5. Kapitel
Das Wissen der Templer und ihr Weg in andere Orden
Wie wir wissen zwar, dass der Orden zur Zeit seines Unterganges im 13. bzw. 14. Jahrhundert auf das härteste verfolgt und gerichtet wurde. Fast alle Mitglieder des Ordens wurden Hingerichtet oder verschwanden auf sehr mysteriöse Art für immer. Es ist zu vermuten, dass der größte Teil seiner Mitglieder mit dem Orden untergingen. Dennoch muss es einigen Brüdern der Templer gelungen sein, rechtzeitig sich ihrer Verfolgung durch die Flucht zu entziehen. Hierbei sollten wir aber überlegen, dass es den Templern fremd war zu fliehen. Es stellt sich also die Frage, ob es überhaupt eine Flucht in dem Sinne gab. Die Möglichkeit, dass einige auserwählte Ordensbrüder dazu bestimmt wurden, nicht nur den unermesslichen materiellen Schatz des Ordens, sondern auch die Aufzeichnungen des geheimen Wissens in Sicherheit zu bringen, liegt nahe. Wahrscheinlich wurde dieser Plan bereits lange vor dem Untergang geschmiedet, zu einer Zeit, als Großmeister und Berater das Ende kommen sahen. Es ging nicht mehr um den Orden an sich, es ging darum das Erbe und das Geheimnis des Ordens zu bewahren, und das um jeden Preis. Dieses Verhalten entspricht auch den kämpferischen Strategien des Ordens. Es geht nicht um die Mitglieder sondern um die Sache, welche es zu vertreten galt. Nur auf diese Weise konnte man einen Schatz von solcher Größe unbemerkt in Sicherheit bringen. Betrachten wir die Geschichte aus dieser Perspektive, so tragen die Templer doch ihren Namen, als Beschützer und Behüter des Heiligen Grals, doch zu Recht. Vielfach wurde die Geschichte der Templer beleuchtet und ständig wurden neue Gerüchte zur Historie gemacht. So brachten selbst im Untergang die Templer mithin neue Legenden, neue Mythen hervor, die dann von anderen zu historischen Fakten gemacht wurden. Eine besonders folgenreiche Umwandlung dieser Art betraf die Freimaurerei. Aber es gab zu jener Zeit bereits frühere Erscheinungsformen dieses Phänomens, in denen die Freimaurerei selbst verwurzelt war und die sie für sich nutzen sollte. So kam es, dass der Tempelorden kaum zerstört war, als bereits wie ein Phönix aus der Asche seines eigenen Scheiterhaufens auferstand, um eine neue mythische Gestalt anzunehmen. Innerhalb eines Vierteljahrhunderts nach der Auflösung des Ordens wurde eine wahre Vielzahl von neutemplerischen Orden gegründet. Diese Gründungen setzten sich sogar über Jahrhunderte hinweg fort. So schuf zum Beispiel Edward III. von England im Jahre 1348 den Hosenbandorden, der aus zwei Gruppen von jeweils sechsundzwanzig Rittern bestand. Jener Hosenbandorden existiert noch heute und ist die in der Welt führende Einrichtung ihrer Art. Im Jahre 1352 gründete Johann II. in Frankreich einen fast identischen Orden, den Sternorden. Die Existenz dieses Ordens war jedoch von weit kürzerer Dauer, denn alle seine Ordensmitglieder fielen im Jahre 1356 in der Schlacht von Poitiers. Anno 1430 schuf Philipp III. Herzog von Burgund, den Orden vom Goldenen Vlies. Auch dieser Orden ist noch heute ein Begriff. Im Jahre 1469 gründete Ludwig XI. von Frankreich den Orden des Heiligen Michael. Ihm gehörten Männer wie Claude von Guise, Karl von Bourbon, Franz von Lothringen, Federico de Gonzaga und Louis de Nevers sowie Kommandeure und Offiziere einer Organisation an, die in dieser Darstellung noch eine herausragende Rolle spielen wird, der Schottischen Garde. Solche Orden waren natürlich viel kleiner als der mächtige Tempelorden. Auch fehlte es ihnen an Einflussreichtum und Macht. Sie hatten kein Land, keine Ordenshäuser, keine Güter und kein Einkommen. Sie waren stets abhängig von anderen Potentaten und somit fehlte es ihnen auch an Autonomie. Obwohl sie zunächst aus Kriegern bestanden, waren sie streng genommen nicht militärisch ausgerichtet. So verzichteten sie zum Beispiel auf eine militärische Ausbildung, auch besaßen sie keine militärische Hierarchie. Sie fungierten weder auf dem Schlachtfeld noch im Frieden als erkennbare Militäreinheit. Es ging ihnen letztlich mehr um Prestige als um reale Macht. Sie waren Instrumente königlicher Patronage und gehörten in die Höflingssphäre. Sie besaßen weder militärische Ausstattung und ihre Terminologie war schon bald so metaphorisch wie die der Heilsarmee. Was aber ihre Gründung, ihre Riten und Rituale und die von ihnen angestrebte Aura betraf, so war stets der Tempelorden ihr großes Vorbild. An dieser Stelle unserer Darstellung sind wir nun an eine Wegkreuzung angelangt. Hier trennen sich die Linien dieser späteren und herkömmlichen Orden von der Freimaurerschafft. In den damaligen wirren des Unterganges des Tempelordens musste ein Ort für die Hinterlassenschaft gefunden werden. Es musste sicher und unauffällig sein. Aber, und das war das Wichtigste, er musste absolut loyal sein. Er sollte nur aus dem Blut von Gleichgesinnten bestehen. Wo aber findet man all diese Voraussetzungen? Zumal in einer Zeit, in der sich alles im Umbruch befand. Aber genau das, dieser Umbruch sollte den wenigen Templern, welche für die Hinterlassenschaft verantwortlich und die eigens dafür am Leben geblieben waren und ihren Auftrag in der Flucht (eine Einstellung die jedem Mitglied des Tempelordens fremd und verrucht war) verwirklichen sollten, wie ein Geschenk des Himmels zu gute kommen. Es gab in jener Zeit genug Organisationen, welche sich die Tempelritter zum großen Vorbild auserkoren hatten. Nur welcher dieser Orden war der richtige? Welcher Orden war damals genügend unauffällig, absolut loyal, treu und vertrauenswürdig, dass er für die Sache sogar sein Leben lassen würde? Wer war so selbstlos und zuverlässig, so stark im Glauben und Charakter? Die spezielle Hinterlassenschaft der Templer war vornehmlich heraldischer Art, aber es gab ein weiteres Vermächtnis (vielleicht die Erkenntnis des großen Geheimnisses), dass das Erscheinungsbild des europäischen Katholizismus nicht nur radikal änderte, sondern ihn sogar die Meere überwinden ließ. Westwärts bis nach Amerika, und ostwärts bis nach Japan. Im Jahre 1540 lies ein gewisser Offizier namens Ignatius von Loyola, beschämt über das Vorrücken des Protestantismus, jenes ursprüngliche Templerideal eines Kriegermönchs, eines Soldaten Christi, wiederaufleben und stellte eine entsprechende Truppe auf. Im Gegensatz zu den Templern sollten Loyolas Soldaten ihre Kreuzzüge nicht mit dem Schwert sondern mit dem Wort durchführen. So entstand das, was Loyola die Kompanie Jesu nannte, bis der Papst, dem diese Bezeichnung zu militärisch erschien, die Umbenennung in „Gesellschaft Jesu“ forderte. Dies war der Orden der Jesuiten. Wie Loyola eingestand, orientierten sich die Jesuiten hinsichtlich ihrer soldatischen Struktur und Organisation, ihres weitläufigen Systems und ihrer strikten Disziplin an den Templern. Mehr noch, sie waren nicht nur als hochrangige Diplomaten und Botschafter, sondern häufig auch als Militärberater und Waffenexperten tätig. Genau wie die Templer unterstanden die Jesuiten nominell der Kirche, doch wie schon die ersteren erkannten sie oftmals kein Gesetz über sich an. Im Jahre 1773 verbot Papst Klemens XIV. „aus geheimen Gründen“ (die Umstände erinnern an die Auflösung des Tempelordens 461 Jahre zuvor) die Gesellschaft Jesu. Anno 1814 lebte die Gesellschaft der Jesuiten wieder auf. Selbst heute sind die Jesuiten in vieler Hinsicht eine in sich abgeschlossene Institution, und sie liegen nicht selten im Streit mit dem Papsttum dem sie angeblich Gefolgschaft schulden. Die Ritterorden und auch die Jesuiten waren, auf ihre Weise, Erben des Tempels, doch vergaßen sie im Laufe der Zeit ihre Ursprünge oder sagten sich bewusst von ihnen los. Es ist zu bezweifeln, dass auch nur einer dieser Organisationen vom Geheimnis und somit vom Schatz des Tempelordens gewusst haben kann. Mögen sie alle auch die Templer als Vorbild anerkannt und zum Teil nach ihren Riten und Überzeugungen gelebt haben, so kannten sie dennoch nicht das wirkliche Erbe des Tempelordens. Eines läst sich jedoch vermuten, einer dieser Orden oder Gesellschaften musste sich bereits in früher zeit in zwei Gruppen aufgespaltet haben, wobei die eine Gruppe dem eigentlichem Orden folgte, die andre sich jedoch neu organisierte. Sie tat sich mit einer kleinen, im Geheimen lebenden Gruppe von Brüdern zusammen, Brüder die ein großes Geheimnis viele Jahrhunderte bewart hatten, den wahren Erben der Ritter des Templerordens. Wo aber sollte sich diese Gemeinschaft befinden und wer waren sie? In Schottland sollte sich jedoch ein konkretes Erbe der Templer erhalten, das als solches anerkannt und durch Vermögens- und Blutsbeziehung weitergegeben wurde. Es werden sich an dieser Stelle natürlich sämtliche Historiker die Haare raufen und behaupten, dass die Freimaurerei ihre Wurzeln ganz woanders hat und sie auch nicht von dem „großen Geheimnis“ wüssten. Das mag auch richtig sein. Dennoch gibt es eine Vielzahl an Hinweisen, dass die Freimaurer von einem Geheimnis dieser Art wissen oder es zumindest vermuten. Ihre Suche nach Antworten und Beweisen blieb bislang nur erfolglos. Trotz, oder gerade deswegen geht man auch heute noch jeder Spur nach, die auf das „verlorene Geheimnis“ hinweisen. Eine solche Spur führt uns nach Schottland. Hier in Schottland sollte ein verzweigtes Familiensystem entstehen, das der Bewahrung wie der Vermittlung des Templererbes diente. Es dauerte nur kurze Zeit nach dem Untergang des Templerordens, und viele kleinen Orden versuchten sich als Orden auf dem Fundament der Templer. Sie waren oft nur von sehr kurzer Dauer. Andere, jene die im Verborgenen blieben haben sich teilweise bis zum heutigen Tag erhalten. Einige ahnen oder wissen um das mögliche Geheimnis. Einige mögen heute noch danach suchen, aber gefunden hat es bislang noch keiner. In den Wirren des damaligen Geschehens, werden (die Anzahl und genauere Daten sind unbekannt und nicht nachvollziehbar) während des Unterganges die noch übrig gebliebenen Mitglieder der Templer, den größten Teil des Schatzes sowie das dokumentierte Geheimnis des Ordens der Templer in Sicherheit gebracht haben. Wo? Es führen auch hier einige Hinweise und Spuren nach Schottland. Betrachten wir all diese Fakten, gleich ob bewiesen oder nicht, so können wir doch ein gewisses Fundament anhand von Indizien, zur Spekulation betreffs der Wahrheit, erstellen. Kommen wir dazu noch einmal genauer auf Schottland zurück, und alles was diesen Ort mit der Geschichte verbindet. Hatten wir doch gerade zuvor von einem schottischen Familiensystem gehört, so will ich jenes an dieser Stelle einmal genauer durchleuchten. Wenn eine echte Templertradition in Schottland überlebte, dann unter dem Schutz dieser Familien und der von ihnen finanzierten militärischen Organisation, der Schottischen Garde, die von allen Einrichtungen am unmittelbarsten die Nachfolge der Templer antrat. Mit Hilfe der Schottischen Garde und deren Familien, deren Söhne das Personal der Garde bildeten, ging außerdem eine neue Energie vom Kontinent auf Schottland über. Diese Energie – zunächst durch eine Vielfalt esoterischer Disziplinen sowie durch Steinmetzkunst und Architektur ausgedrückt – sollte mit dem Rest der Tempeltradition verschmelzen und sie neu beleben. Und so entstand die moderne Freimaurerei aus der Asche des alten religiös- militärischen Ordens. |
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