13 Kapitel

 

 Heilige Weiblichkeit

oder

das Göttlich Weibliche

 

      Die „Heilige Weiblichkeit“ ist ein Begriff mit vielen Nuancen. Er umfasst die Verehrung einer Göttin in einer pantheistischen Religion, beschreibt aber ebenso die Einheit des Weiblichen und Männlichen in einem göttlichen Wesen oder Prinzip. Die Verehrung der Natur als zutiefst weiblich ist ebenfalls eingeschlossen. Letztlich bedeutet er auch, dass allen Frauen etwas Göttliches innewohnt.

Der Monotheismus ist eine späte Entwicklung innerhalb der Religionen. Es fällt sehr viel schwerer, sich eine Gottheit allein vorzustellen, die das ganze Universum schuf und kontrollierte, als viele Gottheiten, die alle ihren eigenen Verantwortungsbereich haben. In den frühen Tagen der Hebräer, vor ungefähr dreitausend Jahren, verehrten auch diese eine Muttergottheit mit Namen >>> Ashera <<<. Manchmal war sie die Gefährtin des Baal, aber manchmal auch die Gattin des YHWH (Jahwe). Sie verschwand irgendwann vor der babylonischen Gefangenschaft etwa 500 v. Chr.

Doch war es stets in den verschiedenen Religionen der Völker gleich. Ob Römer oder Griechen, sobald der Moment nahte, da sie Struktur annahmen, bauten sie sich patriarchal auf. Sowohl griechische als auch römische Gesetzgebung und Traditionen verwiesen Frauen in den Haushalt. Außer über einen männlichen Vormund durften sie keinen Besitz ihr Eigen nennen. Knaben und auch Mädchen mussten sich den Vätern fügen. Mit dem Erreichen des vierzehnten Lebensjahres waren die Knaben aber frei, die Mädchen hingegen blieben dem Gesetz nach ihr ganzes Leben lang Kinder.

Frauen führten oft religiöse Handlungen aus. Als Teil ihrer Hausfrauenpflichten brachten sie den Hausgöttern Opfer dar. Es gab Kulte, in denen auch Priesterinnen Dienst taten. Die meisten dieser Religionen verlangten allerdings den absoluten Verzicht auf Sexualität. Der Kult der vestalischen Jungfrauen ist der bekannteste von ihnen. Die Vestalinnen genossen erheblich mehr Freiheiten als die übrigen römischen Frauen, einschließlich jener in der kaiserlichen Familie. Der Preis für diese Vorrechte hieß absolute Keuschheit. Jede Jungfrau, die an einer Orgie teilnahm, konnte sicher sein, dass sie kurze Zeit später lebendig begraben wurde. Also tauschten die Vestalinnen, genau wie die späteren christlichen Jungfrauen, ihre Lebensspendende Rolle gegen gesellschaftliche Freiheiten ein, wenn auch innerhalb eines begrenzten Bereiches. Eine Gottheit, die ebenfalls ihren Weg nach Rom fand, verlangte ihren Priesterinnen keine Keuschheit ab. Dies war der Kult der Kybele, der großen Mutter. Die römische Gesellschaft betrachtete diesen Kult mit enormem Misstrauen. Ihre Feste, vor allem im Frühling, standen im Ruf, lediglich den Rahmen für liederliches Betragen abzugeben. Dieses wiederum bestand wohl überwiegend aus wilden Tänzen und Selbstgeißelung.

Dieser Mythos berichtet auch von „Attis“, dem sterblichen Gefährten der Kybele. Er verliebte sich in die Göttin, die seine Gefühle erwiderte. Als sie jedoch herausfand, dass er sie betrog, strafte sie ihn mit ekstatischem Wahnsinn, in dessen Umklammerung er sich selbst kastrierte und starb.

Hier ist vielleicht zu erkennen, welchen Reiz dieser Kult auf die Römerinnen ausgeübt haben mag. Erstaunlicherweise starb er niemals aus. Eine mögliche Erklärung mag darin liegen, dass die männlichen Priester des Kultes dem Beispiel des Attis folgten. Ohne tödliche Folgen versteht sich. Dieser Umstand hat die aufrechten römischen Senatoren offenbar mehr aus der Fassung gebracht als das wilde Treiben der Frauen.

Besonders viel Aufheben machte man um die Frauen eines Kultes, die an den wilden Festen des Dionysos teilnahmen. Diese Frauen nannte man „Bacchantinnen“. Sie sollen in rehfarbenen Gewändern, mit einem Kranz aus lebenden Schlangen, die Wälder durchstreift und Tiere mit bloßen Händen zerfetzt haben. Für keine dieser Kulthandlungen existieren keinerlei Beweise. In dieser Zeit mag es eine Vielfalt dieser Kulte und ihren Mythen gegeben haben, wobei ein Grossteil dieser Mythen auf die Phantasie jener Menschen der damaligen Zeit zurückzuführen ist. Die früheste Erwähnung über solche Frauen findet sich im Jahre 405 v. Chr. Weder in einer historischen Abhandlung noch in einem Dokument, sondern in einem Theaterstück des großen Schriftstellers „Euripides“.

Diese Art hemmungslose Feste wurden im Jahre 186 v. Chr. Von den Römern bei Todesstrafe verboten.

Anhand dieser Tatsachen, dass das Weibliche stets als ausfallend betrachtet wurde (Eva hat schließlich auch Adam verführt und damit die Vertreibung aus dem Paradies bewirkt), der Mann hingegen als Vollkommenheit (wenn da das Weib nicht währe), erscheint es fast schon selbstverständlich, dass das Göttliche auch von männlicher Natur sein muss. Doch stellt sich hierbei, wenn auch vorerst nur am Rande, die Frage, ob eine Gottheit mit einem Geschlecht vollkommen sein kann. Offenbart sich das Leben nicht erst durch beiderlei Geschlechter?

Mit dem Heraufdämmern der Renaissance verschlechterte sich die Position der Frau im religiösen Leben. Die Hauptströmungen der Reformation trachteten danach, alle weiblichen Aspekte des Christentums auszumerzen, die doch einen innigen Teil der Frömmigkeit ausmachten. Die weiblichen Heiligen, die Mystikerinnen, die Jungfrau selbst, alle wurden sie als „papistischer Aberglaube“ geächtet. Protestantische Predigten gegen die Gefahr, welche von Frauen ausging, drückten sich nicht weniger frauenfeindlich aus als die entsprechenden Schriften Tertullians. Während dieser Zeit, dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, erreicht die Furcht vor dem Weiblichen, ob heilig oder nicht, ihren Höhepunkt, die in den Hexenprozessen und Hinrichtungen Tausender Frauen gipfelte.

 Nicht die Frage ob das Göttliche weiblicher oder männlicher Natur sei ist für mich hier maßgeblich (wie bereits erwähnt kann meines achtens die Schöpfung nicht aus dem bestehen was sie selbst hervorgebracht hat um den Zyklus des Lebens zu gewährleisten), sondern die Tatsache, warum eine so starke Ablehnung des Weiblichen in den religiösen Haltungen vorherrscht. Gibt es einen Hintergrund, der den christlichen Glauben in Frage stellen könnte? Könnte dieser Hintergrund oder jene Erkenntnis darum jegliche Glaubensauffassungen widerlegen? Und würde eine solche Wahrheit, wenn diese offenkundig werden würde, nicht eine Katastrophe hervorrufen, die der Apokalypse gleich kommen würde? Die Frage ist die, kennt die Kirche eine Wahrheit, welche nicht für die öffentliche Welt bestimmt ist, da diese den totalen Zusammenbruch der Menschheitsgeschichte bedeuten würde? Jeder Glaube, an das wofür man lebte und lebt währe mit einem Schlag gegenstandslos, der scheinbare Sinn des Lebens würde sich in Luft und als nichtig auflösen. Es gäbe kein Märtyrertum und keine Heiligen oder Helden mehr. Um es schlicht beim Namen zu nennen, der Mensch hätte jeden Halt in jeder Situation der Verzweifelung verloren, eine Zukunft ohne Sinn und Hoffnung.

Genau bei dieser Frage sind wir wieder bei unserem Anfangsthema.

 

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