16. Kapitel

 

  Klemens V.

 

 

    In der Geschichte ging Papst Klemens V. vor allem durch seinen Vorsitz im Prozess gegen die Templer ein. Des Weiteren erlangte er Berühmtheit, da er als erster Papst den päpstlichen Aufenthaltsort offiziell nach Avignon verlegte. Während seiner gesamten Amtszeit hielt er sich kein einziges Mal in Rom auf.

Er wurde um 1250 als Bertrand de Got in der Gascogne geboren, also im südwestlichen Teil des heutigen Frankreich. Im dreizehnten Jahrhundert war die Gascogne der nahezu letzte Landstrich, den die Engländer in Frankreich hielten. Als solcher geriet er zum heftigen Zankapfel zwischen dem englischen und dem französischen König.

Bertrands Familie gehörte dem niederen Adel an. Sein Vater Béraut besaß weder genug Land noch ausreichend Geld, um seine elf Kinder zu versorgen. Also diente er zwei seiner Söhne der Kirche an. Einer von ihnen wurde Erzdiakon bei Bérauts Bruder, dem Bischof von Agen. Später erhielt er die Weihe zum Erzbischof von Lyon und starb 1297 im Kardinalsornat.

Bertrand stieg nicht so rasch in die höheren Weihen auf. Zunächst in Orléans und danach in Bologna betrieb er das Rechtsstudium. Nach dem Abschluss begab er sich mit seinem Onkel nach Rom. Hier erlangte er schon bald einen gewissen Bekanntheitsgrad, da er sich vorzüglich mit den Feinheiten der englischen und französischen Verwaltung auskannte.

Als Papst Benedikt XI. nach nur einjähriger Amtszeit verstarb, kam der Verdacht auf, er sei einem Giftanschlag von Guillaume de Nogaret zum Opfer gefallen. Dieser war ein enger Berater von Phillip IV., dem König von Frankreich. Der neue Papst brauchte also Fingerspitzengefühl, um die Gradwanderung mit Phillip zu bewältigen.

Das Kardinalskolleg, dem damals nur zwölf Mann angehörten, stritt sich mehrere Monate lang, ohne sich darauf verständigen zu können, wer von ihnen der neue Papst werden sollte. Schließlich einigten sie sich in einem Kompromiss auf Bertrand de Got, der zwar kein Kardinal, aber immerhin Erzbischof von Bordeaux war. Bertrand nahm daraufhin den Namen „Klemens V.“ an.

Anstatt sich nun nach Rom zu begeben, um dort die Papstwürde zu empfangen, beschloss Klemens, die Zeremonie in Lyon abhalten zu lassen. Nicht gerade der überzeugendste Beginn zur Demonstration päpstlicher Autorität. Am Sonntag, dem 14. November 1305, empfing Klemens in Abwesenheit König Philipps IV. die dreiteilige Papstkrone. Auf dem Rückweg kamen der neue Papst und seine Eskorte an einer Mauer vorbei, die unter der Last des darauf hockenden Volkes plötzlich einstürzte, dass sie den Herzog der Bretagne erschlug und Karl, des Königs Bruder, schwere Verletzungen erlitt. Die Papstkrone wurde dem Würdenträger dabei nicht nur vom Kopf gestoßen, sie trug auch einige Dellen davon. Nicht gerade ein viel versprechender Amtsantritt.

Bevor König Philipp Lyon verließ, bat er den neuen Papst um die Erlaubnis, den französischen Klerus drei Jahre lang besteuern zu dürfen, um so seinen jüngsten Krieg in Flandern zu finanzieren. Klemens gewährte ihm seine Bitte. Außerdem weihte er achtzehn neue Kardinäle. Vielleicht wollte er auf diese Weise verhindern, dass sich das Kolleg gezwungen sah, noch einmal Päpste aus den unteren Rängen zu benennen. Als nächste Amtshandlung erließ er die Bulle „Rex Gloria“ oder „Der ruhmreiche König“, in der er verkündete, dass Philipp vollkommen unschuldig und ohne Fehl in seiner Beschwerde gegen Papst Bonifaz sei. Er sprach dem König die absolute Macht in Frankreich zu.

Während der zwölf Jahre muss Klemens zwar auch noch etwas anderes getan haben, als um Philipp herumzuschleichen, aber diese Taten waren wohl kaum der Rede wert.

Bald darauf verlangte Philipp von Klemens, dass er Papst Bonifaz postum verdammte, dessen Beschlüsse gegen all jene fallen ließ, die Bonifaz angegriffen und gefangen gesetzt hatten. Des Weiteren verlangte er die Aufhebung der Exkommunikation, unter deren Bann Philipps Minister Guillaume de Nogaret stand, außerdem sollte Klemens ihm bei der Vernichtung der Tempelritter behilflich sein.

Als Philipp im September 1307 darauf bestand, dass Klemens ein Konzil einberufe, um seine Anklage gegen die Templer zu untersuchen, da rebellierte Klemens´ Magen. Folglich richtete er dem König aus, er müsse eine neue Arznei ausprobieren und sich einer Reinigung unterziehen. Klemens versprach, sich sofort bei Philipp zu melden, sobald es ihm wieder besser gehe.

Selbstverständlich wartete Philipp nicht solange ab. Am 13. Oktober 1307 nahm er das Oberhaupt der Templer, Jacques de Molay, sowie alle Gleichgesinnten, deren er habhaft werden konnte, gefangen. Ohne die Hilfe des Papstes vermochte er jedoch nicht jene Templer aufzuspüren, die sich außerhalb Frankreichs befanden. Philipps Briefe an den König von Spanien, England und Schottland riefen bei den Adressanten Unglauben und Ablehnung hervor. Ohne eine Anordnung des Papstes wollten diese Länder nichts unternehmen.

Es ist nicht erwiesen, ob Klemens die Anschuldigungen gegen die Templer für bare Münze nahm. Am 27. Oktober sandte er Philipp einen Brief, in dem er ihn in scharfem Ton zurechtwies, ohne die päpstliche Genehmigung gehandelt zu haben, Hand an Leib und Eigentum der Templer zu legen. Dies sei mit Recht als ein Akt der Verachtung der Römischen Kirche zu betrachten.

Die Templer standen unter Aufsicht und Schutz des Papstes, und es war dessen Pflicht, jeglichen Untersuchungen gegen sie vorzusitzen. Um die Lage wieder unter seine Kontrolle zu bringen, erließ Klemens eine päpstliche Bulle, in der er befahl, dass bis zur Aufklärung der Angelegenheit alle Templer in Europa in Haft zu nehmen und ihre Besitztümer zu beschlagnahmen seien.

Dabei erwies es sich allerdings nicht als hilfreich, dass Jacques de Molay kurz nach seiner Gefangennahme ein öffentliches Geständnis abgelegt hatte.

Im Februar 1308 suspendierte Klemens jene Mitglieder der Inquisition, die für die Verhöre der eingekerkerte Templer zuständig waren. Mittlerweile hatte de Molay sein Geständnis vor einem Gesandten des Papstes widerrufen. Aus anderen Landstrichen war eine große Anzahl von Templern eingetroffen, um ihren Orden zu verteidigen. Trotz einer von Philipp gelenkten Schmutzkampagne bestand Klemens darauf, dass nur ein päpstliches Gericht über die Templer als Kleriker und Untertanen des Papstes beschließen dürfte. Daraufhin schickte Phillip einige Templer, damit sie vor Klemens aussagten. Es gibt Aufzeichnungen über ihre Angaben. Sie widersprechen einander heftig, dennoch bezichtigen sie den Orden der Blasphemie, der Ketzerei und erzwungener gleichgeschlechtlicher Akte. Im Jahr 1308 setzte Klemens schließlich eine Kommission zur Untersuchung des Ordens ein, die bis 1310 Zeit hatte, ihre Ergebnisse einem Konzil in Wien vorzulegen.

Das Konzil trat jedoch nicht vor 1311 zusammen, und eine Zeit lang sah es so aus, als könnten die Templer genügend Zeugen aufbieten, um die Anschuldigungen zu entkräften. Philipp verlor wohl die Geduld, jedenfalls ließ er am 12. Mai 1312 sämtliche Templer, die sich in Paris in seinem Gewahrsam befanden und ihre Geständnisse widerrufen hatten, als Ketzer verbrennen.

Nicht von ungefähr ging daraufhin außerhalb Frankreichs die Zahl aussagebereiter Templer deutlich zurück. Nach vielerlei Hin und Her und dem Aufmarsch eines Heeres vor Wien, das Philipp, seine zwei Brüder und seine drei Söhne anführten, löste das Konzil den Orden der Templer auf. Klemens trug allerdings in einer Hinsicht den Sieg davon. Der Orden der Templer wurde zwar unterdrückt, jedoch niemals verdammt. Einzelne Templer mochten sich verschiedener Verbrechen schuldig bekannt haben, dennoch machte niemand den Orden insgesamt dafür verantwortlich. Die Templer außerhalb von Frankreich verloren daher wohl ihre Aufgabe, aber nicht die Freiheit. Immerhin ein kleiner Sieg nach vielen Niederlagen.

Klemens zählte nicht gerade zu den besten Päpsten. Er ließ sich von König Philipp in fast jeder Hinsicht über den Tisch ziehen. Durch die Verlegung des Papstsitzes nach Avignon leitete er zudem einhundert Jahre dessen ein, was man gemeinhin als „babylonische Gefangenschaft“ des Papsttums bezeichnet. Er verschaffte mehreren Angehörigen seiner Familie wichtige Pfründe. Er verschwor sich vielleicht nicht direkt mit den anderen gegen die Templer, doch ihre Angelegenheiten ließ er unzweifelhaft im Stich.

Als Klemens am 20. April 1314 starb, hielt sich die Trauer in Grenzen. Kardinal Napoleon Orsinis, der einst die Amtsführung des Papstes zelebrierte, vertrat in einem Brief die Ansicht, dass Klemens >zu den schlechtesten Päpsten gehört(e), durch dessen Schuld Rom, die Papstländereien und Italien zu Schutt und Asche zerfielen.

Jacques de Molay hätte vielleicht hinzugefügt, dass die Schwäche des Papstes den Untergang der Templer verursachte und damit endgültig den Traum begrub, Jerusalem für Rom erobern zu können.

 

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