17. Kapitel

 

 

Was bedeutet es

ein Christ zu sein?

 

     Im frühen vierten Jahrhundert hatte sich das Christentum bis in die letzten Winkel des Reiches ausgebreitet. Trotz der zahlreichen Verfolgungen wuchs der Glaube weiter. Allerdings existierte keine einheitliche christliche Kirche. Viele Menschen waren entweder durch Wanderprediger oder durch die eigene Erleuchtung zum Glauben bekehrt worden. Sie hatten jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Unterweisungen in irgendwelchen christlichen Glaubensregeln bekommen. Es herrschte nur in den einfachsten Grundfragen Einigkeit. Jesus war, soweit war dies allen klar, Gottes Sohn, er war für die Sünden der Menschen gestorben und von den Toten auferstanden, und jene, die an ihn glaubten, erfuhren nach dem Tode das ewige Leben.

Im zweiten und dritten Jahrhundert hielten sich die Christen noch weitgehend bedeckt. Für die Anhänger anderer Religionen war das Christentum nur unterste Klasse, eine Religion für Arme, einfache Arbeiter, Sklaven und Frauen. Nichts was auch nur annähernd für jene, welche die Bürgerrechte besaßen, geeignet war. Zu jener Zeit wurde das Christentum, wie heutzutage so mansch eine Sekte betrachtet. Man sagte, das sich die Bekehrer nicht etwa an Männer wandten, sondern an junge Menschen und Weiber, die keinerlei Erfahrung hatten und dumm genug waren, an solch wundersame Dinge zu glauben.

Den Christen haftete also der gleiche Ruf an wie vielen exklusiven religiösen Gruppen in unserer heutigen Zeit. Sie galten als geheimnisvoll oder betrügerisch. Sie erlaubten ihren Kindern keine Ehe außerhalb ihres Glaubens, nehmen an keine normalen religiösen Festlichkeiten der Römer teil und hielten ihre Häuser für Außenseiter verschlossen. Das lieferte dem Volk ausreichend Nahrung für jegliche Fantasie, welche von wilden Orgien bis hin zum Kannibalismus reichte.

Für die römische Obrigkeit hingegen gab es nur einen Grund, im Christentum eine Gefahr für den Staat zu sehen. Die Christen, wie auch die Juden, weigerten sich, ihre Hingabe zu spalten und auch den römischen Göttern sowie der noch wichtigeren göttlichen Natur des Kaisers zu opfern. Die meisten Römer sahen dies als Hochverrat an, so als wollten die Christen das römische Reich stürzen. Das führte dazu, dass sich fromme Christen im Verborgenen hielten oder aber den Märtyrertod erlitten.

Die wichtigste Frage lautete jedoch, ebenso wie auch noch heute, Woran glaubten die Christen eigentlich? Wenn Jesus der Sohn Gottes war, gab es dann zwei Götter? War Jesus ein Mensch, von dem ein Gott Besitz ergriffen hatte? War er ein Gott in Menschengestalt? Und welcher Natur war eigentlich der „Heilige Geist“?

Bis auf das Vaterunser und wenige Zeremonien mit Brot und Wein gab es kaum einheitliche Praktiken. Die Geschichten über Jesus und die Taten der Apostel wurden weitererzählt, wobei die Formen sehr unterschiedlicher Natur waren. Die Unterweisungen des Glaubens unterschieden sich von Ort zu Ort. Wenn dieser Glaube überleben sollte, musste unter den Bischöfen, den anerkannten Anführern der Christen, zu dieser Frage Einigkeit herrschen.

 So kam es, dass das Konzil von Nizäa schließlich folgendes Glaubensbekenntnis festlegte:

 

„Wir glauben an einen Gott,

den Vater, den Allmächtigen,

den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren,

und an einen Herrn Jesus Christus,

den Sohn Gottes,

als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt,

das heißt aus dem Wesen des Vaters,

Gott aus Gott, Licht aus Licht,

wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen,

wesensgleich dem Vater,

durch den alles geworden ist,

was im Himmel und was auf Erden ist;

der wegen uns Menschen und um unser Heiles willen

herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist,

gelitten hat und auferstanden ist am dritten Tage,

hinaufgestiegen ist in die Himmel und kommt,

Lebende und Tote zu richten,

und an den Heiligen Geist“.

 

Die aber sagen:

„Es gab einmal eine Zeit, als er nicht war“,

und:

„Bevor er gezeugt wurde, war er nicht“,

und:

„Er ist aus Nichts geworden“,

oder sie sagen, der Sohn Gottes sei aus einer Hypostase oder Wesenheit,

oder er sei geschaffen oder wandelbar oder veränderlich,

diese belegt die katholische und apostolische Kirche mit dem Anathema.

 

 Arius und Athanasius stimmten darin überein, dass Jesus sowohl Mensch als auch Gott war, als Mensch litt und sich aller Gefühle erfreute, die mit dem Menschsein einhergehen. In dieser Philosophie findet sich nichts, was es ihm verwehrt hätte, eine Ehe einzugehen oder auch nur eine Beziehung zu führen. Sämtliche frühen Formen des Christentums, einschließlich jener der Gnostiker, stimmten darin überein, dass Jesus am Kreuz starb, von den Toten auferstand und in den Himmel aufstieg. Ohne diese drei absoluta war die Religion bedeutungslos.

 

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