder der Bestätigung zweier Tatzeugen, was bei einem so 'verborgenen' Verbrechen wie der Zauberei natürlich nicht möglich war oder eines glaubwürdigen Geständnisses. Ein solches Geständnis erreichte man auch mit Hilfe der Folter; ihrer Anwendung durch die Gerichtsorgane waren jedoch Grenzen gesetzt.

    Obwohl die Carolina zumindest formal in den meisten deutschen Territorien galt, hat sich diese vergleichsweise moderate Position in der weiteren Rechtsentwicklung des 16. Jahrhunderts kaum durchgesetzt. Landesrechte beziehungsweise städtische Gesetze bildeten das juristische Fundament für die Durchführung von Hexenprozessen, wobei die jeweilige Prozesspraxis eine »Gemengelage aus akkusatorischen und inquisitorischen Elementen«13 aufweisen konnte, die im Einzelfall zu prüfen ist. Zudem lassen sich Rückwirkungen der Hexenprozesse auf das Delikt der Hexerei selbst beobachten. Offenbar haben sich die Verfahren ihren Gegenstand teilweise erst geschaffen. Generell ist eine Strafverschärfung durch eine Verlagerung der Strafbarkeit vom Schadenzauber zum Teufelspakt festzustellen. Die erste Territorialgesetzgebung, die nicht nur den Schadenzauber, sondern auch den Teufelspakt mit der Todesstrafe belegte, war die Kursächsische Kriminalordnung von 1572.

    Die Richter sahen ihre Aufgabe weniger darin, einzelne, eines Verbrechens für schuldig befundene Personen ihrer Strafe zuzuführen, als vielmehr in der 'Reinigung' ihrer Gemeinschaft von unchristlichen, teuflischen Elementen. Dabei kam das Verfolgungsbegehren nicht nur von der Obrigkeit, sondern oft von unten. Die Menschen glaubten an die Existenz von Hexen, die Krankheiten, Tod und Elend über sie brachten. Gefestigt wurden sie in diesem Glauben sicherlich auch durch die Predigten ihrer Pfarrer und Pastoren. Glaube und Profit schlossen mitunter eine beklemmende Allianz. Hexenprozesse ließen sich leicht instrumentalisieren und konnten sowohl von Gerichtsherren als auch von Nachbarn und Verwandten zum eigenen Vorteil genutzt werden. Die verheerende Dynamik, die in der Logik der Hexenprozesse lag - die herausgefolterten Namen von vermeintlichen Komplizen führten meist zwangsläufig zu neuen Verfahren -, wurde wohl zunächst nur von den wenigsten Zeitgenossen erkannt.

    Zum Abschluss ist noch einmal kurz auf die Entwicklung der kirchlichen Inquisition zurückzukommen. In den ersten zweieinhalb Jahrhunderten ihres Bestehens war die Inquisition noch keine feste römische Behörde. Bei Bedarf ernannte der Papst bevollmächtigte Inquisitoren. Ein ständiges Tribunal wurde erstmals 1478 auf Initiative der Herrscher von Kastilien und Aragón auf der iberischen Halbinsel eingerichtet. Die Hauptaufgabe dieser halbstaatlichen Institution bestand in der Überwachung der zwangsgetauften jüdischen und muslimischen Bevölkerung Spaniens. Einerseits führte die 'Spanische Inquisition' diese Konvertiten, denen sie den Rückfall in ihren alten (Un)glauben unterstellte, zu Tausenden auf den Scheiterhaufen, andererseits zeigte sie sich sehr skeptisch gegenüber Hexereibeschuldigungen und trat der Durchführung von Hexenprozessen in Nordspanien sogar entgegen.

    Mit der Bulle Papst Pauls III. (†1549) Licet ab initio (1542) wurde ein Kardinalskollegium eingesetzt, das für die Reinhaltung der Glaubenslehre in der gesamten Christenheit - mit Ausnahme Spaniens und Portugals - zuständig sein sollte. Die institutionelle Verankerung als römische Behörde fand ihren Abschluss mit der Errichtung der Congregatio sanctae Inquisitiones haereticae pravitatis (Kongregation der Heiligen Inquisition gegen verstockte Ketzerei) durch Papst Sixtus V. (†1590) im Jahre 1587. Wie schon aus dem Namen hervorgeht, bestand die Aufgabe der Kardinalinquisitoren in der Bekämpfung der Ketzerei; damit fiel aber auch die Verfolgung von Zauberei und Hexerei als Sonderfall der Häresie in ihren Zuständigkeitsbereich. Zwar glaubten die Kardinäle durchaus an die Realität magischer Verbrechen, aber insgesamt wurden erstaunlich wenige Hexenprozesse vor der Kardinalsinquisition geführt. In den mittlerweile der Öffentlichkeit zugänglichen Quellen der Congregatio lässt sich sogar vielfach ein großes Maß an Unverständnis der römischen Inquisitoren für das Ausmaß der Hexenverfolgung nördlich der Alpen erkennen.

    Die um das Jahr 1620 entstandene römische Anweisung zur Praxis in Zauberei- und Hexereiverfahren (Instructio pro formandis processibus in causis strigum, sortilegiorum et maleficiorum) fasste den Rahmen für solche Prozesse recht eng. So musste ein konkreter Schadensfall - Tod oder Krankheit - vorliegen, um ein Verfahren einzuleiten; eine einfache Denunziation oder Besagung reichte nicht aus. Ein Arzt sollte feststellen, ob es keine natürlichen Ursachen für die Schädigung gab. Erst wenn der Arzt sowie ein zweiter medizinischer Gutachter keine Erklärung fanden, wurde der Prozess eröffnet. Beklagte besaßen die Möglichkeit, die Zeugen schriftlich zu befragen oder Eingaben zu ihrer Verteidigung zu verfassen. Grundsätzlich war der Einsatz der Folter zur Geständniserzwingung erlaubt, diese durfte jedoch nur in der relativ milden Form durch Aufziehen an Seilen erfolgen. Zwar konnte auch die Inquisitionsbehörde als Strafe den Feuertod verhängen, sie war aber offenbar wesentlich stärker an einer Läuterung der von Gott abgefallenen Zauberer und Hexen sowie deren Rückführung in die christliche Gemeinschaft interessiert. Die massenhaften Prozesse während des Höhepunkts der west- und mitteleuropäischen Hexenverfolgungen im Zeitraum zwischen 1560 und 1700 mit ihren hohen Hinrichtungsraten waren jedoch das Werk weltlicher Richter.

 

 

 

 

Das Treiben der Hexen

Indem wir nun dazu übergehen, die Verbrechen der Hexerei im Zusammenhange vorzuführen, dürfen wir den ersten besten konkreten Fall aus den Untersuchungsakten irgendeines beliebigen Landes herausgreifen; er wird im ganzen ein treues Bild aller übrigen geben. Wir wählen, der anschaulichen Darstellung wegen, die von Llorente mitgeteilten Bekenntnisse der Hexen, die im Jahre 1610 zu Logroño in Spanien verurteilt und zum Teil hingerichtet wurden1. Einzelne Abweichungen und Eigentümlichkeiten, wie sie sich in deutschen und anderen Prozessakten finden, werden sich Llorentes Berichte anschließen.

    Den Ort ihrer Zusammenkunft nannten die neunundzwanzig Verurteilten, sämtlich aus dem Königreich Navarra gebürtig, in gaskonischer Sprache Aquelarre, d.h. Bockswiese, weil dort der Teufel in Gestalt eines Bockes zu erscheinen pflegte. Montag, Mittwoch und Freitag jeder Woche waren für die gewöhnlichen Zusammenkünfte bestimmt, für die sollenneren dagegen die hohen Kirchenfeste, wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten, auch Johannistag und andere Heiligenfeste; denn so wie diese Tage dem feierlichsten Gottesdienste geweiht sind, so gefällt es dem Teufel, gleichzeitig von seinen Anbetern eine besondere Verehrung entgegen zu nehmen. Er erscheint in der Gestalt eines düsteren, jähzornigen, schwarzen und hässlichen Mannes, sitzt auf einem hohen, verzierten Stuhl von Ebenholz und trägt eine Krone von kleinen Hörnern, zwei große Hörner auf dem Hinterkopfe und ein drittes auf der Stirne; mit diesem erleuchtet er den Versammlungsplatz. Sein Licht ist heller als das des Mondes, aber schwächer als das der Sonne. Aus den großen Augen sprühen Flammen, der Bart gleicht dem der Ziege, die ganze Figur scheint halb Mensch, halb Bock zu sein. Die langen Nägel der Finger spitzen sich wie Vogelkrallen zu, die Füße ähneln den Gänsefüßen. Wenn der Teufel spricht, so ist seine Stimme rau und furchtbar, wie die Stimme des Esels. Nach lothringischen Akten singen die Teufel mit einem heisern Geschrei, »gleich als wenn sie durch die Nase trommeten« - oder sie geben eine Stimme von sich »gleich denen, so den Kopf in ein Fass oder zerbrochenen Hafen stecken und daraus reden«. Oft redet er undeutlich, leise, ärgerlich und stolz; seine Physiognomie verkündet üble Laune und Trübsinn.

    Bei Eröffnung der Versammlung wirft sich alles nieder, betet den Satan an, nennt ihn Herrn und Gott und wiederholt die bereits bei der Aufnahme ausgesprochene Lossagung vom Glauben; hierauf küsst man ihm den linken Fuß, die linke Hand, den After und die Genitalien.

    Um neun Uhr abends beginnt die Sitzung und endet gewöhnlich um Mitternacht; über den Hahnenschrei hinaus darf sie nicht dauern.

    An den Hauptfeiertagen der katholischen Kirche beichten die Zauberer dem Teufel ihre Sünden, die darin bestehen, daß sie dem christlichen Gottesdienst beigewohnt haben. Der Teufel macht Vorwürfe, legt nach den Umständen die Buße der Geißelung auf und gibt die Absolution, wenn Besserung verheißen wird. Hierauf nimmt der Teufel im schwarzen Ornat, mit Infel und Chorhemd, Kelch, Patene, Missale usw. eine Parodie der Messe vor. Er warnt die Anwesenden vor der Rückkehr zum Christentum, verheißt ein seligeres Paradies, als das der Christen ist, und empfängt auf einem schwarzen Stuhle, den König und die Königin der Hexen neben sich, die Opfergaben, die in Kuchen, Weizenmehl u. dgl. bestehen. In französischen Prozessen im fünfzehnten Jahrhundert opfert man Geflügel und Korn, in lothringischen des sechzehnten Jahrhunderts schwarze Tiere und andere Dinge, in deutschen von 1628 auch Geld. Hierauf betet man wiederum den Satan an, küsst ihm was er dadurch erwidert, daß er Gestank von sich gehen läßt, während ein Assistent ihm den Schweif aufhebt. Dann nimmt und gibt der Teufel nach einer Einsegnungszeremonie das Abendmahl in beiderlei Gestalt; was er zum Essen darreicht, gleicht einer Schuhsohle, ist schwarz, herb und schwer zu kauen, die Flüssigkeit, in einer Kuhklaue oder einem becherartigen Gefäße dargereicht, ist schwarz, bitter und Ekel erregend.

    Nach der Messe vermischt sich der Teufel fleischlich mit allen Manns- und Weibspersonen und befiehlt Nachahmung; am Ende vermischen sich die Geschlechter ohne Rücksicht auf Ehe und Verwandtschaft.

    Hierauf sendet der Teufel alle fort und gebietet jedem, an Menschen und Früchten des Feldes nach Möglichkeit Schaden zu stiften, wozu man sich teils in Hunde, Katzen und andere Tiere verwandelt, teils Pulver und Flüssigkeiten anwendet, bereitet aus dem Wasser der Kröte, die jeder Zauberer von dem Augenblicke seiner Aufnahme an bei sich trägt, und die eigentlich der Teufel selbst ist. Zuletzt verbrennt sich der als Bock darstellende Teufel zu Asche.

    Wer aufgenommen werden will, muss seinen Glauben abschwören und den des Teufels annehmen. Er entsagt Gott, Jesu Christo, der heiligen Jungfrau, allen Heiligen und der christlichen Religion, verzichtet auf die ewige Seligkeit, erkennt den Teufel als Gott und Herrn, schwört ihm Gehorsam und Treue, um alle Üppigkeit dieses Lebens zu genießen und dereinst in das Paradies des Teufels einzugehen.

    Rudolf Reuß9 teilt zwei Abschwörungsformeln mit, die eine 1659 im Elsass vorkommende: »Hiermit fahre ich dem lebendigen Teufel zu, der soll mich behüten und bewahren, bin auch Gott nicht mehr angehörig.« - Die andere lautet:

 

                    »Da stehe ich auf dem Mist,

                    Verleugne Gott, alle Heiligen

                    Und meinen Jesum Christ.«

 

Diese war in der einen oder in der anderen Modifikation die gebräuchlichste Formel. Im protestantischen Hessen z.B. begegnet man in den Prozessakten öfters der Formel:

 

                    »Ich stehe hier auf der Mist

                    Und verleugne Jesum Christ.«

 

Bei Horst10 bekennt eine protestantische Hexe, die 1651 verbrannt wurde, »sie habe müssen an einen weißen Stock fassen, der gewesen, ab wenn er von einer Weide geschnitten und abgeschülfert wäre, und zwei Finger der linken Hand auf ihre Brust legen, sich an einen Berg lehnen und also sprechen:

 

            »Hier greife ich an diesen Stock,

            Und verleugne hiermit unsern Herrn Gott

            Und seine zehn Gebote.«

 

Katholische Hexen gebrauchten auch die Formel:

 

                »Ich fasse an diesen weißen Rock

                Und verleugne Mariäs Sohn und Gott.«

 

Andere Hexen gestehen, Glockenspäne vom Teufel erhalten und mit den Worten ins Meer geworfen zu haben: »So wenig diese Späne je wieder zur Glocke kommen, ebenso wenig ich zu Gott und seinen Heiligen.

    Hierauf drückt der Teufel mit den Klauen der linken Hand dem Novizen ein Zeichen auf irgendeinen Teil des Körpers, gewöhnlich auf der linken Seite, der dadurch vollkommen unempfindlich wird (Stigma diabolicum), oder er zeichnet mit einem Goldstücke in den Stern des linken Auges die Figur einer Kröte zum Erkennungszeichen für andere Zauberer. Freilich waren nicht alle Hexen mit dem Stigma behaftet, sondern im allgemeinen nur diejenigen, denen der Böse nicht recht traute und die er daher als sein Eigentum zu bezeichnen für ratsam erachtete. Er tat es gewöhnlich durch einen Griff mit der Hand oder einen Schlag mit der Klaue an den Schultern oder auch an den Hüften, Schenkeln oder an anderen Körperteilen, d.h. er hatte es überall da getan, wo man im Prozess an einer Inquisitin ein Muttermal, eine Warze, einen Leberflecken oder des etwas vorfand. Das Stigma findet sich nach mecklenburgischen Hexenprozessen hinter den Ohren, zwischen den Lefzen, unter den Augenbrauen, auf oder unter der Achsel, an der Brust oder Hüfte. Die Stelle ist ein wenig erhaben, wegen der Narbe hüglig, ganz ohne Blut, unempfindlich, so daß man mit einer Nadel hineinstechen kann, ohne daß der Betroffene es merkt. Zuweilen finden sich auch schwarze Strichlein oder Fleckchen an Stirn, Augen oder sonst wo, die man nicht abwaschen kann, zuweilen Zeichen in Gestalt eines Krötenfußes. Im Badischen sind die Hexenzeichen auf den rechten Arm gepetzt, in die linke Seite gebissen, auf die linke Schulter geschlagen, an das rechte Auge gestoßen, an den linken Fuß gegeben, ins linke Auge gestochen, auf das rechte Knie gebissen usw. In Frankreich: J'avoue, que la première fois qu'on va au sabbat, tous masques, sorciers, sorcières et magiciens sont marqués avec le petit doigt du diable, qui a cette charge ..... J'avoue, que j'ai été marqué au sabbat, de mon consentement et y ai fait marquer Magdelaine. Elle est marquée à la tête, au coeur, au ventre, aux cuisses, aux jambes, aux pieds et en plusieurs autres parties de son corps. Dann übergibt er dem Paten eine für den Neuling bestimmte Kröte, die ihm hinfort die Kraft verleiht, sich unsichtbar zu machen, durch die Luft zu fliegen und allen möglichen Schaden zu stiften. Die Kröte findet sich in englischen, französischen und deutschen Prozessen. In englischen ist es auch zuweilen ein weißer Hund, eine Katze, eine Eule, ein Maulwurf etc. Diese Tiere müssen sorgfältig gepflegt und geliebkoset werden, die Hexen sind sogar verpflichtet, die bösen Geister öfter an sich saugen zu lassen.

    Hat er seine Probezeit ausgehalten, d.h. sich hinlänglich oft am Christentum vergangen, so weiht ihn der Teufel definitiv zum Seinigen, indem er ihm mit den unanständigsten Geberden den Segen erteilt.

    An manchen Tagen wird nach der Musik der Querpfeife, der Leier, Trompete oder Trommel getanzt. Um sich zum Fliegen vorzubereiten, bestreicht sich der Zauberer mit dem aus der Kröte ausgedrückten Safte. Gifte aus Pflanzen, Reptilien und Christenleichnamen werden unter besonderer Aufsicht des Teufels zubereitet. Nicht alle Zauberer haben bei der Bereitung Zutritt, aber allen wird von der Salbe mitgeteilt, damit sie ihre Malefizien damit ausführen.

    Wenn der eine Ehegatte die Bockswiese besuchen will, ohne daß der andere es bemerkt, wird dieser entweder in tiefen Schlaf gesenkt, oder es wird ein Stock, der die Gestalt des Abwesenden annimmt, zu ihm ins Bett gelegt.

    Oft macht der Teufel auch seine unkeuschen Besuche in den Wohnungen der Hexen.

    Ein kleines, in die Türe gebohrtes Loch genügt den Hexen zum Ausgang.

    Sie lieben es, kleine Kinder durch Blutaussaugen zu töten.

    Bei zufälliger oder absichtlicher Nennung des Namens Jesus verschwindet plötzlich der Teufel und die ganze Versammlung des Sabbats.

    Übereinstimmend mit diesen Bekenntnissen der Hexen von Logroño in allen Hauptsachen und selbst in den meisten Einzelheiten sind die Aussagen in den übrigen Ländern; nur versteht es sich, daß jedes Land seine eigenen Orte für die Zusammenkünfte und mancherlei Modifikationen im einzelnen hat. Versammeln sich die Hexen von Navarra in Aquelarre, so hat Deutschland seit dem 15. Jahrhundert seinen Blocksberg, Inselsberg, Weckingstein bei Minden, Staffelstein bei Bamberg, am Wörth im Staffelsee, das Kaiserbachtal bei Kufstein, Ringberg bei Egern, am Niklasbrunnen zu Farchach am Würmsee, Brecherspitz am Schliersee, Peißenberg und Auerberg, die Wiege von Schöngeising, den dreieckigen Stein bei Türkenfeld, den hl. Kreuzwald bei Holzhausen, die Scharnitz, Heu- und Heuchelberg in Württemberg, Kreidenberg bei Würzburg, Hirschelberg bei Eisenach, den Kandel im Breisgau, Höberg in Thüringen, Bönnigsberg bei Lokkum, Hupella auf den Vogesen, Fellerberg bei Trier. Der Heuberg im Schwarzwald, der südwestlichste, höchste und rauheste Teil der Alb (wo noch jetzt bei Obernheim das »Hexenbäumlein« zu sehen ist), wird schon in einem 1506 geschriebenen und 1515 gedruckten Traktat des tübingischen Theologen Martin Plantsch erwähnt. Dann der Hörselberg in Thüringen, Blumenberg bei Oldesloe in Holstein und viele andere Bockhornsberge, Brochelsberge, Glockersberge20. Schon um das Jahr 1300 (?) sagt ein alter deutscher Nachtsegen, wie Reichhardt angibt:

 

            Gott möge mich heut Nacht bewahren

            Vor den bösen Nachtfahrern,

            Ich will mich bekreuzen,

            Vor den Schwarzen und Weißen,

            Die die guten werden genannt,

            Und zum Brockelsberge sind gerannt,

            Vor den Bilwissen (Korndämonen),

            Vor den Manessern,

            Vor den Wegeschrittern,

            Vor den Zaunreitern,

            Vor allen Unholden.

 

In Schlesien bezeichnet man als Versammlungsorte der Hexen Kreuzwege und Galgen. Ein Hirschberger Sprichwort aus der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts sagt von einem recht liederlich aussehenden Menschen: »A sit aus, as wenn a om Wolpertoomde (Walpurgisabend) met a Hexa ufm Goljabarje getanzt hätte.« Frankreich hat seinen Puy de Dôme, Italien den Barco di Ferrara, Paterno di Bologna und namentlich Benevent, wo sich die Hexen unter einem Nussbaum versammelten und die »beneventische Hochzeit« feierten. In der deutschen Schweiz wird die »Brattelenmatte«, von der man jedoch nicht weiß, wo sie zu suchen ist, als Stätte der Hexensabbate genannt.

    Oft sind dem Wohnorte der Inquisiten ganz nahe gelegene Lokalitäten genannt: die Hexen des Busecker-Tals versammeln sich in den Klimbacher Hecken, die tierischen zuweilen auf der Hetzeroder Heide, die offenburgschen auf der dortigen Pfalz, die coesfeldischen »ufr Vlaemschen Wieschen, ufm Voßkampfe«; oder es heißt auf der Wiese, unterm Nussbaum, auf dem Zimmerplatze, auf dem Bühel beim hl. Angesicht usw. Kirchhöfe werden in Genf, Frankreich und im Elsass, die innern Räume der Kirchen in Berwick und England, Plätze vor Kreuzen in Poitou und Lothringen, Kreuzwege in Westphalen, Navarra und anderwärts, - kurz Örtlichkeiten der verschiedensten Art, unter denen Berge allerdings die Hauptrolle spielen, werden als Schauplätze des obszönen Sabbats bezeichnet.

    Bei den Hexensabbaten präsidiert der Teufel, entweder in eigener Person oder durch einen ihm Untergebenen Dämon, dem die Hörner fehlen, und der vom Platze weicht, sobald der Teufel erscheint. Als Zeit der Hauptversammlungen treten auch anderwärts die großen Kirchenfeste hervor; neben diesen der Johannistag, der in Frankreich und Bayern seine besondere Bedeutung hat, der Jakobstag, die übrigen Apostel und die Marientage und für einen großen Teil Deutschlands, besonders aber im nördlichen und nordwestlichen, ganz vorzüglich die Walpurgisnacht.

    Außer den sollenden Versammlungen, an denen bisweilen zehn- bis zwölftausend Hexen und Zauberer zusammen sind, finden auch wöchentliche mit geringerer Förmlichkeit statt; für diese haben sich die lothringischen Hexen den Mittwoch und Freitag, die französischen teils den Montag und Freitag, teils den Mittwoch, Donnerstag und Freitag, die trierschen und lombardischen aber den Donnerstag ausersehen. Hier und da kommt es vor, daß der Satan seine verführende Kraft einer Örtlichkeit mitteilt. Wer sie betritt, ist ihm verfallen. So befindet sich bei Trzebiatkow im östlichen Hinterpommern der Hexensee, von dem jeder Zauberkraft empfing, der in ihm badete. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurden mehrere Weiber beschuldigt, in ihm gebadet zu haben, um Zauberei Aufruhr, der die Behörde zum Einschreiten nötigte.

    In Deutschland, in der Schweiz und anderwärts jedoch geht der Teufel selbst auf Werbung aus. Er erscheint dann gewöhnlich als schmucker Kavalier oder Krieger, legt sich irgendeinen mehr oder weniger bedeutsamen Namen bei. »Denn der Satan hat allezeit, um mehr Betruges willen schöne holdselige Zunamen gesucht, die ihm seinen rechten Vornamen beschönten.«

    Hier einige dieser Teufelsnamen: Alexander, Ariel, Auerhain (Urian), Bädel, Balebuck (Mecklenburg 1590), Baram (Pommern), Barrabas, Blümlin, Burseran (Franken), Bursian, Chim (Mecklenburg 1659), Chirkum (ebenso), Claus, Durst, Federhans, Hans Federlin, Federspiel, Feuerchen, Firlenhan, Flederwisch, Foland, Glöckel, Junker Greger, Größlin, Grünläubel, Junker Hahn, Haintzle, Haverliedt, Heinrich, Hemmerlin, Hundsfutt, Hurst, Hurstel, Joachim, Käsperlin, Knipperdolling (!), Kochlöffel, König Beltzamer (Hamburg), Krautle, Kreutlin, Krüttle, Kumbher (Hannover), Laub, Läubel, Leichtfuß, Löwer, Lukas, Luzifer, Luginsland (Schwarzwald), Machleid, Männel, Mephistopheles, Moyset, Müsgen, Nüßlin, Ognon, Peterling, Rauschen, Rauscher, Christoffer Rickert (Wesenberg 1612), Rotmentlin, Rufian (= Kuppler), Hans Rumpel, Schönhanß, Schiffmann, Schuhfleck, Schwarzkünstler, Schwarzlaster, Spitzhut, Strohbutz, Stumpfäfflin, Tieke (Hannover 1605), Uhrhahn, Urian, Valant, Volant, Zieglscherb, Zumwaldfliehen26.

    In Holland kommen die Namen Hanske, Harmen, Hendrik, Pollepel, Roltje vor, in der Schweiz Arlibus, Belzibock (Zürich), Hänsli, Barlaba, Cränzli, Hans Leng oder Hans Leug, Jean Wxla, Hürsch-Martin, Julius, Krütli, Kleinbrötli, Karlifas, Kempfer, Robet, Robin, Remomus, Schwarzhänsli, Turbini usw. In Schottland: Pastetenwächter, Beißindikrone, Thomas Weinessig usw. In Schweden: Loeyta.

    Er, der Versucher, tritt vor ein einsames, einfältiges, trauerndes oder von Not bedrängtes Weib, tröstet, droht oder schreckt, zeigt und schenkt Geld, das jedoch fast immer am nächsten Morgen in Kot oder dürres Laub verwandelt ist, verheißt vergnügtes Leben und großen Reichtum, der indessen selten eintrifft. Nur wenn reiche Leute in Untersuchung waren, ließ man den Teufel sein Wort gehalten haben. So wurde bei einer Angeklagten zu Osnabrück der Reichtum als Indizium des Teufelsumgangs genommen; dem Kaufmann Köbbing zu Coesfeld wurde ein Geldbringender Sukkubus beigelegt (Niesert, Hexenproz. zu Coesfeld); in burgfriedbergischen und andern Akten findet sich Ähnliches, besonders im siebzehnten Jahrhundert, wo auf die Reichen häufiger Jagd gemacht wurde als auf die Arme, vermischt sich mit ihr fleischlich, wobei ihr die unangenehme Beschaffenheit seines Membrum virile und seine kalte Natur auffällt.

    Er drückt dem Weibe das Stigma auf und lässt bei seinem Verschwinden die unzweideutigsten Zeichen seines gemeinen diabolischen Wesens hinter sich.

    Nun gehen der Verblendeten die Augen auf, aber sie kann nicht zurück, setzt das Verhältnis fort, schwört den Glauben ab und lässt sich, nachdem zuvor das Chrisam abgestrichen ist, in des Teufels Namen taufen, wobei Paten und Zeremonien nötig sind. Im Elsass erhalten die Hexen die Namen Saufvessel, Schwarzdesche, Zipperle, Grundt, Krautdorsche, Gänsfüßel, Kräutel, Blümel, Grünspecht, Sipp etc. In einem westfälischen Prozesse heißt ein Sukkubus Christine.

    Seltener ist's, daß der Teufel gleich anfangs in Bocksgestalt oder mit Kuhfüßen und Hörnern einem Mädchen mit seinen Bewerbungen entgegentritt und durch Drohungen oder Gewalttätigkeiten zum Ziele gelangt.

    Die Taufe wird mit Blut, zuweilen mit Schwefel und Salz vollzogen.

    In den Hexenversammlungen kam auch ein teuflisches Weihwasser vor, womit die Versammelten besprengt wurden. »Sie brauchen auch Weihwasser, dann uns wahrhaftig gesagt ist, daß der Teufel erst durch ein Loch pisset, darnach alle die auf dem Sabbath seindt, groß und klein, und daß bisweilen zween Teufeln, bisweilen ein Mann das Volk damit besprengete.«

    Oft werden selbst unmündige Kinder dem Teufel zur Aufnahme von den Hexen zugeführt, und auch diese verschont er nicht mit seiner Unzucht.

    Häufig finden sich beim Teufelsbunde eigentliche Verschreibungen mit Blut. Bisweilen ist diese Formalität mehr den Gliedern der höheren Klassen des satanischen Reiches als den gemeinen Hexen vorbehalten.

    Manche Hexen dienen dem Teufel sechs bis zehn Jahre, ehe sie das Homagium leisten, andere tun dies gleich anfangs.

    Der Besuch des christlichen Gottesdienstes ist nicht ganz verboten; vielmehr gilt es als verdienstlich, der Messe beizuwohnen und während der Elevation auszuspeien und unanständige Worte zu murmeln oder zum Abendmahl zu gehen und die empfangene Hostie aus dem Munde zu nehmen, um sie später dem Teufel zur Schändung und Bereitung von Zaubermitteln auszuliefern.

    Die Hexe tritt das Kreuz, fastet am Sonntag und isst am Freitag Fleisch.

    Zum Hexensabbat reitet man auf Böcken, Hunden, Ochsen, Schweinen, auf einer Geiß, auf einem schwarzen Pferd, auf einer dreibeinigen Ziege, Stöcken, Ofengabeln, Besen, Spießen oder anderen abenteuerlichen Vehikeln; der gewöhnliche Weg geht durch den Schornstein, häufig auch durch die Türe oder das Kammerfenster in die Luft. Seltener durchstreift man das Land zu Fuße in Katzen- und Hasengestalt. Ekkehard von St. Galens Weltchronik erwähnt im dreizehnten Jahrhundert die Zauberinnen, die auf Bänken und Besen und anderem Hausgerät auf den Brockenberg ritten.

    Zum Flug wie zur Verwandlung ist eine Salbe nötig, meist wird auch eine Formel (»Auf und davon, hui, oben hinaus und nirgends an«) gebraucht. Ein äußerst sinnreiches Verfahren wendeten die schwedischen Hexen an, wenn sie ihre Nachbarinnen, Freundinnen, Kinder zur Fahrt nach Blaculla mitnehmen wollten. Sie steckten nämlich ihrem Bock eine Stange in den Hinteren, auf die sich die lieben Freundinnen setzten, worauf es dann sofort durch die Luft gen Blaculla ging. - In Schottland besteigt man Strohschütten, Bohnenstangen oder Binsenbündel und erhebt sich unter dem Rufe: Ross und Heuhaufen, in des Teufels Namen.

    Erhellt wird die Mahlzeit durch »Leuchter«, d.h. durch Hexen, die gebückt stehend im After brennende Kerzen tragen.

    Wer den Sabbat versäumt oder sich auf ihm ordnungswidrig aufführt, erlegt eine Geldstrafe oder wird gezüchtigt.

    Der Teufel ist indessen bei diesem Feste nicht immer ein mürrischer Gebieter. Oft sitzt er mit einem gewissen Ausdruck der Milde da, liebt einen Spaß, läßt die Hexen kopfüber springen oder zieht ihnen die Besen und Stangen unter den Beinen weg, daß sie hinfallen, lacht, daß ihm der Bauch schüttert, und spielt dann anmutige Melodien auf der Harfe.

    In dem berüchtigten Hexenprozesse von Mora in Schweden (1669), der zweiundsiebzig Weibern und fünfzehn Kindern das Leben kostete, wird er auch zuweilen krank und läßt sich Schröpfköpfe ansetzen; einmal stirbt er sogar auf kurze Zeit und wird in Blaculla laut betrauert.

    Die Mahlzeiten bei den großen Versammlungen - lauter Schaugerichte - bestehen aus schmaler und ekelhafter Kost. In badischen Akten (Mone, a.a.O.) Fische und Fleisch vom Geschmacke faulen Holzes, ohne Salz; Wein wie Mistlachenwasser oder saurer Wein. - Das Brot fehlt z.B. in burgfriedb. Akten von 1665. - Oft werden die Speisen von den Abdeckeplätzen geholt. Dann wieder müssen die Vorräte der Reichen das Ausgesuchteste und Schmackhafteste liefern, nur fehlt bisweilen Salz und Brot, oft auch der Wein - drei Dinge, die durch den Gebrauch der katholischen Kirche als geheiligt galten.

    Als besonderer Leckerbissen der Hexen bei ihren Sabbaten galten kleine Kinder. Man nahm an, daß die Kinder, die hierbei scheinbar geschlachtet und verzehrt wurden, bald nachher sterben müssten.

    Übrigens trinkt hier keiner dem anderen zu.

    Nach dem Essen geht der Tanz an, ein runder Reigen, das Gesicht nach außen gekehrt37. Eine Hexe in der Mitte des Kreises steht auf dem Kopfe und dient als Lichtstock. Tanzen einzelne Paare, so kehren die Tanzenden einander den Rücken zu. Sackpfeifen, Geigen, Trommeln ertönen, und der Chor singt: »Harr, Harr, Teufel, Teufel, spring hie, spring da, hüpf hie, hüpf da, spiel hie, spiel da!« oder ein ähnliches Lied.

    Auch Hexenhochzeiten werden in zahlreicher Versammlung gehalten. Offenburger Hexen fahren nach Obernehenheim »in die Sonnen« und halten daselbst Hochzeit.

    Außer der Wurde des Königs und der Königin gibt es in der Hexenwelt auch verschiedene Militär-, Zivil und geistliche Chargen: man findet Offiziergrade vom General bis zum Leutnant und Fähnrich abwärts und selbst Hexenkorporale, ferner Gerichtsschreiber, Sekretäre, Rentmeister, Köche, Spielleute und Hexenpfaffen. General und Korporal in Lindheimer und Friedberger Akten; Oberst, Kapitän und Leutnant in Coesfelder Akten. Fahnenjunker auf der Insel Schütt (Theatr. Europ. VII. S. 327). - Der Gerichtschreiber protokolliert den Eid, der dem Satan beim Sabbat geschworen wird (Coesf. A.); der Rentmeister kassiert die für den König eingehenden Opferheller ein (Friedb. Akten); der Pfaffe reicht das Teufelsabendmahl (ebenda). In Schottland finden sich die Hexen zuweilen in Rotten (covines) und Schwadronen (sqads) abgeteilt, deren jede zwei Offiziere oder Befehlshaberinnen hat. (W. Scott II., 133). - In der Gascogne trägt der Zeremonienmeister einen vergoldeten Stab. (Dictionnaire infernal von Gollin de Plancy, Art. Aguerre.)

    Die Offizianten werden mittelst zusammengeschossener Beiträge entlohnt.

    Die Hauptverpflichtung der Hexe gegen den Teufel bestand darin, daß sie bemüht sein musste, mit Hilfe und nach dem Bescheid des Teufels die Christen an Leib und Seele, an Hab und Gut zu schädigen und zu verderben. Dabei ist zu beachten, daß die Hexen, wenn sie Schaden stiften wollten, immer vereinzelt, fast nie in Gemeinschaft mit anderen operieren. Nur einmal, in Schiltach in Baden, sind alle Hexen des Städtchens an einer Brandstiftung beteiligt.

    Das eigentliche Sakrament, durch das die Hexen ihre Wirksamkeit ausüben, ist die Hexensalbe, mit der die Hexen sich und die Spitzen ihrer Gabeln zur Ausfahrt bestreichen, mit der sie Menschen und Vieh schädigen und töten etc. Außerdem spielen Pulver, Kräuter und allerlei Zauberformeln eine Hauptrolle. Oft aber genügt schon ein Gruß, ein Hauch, ein Blick.

    Das Bestreben des Teufels war besonders auch dahin gerichtet, durch die Hexen und Hexenmeister unter den Menschen Hass und Zwietracht zu säen, insbesondere Ehegatten einander zu entfremden. In einem Berner Prozess von 1591 gestand ein Hexenmeister, der Teufel habe ihm geboten, die Leute gegeneinander aufzureizen und Uneinigkeit zu stiften, soviel er nur könne und möge. Im Jahr 1609 bekannte eine in Bern wohnhafte Weibsperson aus dem Kanton Zürich neben vielen Krankheiten, Lähmungen und Todesfällen, die sie durch Berührung mit der Hand, ja durch bloßes Streifen der Kleider verursacht habe, auch einige Versuche, die sie gemacht, selbst Ehen zu zerstören, indem sie den Ehegatten unüberwindliche Abneigung einzuflößen suchte, einen Zweck, den sie zwar nicht immer, aber doch öfters erreicht habe.

    Wer könnte außerdem die Zwecke und Mittel der Hexerei alle im einzelnen verfolgen? Hier wird ein Weib durch einen dargebotenen Apfel zu sechsmaligem Abortieren gebracht, dort ein Mädchen durch einen Trunk Bier bezaubert, daß es die Haare verliert, ein Kind mit Sauerkraut oder einem leisen Schlag auf die Schulter behext, ein Mann durch einen Schluck Branntwein des Verstandes und des Lebens beraubt.

Über die zahllosen Störungen der ehelichen Freuden durch Nestelknüpfen klagen besonders die Franzosen Bodin und de Lancre. Bodin versichert, es gebe mehr als fünfzig Arten des Nestelknüpfens. Wie sehr in einem von diesem Aberglauben angesteckten Individuum schon die bloße Furcht vor solchen Malefizien psychisch niederschlagend wirken und mithin Erscheinungen herbeiführen konnte, die man dem Maleficium selbst zuschrieb, ist an sich klar.

    Eine Hexe im Buseckertale melkt mittelst einer Spindel, die den Akten als Corpus delicti beigelegt wird, fremde Kühe. Eine Landsmännin der vorigen gibt der Nachbarin einen Wecken zu essen, worauf deren Knie so anschwellen, daß am folgenden Sonntage der Pfarrer von der Kanzel herab diese Übeltat straft. Die Täterin lässt sich bestimmen, den Zauber abzutun, legt einen Aufschlag von Bienenhonig und Tabak auf die Geschwulst, diese öffnet sich, und es gehen, den Akten zufolge, anderthalb Maß Materie mit Kellerasseln, Engerlingen, Schmeißfliegen und haarigen Raupen heraus, die Kranke aber ist genesen.

    Ein junger Lord in Rutlandshire wird dadurch getötet, daß man seinen rechten Handschuh siedet, durchsticht und in der Erde begräbt. An andern Orten ist die Rede von Dornen, Holzstücken, Steinen, Knochen, Glas, Nadeln, Nägeln und Haarknäueln, die den Leuten in den Leib gezaubert werden. Zahlreiche Bezauberte in England, Holland und Deutschland, die Nägel, Stecknadeln und andere harte Körper vomierten, haben oft Mitleiden und Almosen, zuweilen die Schande der Entlarvung ihres Betruges geerntet. Noch in dem berüchtigten Hexenprozess zu Glarus (1782) bildet diese Art Malefiziums den Mittelpunkt der ganzen Sache.

    Die Nonnen eines Klosters bekommen plötzlich steife Hälse, weil ein Weib ein Gebräu von Schlangen, Kröten und Sanguis menstruus bereitet hat.

    Solche Mittel, gewöhnlich Gifte oder Giftgüsse genannt, werden häufig vor Türen ausgeschüttet oder unter der Schwelle vergraben; man verdirbt mit ihnen Menschen, Tiere und Bierbrauerei. Kochen die Hexen allerlei Obstblüte in einem Hafen, so missrät das Obst; werfen sie gewisse Gegenstände in einen kochenden Topf zusammen, so entstehen Raupen und kleine Würmer, die das Eckerich (die Frucht der Buchen) zerstören; Mäuse werden durch ähnliche Künste in die Felder gezaubert.

    Werwölfe haben ihren Zustand bald durch den Gebrauch einer Salbe, bald durch das Anlegen eines Gürtels, bald in anderer Weise herbeigeführt. Im Jahre 1598 brach im Jura eine Werwolfepidemie aus. »Die Menschen verfielen damals scharenweise dem Wahne der Lykanthropie und zerfleischten und verzehrten zahlreiche Menschen und Tiere, die ihnen in den Weg kamen«.

    In Italien verwandelten sich die Hexen in Katzen, wogegen die Werwölfe (loups-garous) namentlich in Frankreich vorkamen. Hier wurde es noch am Ende des sechzehnten Jahrhunderts aktenmäßig festgestellt, daß der Jäger, der die einem Wolfe abgeschossene Pfote als Jagdbeute in die Tasche steckte, nach Hause zurückgekehrt, zu seinem größten Entsetzen sah, daß es eine Hand seiner Frau war.

    Übrigens ist sonst das gewöhnlichste Hexentier, in allerlei Beziehung und zu allerlei Beschädigung des Menschen, die Katze. Die Hexen verwandeln sich gern in Katzen, »denn die Katzen klettern auf dem Dach, kriechen in die Häuser, mögen in den Stuben, Kammern stehlen, zaubern, die Kinder verletzen«. Zu Hildesheim wurde 1615 ein Knabe verbrannt, der nach seinem »Bekenntnis« den Leib einer Katze annehmen konnte.

    Häufig dient auch eine Art Ungeziefer, das die Hexen als unmittelbare Frucht ihres Teufelsumgangs gebären, die so genannten Elben, bösen Dinger, guten Holdchen oder guten Kinder, zur Peinigung der Bezauberten. In den von Carpzov zusammengestellten Urteilen des Leipziger Schöppenstuhls kommen diese Elben häufig vor. Z.B. Nr. XXI. »Hat die Gefangene G.J. bekannt und gestanden etc.: Wenn sie mit ihren Bulen (dem Buhlteufel Lucas) zu schaffen gehabt, hätte sie weiße Elben, und derselben allezeit zehn bekommen, so gelebet, spitzige Schnäbel und schwarze Köpfe gehabt, und wie die jungen Rauben hin und wieder gekrochen, welche sie zur Zauberei gebraucht, ihr Bule ihr auch etliche gebracht, ehe sie mit ihm gebulet. Sie habe auch der Matthes Güntherin Kind ein bös Gesicht gemacht, indem sie es angesehen, und angehauchet, dazu sie diese Worte gebraucht: Ich wollte, daß du blind wärst; welches ihr Bule Lucas ihr also geheißen, und sie es in ihres Bulen Lucas und des Teuffels Namen tun müssen. Ferner habe sie auch die weiße Elben mit schwartzen Köpfen in den Brandtwein getan, und darinnen zergehen lassen, dieselben auch klein zerrieben in Kuchen gebacken, und solches auf ihres Bulen Lucassen Befehl, welcher gesagt, wenn sie zu jemands Feindschaft hätte, sollte sie demselben die Kuchen oder Brandtewein beibringen, darauf er an Gliedern und Leibe übel würde geplaget und gemartert werden. Hierüber hat Inquisitin bekannt, daß sie auf des Pfarrherrns zu Rotenschirmbach Acker mit ihrem Messer einen Ring gemacht, und drei Elben dahinein verstecket und vergraben, zu dem Ende, daß, wer darüber ginge, lahm werden und Reißen in den Gliedern überkommen sollte, welches denn Vorgedachtem Pfarrherrn zu Rotenschirmbach gegolten, weil er sie auf der Cantzel öffentlich für eine Zauberin ausgeschrieben, sie hätte die Elben in aller Teufel Nahmen eingegraben und dazu gesagt: Wer darüber ginge, der sollte lahm und krumm werden; und es hat sich in eingeholter Erkundigung also befunden, daß Matthes Günthers Kinde und andern Personen durch Zauberei an ihrer Gesundheit Schade zugefüget worden usw.« Ein 1687 nach einem Spruch der Juristenfakultät zu Frankfurt a.d.O. hingerichtetes Mädchen sollte vom Teufel Eidechsen geboren, sie verbrannt und mit der Asche Menschen und Tiere bezaubert haben.

    Die Elben der Germanen sind überwiegend gute, dem Menschen zugetane und dienstwillige Geister. Die Elben auf Irland knüpfen Liebschaften mit Menschentöchtern an, bringen verlaufenes Vieh zurück, schenken ihren Freunden unter den Menschen wundertätige Gegenstände und heilen Siechtum54. Doch schon die Snorra Edda kennt außer diesen Lichtelben die schwarzen Elben, böse Gesellen, die auf dieselbe Weise den Menschen schaden wie Hexen.

    Nach altgermanischer Vorstellung kamen diese Krankheitserzeugenden Elben, gespensterhaftes Ungeziefer aus dem wilden Wald zu Menschen und Vieh. »Der Baum, dessen Rinde sie beherbergt,« meinte man »entsende sie entweder aus Lust am Schaden oder um sie los zu werden, weil sie in seinem eigenen Leibe, wie in den Eingeweiden des Menschen verzehrend wüten.«

In dem späteren Hexenglauben ist es nicht mehr der Baum oder der Baumgeist, der die Würmer aussendet, sondern eine Zauberin. Entweder sind sie ihre Leibesfrucht, oder, in den Wald gehend, schüttelt die Hexe die »bösen« oder »guten Dinger«, »fliegenden Elben«, »Holdichen« oder »guten Kinder«, die bald als Schmetterlinge, bald als Hummeln, Grillen, Raupen und als Würmer beschrieben werden, von den Bäumen herab oder gräbt sie unter dem Holunder hervor, um sich ihrer zur Hervorbringung von Krankheiten, Geschwulst bei Menschen und Vieh zu bedienen, indem sie sie in Haut und Gebein beschwört.

    Teufelsgeburten in Menschengestalt, wie Robert der Teufel, Merlin, Caliban u.a.m., Wechselbälge und Kielkröpfe gehören mehr unter die streitigen Probleme der Theorie, als unter diejenigen Gegenstände, die im wirklichen Leben der Entscheidung des Richters zu unterliegen pflegten.

    Auch von den Eier legenden Hexen, wie sie hin und wieder erwähnt werden, und die sogar ihre Erzeugnisse zu Markte gebracht haben sollen, sehen wir hier ab.

    Das Merkwürdigste aber, was durch solche Teufelsbuhlschaften jemals zum Wehe der Menschheit gewirkt wurde, hat die Polemik des sechzehnten Jahrhunderts in den raschen Fortschritten der Reformation zu entdecken gewusst.

Martin Luther, behauptete man, habe nur darum so leicht ganze Völker um ihr Seelenheil zu betrügen vermocht, weil er der Sohn des Teufels gewesen, der sich einst unter der Maske eines reisenden Juweliers in das Haus eines Wittenberger Bürgers Eingang verschaffte und dessen Tochter verführte. So versicherte im Jahre 1565 ein Bischof von der Kanzel seiner Domkirche herab, und Fontaine wiederholte es in seiner Kirchengeschichte, wobei es denn freilich dem frommen Bischof nicht gefallen hat, die gemeine Meinung, die Luthers Erzeugung nicht nach Wittenberg, sondern nach Thüringen verlegt, einer weiteren Beachtung zu würdigen. Auch der Jesuit Delrio erzählt diese Überlieferung, ohne indessen für ihre Glaubwürdigkeit einstehen zu wollen.

    Unter einen weit entschiedeneren Schutz glänzender Autoritäten stellt sich dagegen der Glaube an das Vermögen der Zauberer, ihre Feinde durch das Zusenden böser Geister wahrhaft besessen zu machen. König Jakob I. von England verficht ihn in seiner Dämonologie; eine Kommission des Kardinals Richelieu hat sich in den merkwürdigen Exorzismen von Loudun, eine Kommission von Jesuiten in dem nicht minder interessanten würzburgischen Hexenprozesse vom Jahr 1749 von seiner Wahrheit überzeugt.

    Der Stab hat seit Circe und Pharaos Zauberern lange Zeit eine Rolle in der Magie gespielt. Im Mittelalter tritt er mehr zurück und ist in der eigentlichen Hexerei niemals wieder zu allgemeinerem Ansehen gelangt. Hier und da findet er sich noch als Attribut des gelehrteren Magus, der mit einem zu bestimmter Zeit und in bestimmter Form abgeschnittenen Haselschössling einen Kreis zieht und Geisterbeschwörungen anstellt. Auch griff gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts besonders in Frankreich der Wahn um sich, daß man durch einen gabelförmigen Apfel-, Buchen-, Erlen oder Haselzweig, eine Wünschelrute (baguette divinatoire), die Spur eines verlorenen Eigentums oder eines Missetäter finden könne. Doch machte man die Kunst mit ihr umzugehen, von der Zeit und den Umständen der Geburt eines Individuums abhängig, und man hat lange darüber gestritten, ob diese Kunst, deren Realität nicht bezweifelt wurde, aus der Macht des Teufels oder aus geheimen Naturkräften zu erklären sei.

    Das mantische Element tritt überhaupt in dem modernen Hexentum wesentlich zurück, zumal soweit von einem kunstmäßigen Verfahren die Rede ist. Wo die Hexe etwas Verborgenes weiß, da hat es ihr in der Regel der Teufel unmittelbar gesagt, der ihr nötigenfalls selbst im Beisein anderer als Mücke, Sperling oder in einer anderen Maskierung erscheint.

 

ENDE TEIL I

 

TEIL 2

Begriff und Wesen der Hexerei